Vor 23 Jahren wurde Markus Walzer vollamtlicher Salutist bei der Heilsarmee. Seit bald zehn Jahren ist er Korps- offizier der Hilforganisation in der Stadt Bern. An Heiligabend lädt Walzer zur offenen Weihnacht im Hauptquartier ein.
Freundlich, verbindlich, zurückhaltend charmant – Markus Walzer wirkt auf den ersten Blick wie ein erfolgreicher Generalagent einer Versicherungsgesellschaft. Doch der 49-Jährige absolvