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Historisches und Amüsantes aus der Schatzkiste Bümpliz

Max Werren, der langjährige Ortsarchivar von Bümpliz, hat soeben seinen dritten und letzten Band der «Bümplizer Geschichte(n)» verfasst. Dabei verbindet er geschickt his­torische Begebenheiten mit spannenden Erzählungen.

«Bevor der Stadtbach beim Bachmätteli in der Nähe des ehemaligen Sprützenhüslis dem Blick entschwindet, befreit ein Rechen ihn vom gröbsten Schwemmgut. Eines Tages ging das Gerücht um, dass sich nächtlicherweise just an dieser Stelle ein Gespenst herumtreibe. Selbstverständlich tat man diese Behauptung als Flunkerei ab. Aber dann bestätigten zwei Personen auf dem Polizeiposten vis-à-vis der Drogerie Gurtner den Vorfall: ‹Bätzi-Housi› – ein schluckfester und redseliger Gast in der ‹Schüdere› – sowie Krämer Brändlis Hausangestellte, seine ihm ergebene Dauerbekannte, erzählten von einer unheimlichen Begegnung nach Beizenschluss.»

So beginnt die schaurig-gruslige Geschichte des Kapitels «Gespenst beim Bachmätteli». Wie der Zwischenfall endet, findet sich auf Seite 47 des dritten Bandes der «Bümplizer Geschichte(n)» von Max Werren. Mehr sei nicht verraten…

Berner mit Leib und Seele
Die Stadt Bern ist seit jeher ein Lebenselixier des heute 81-jährigen Berners Max Werren. So bleiben seine vielen Stadtführungen unvergessen, immer angereichert mit kurzweiligen Geschichten. Jahrelang wählte er Bümpliz als seinen geliebten Wohnort. So musste er nicht lange überlegen, als ihn Paul Loeliger, Optiker und Gründer des Bümplizer Ortsarchivs, vor 22 Jahren fragte, ob er das Archiv weiterbetreuen möchte. Die Aufgabe war auf Max Werren zugeschnitten und er forschte und sammelte bis 2021, was sich in Bümpliz zugetragen hatte. Heute sind die Sammlungen im Berner Stadtarchiv integriert.

Für Max Werren ist Bümpliz nach wie vor ein Dorf, wenngleich sich der Stadtteil VI mit der zunehmenden Durchmischung der Bevölkerung – der Ausländeranteil beträgt 35 Prozent –, aber auch architektonisch, immer mehr der übrigen Stadt Bern angleicht. Was geblieben ist: Bümpliz/Bethlehem teilt sich auf in einen städtischen Teil und mit Oberbottigen/Riedbach in einen ländlich geprägten Teil. «Die Einwohnenden des urbanen Bümpliz sind politisch eher dem linken Lager zuzuordnen, die Bevölkerung im ländlichen Teil denkt mehrheitlich bürgerlich-konservativ», weiss Max Werren zu berichten. Mit einer Fläche von 20 km2 und mit 34 000 Einwohner:innen ist der Stadtteil VI mit Abstand das grösste und bevölkerungsreichste Quartier von Bern.

Nicht immer spannungsfrei
Schon vor mehr als hundert Jahren wurde das Dorf Bümpliz immer mehr zum Stadtteil. Durch die Industrialisierung fanden die Arbeiter in Bern nicht mehr genügend Wohnraum und wichen nach Bümpliz aus, denn dort war Platz vorhanden. Das Dorf vermochte aber die Last der Neuzuzüger kaum mehr zu stemmen und geriet an den Rand des Ruins. Bümpliz wurde schliesslich 1919 von der Stadt eingemeindet und damit zum Stadtteil VI. Mit dem Bau des Tscharnerguts in den 1960er-Jahren entstanden die ersten genossenschaftlichen Siedlungen.

«Bümpliz wurde zum Arbeiterdorf zweiter Klasse», erzählt Max Werren. «Alles Unangenehme wurde auf Bümpliz abgeschoben.» Zwischen dem späteren Stadtteil Bümpliz und der Stadt Bern gab es lange Spannungen, vor und nach der Eingemeindung. «Während die Stadt den Bümplizern verbot, dem auf Bümplizer Boden verlaufenden Stadtbach Wasser zu entnehmen, ‹rächten› sich die Bümplizer, indem diese den Bach absichtlich verunreinigten. Daran hatten die Wäscherinnen in der Spitelgasse natürlich keine Freude», lacht der ehemalige Ortsarchivar. Das Berner Stadtfest von 2016, das in Bümpliz stattfand, sieht Werren denn auch als Akt der Versöhnung. Er freut sich heute an den vielen Aktivitäten der multikulturellen Bevölkerung der zweiten und dritten Ausländergeneration: «Mit dem ‹Tscharni› entstand eine innovative Subkultur.»

Geschichte(n) nach aussen tragen
Max Werren wollte als Archivar nicht bloss forschen, sammeln und bewahren. Der riesige Fundus an Informationen und Bildern motivierte ihn vor einigen Jahren, für die Bevölkerung die Geschichte(n) von Bümpliz aufzuschreiben und damit zugänglich zu machen. «Die Traditionen dürfen nicht verloren und vergessen gehen», sagt er bestimmt. So entstanden die Bände 1 und 2. Und nun der dritte und letzte Band, der leider nicht ohne persönlichen Schicksalsschlag beendet werden konnte: Im Frühjahr 2022 erlitt Max Werren einen Hirnschlag, der ihn bis heute spürbar in Sprache und Schrift beeinträchtigt. Klar sind seine Gedanken nach wie vor, intensives Logopädie-Training bringt sichtbaren Erfolg, physisch ist der 81-Jährige topfit. «Ohne Hirnschlag hätte ich wohl noch zwei bis drei weitere Geschichten hinzugefügt», sagt er schmunzelnd. «Einen vierten Band hätte ich ohnehin aus Altersgründen nicht mehr geschrieben», ergänzt er. Denn die Entstehung der «Bümplizer Geschichte(n)» beanspruchte viel Zeit, rund drei Jahre von der Idee bis zur Drucklegung. Allerdings musste die Arbeit am letzten Werk krankheitshalber etwa ein Jahr ruhen.

Wenn Max Werren auf die Entstehung der «Bümplizer Geschichte(n)» zurückschaut, erwähnt er gleich mehrmals die vielen Kontakte mit den Menschen. «So kam Bauer Ulrich Wüthrich aus Niederbottigen zu mir und erzählte von seinem Wohnsitz, einem ehemaligen Jagdschlösschen des Berner Schultheissen Hans Franz Nägeli», begeistert sich Max Werren und seine Augen leuchten. «So entstehen Geschichten. Das gibt es sonst nirgends – das gibt es nur in Bümpliz!» Und Max Werren erzählt weiter …

Peter Widmer

PERSÖNLICH

Max Werren, geboren am 4. April 1942, wuchs in Bern auf. Er arbeitete u. a. als Journalist beim damaligen «Berner Tagblatt» und war 16 Jahre Direktor des Kornhausforums Bern. Danach bildete er sich weiter zum eidgenössisch diplomierten Public Relations-Berater und war als selbstständiger Kommunikationsberater tätig. Das Bümplizer Ortsarchiv betreute er von 2001 bis 2021. Zurzeit präsidiert er den Schlossverein Bümpliz. Max Werren ist verwitwet und wohnt heute mit seiner Lebenspartnerin in Köniz.

BÜMPLIZER GESCHICHT(EN)

Die 14 Kapitel des dritten und letzten Bandes sind teils amüsante Erzählungen aus fundierten Nachforschungen. So über den Bümplizer Namen Feller mit Fellerstock oder die Familie Benteli vom Neuen Schloss. Die Biographien der beiden Dynastien enthalten viele Einzelheiten. Amüsant und anregend die Erzählungen «Der Krawall in Bümpliz», «Eine weinselige Reise» oder «Ein sparsamer Bahnhofvorstand».

Max Werren, Schlossverein Bümpliz, «Bümplizer Geschichte(n)», Band 3, 2023, 99 Seiten, ISBN: 978-3-033-10042-8, erhältlich ab 31.8.23 Bibliothek Bienzgut und Buchhandlung am Stadtbach.

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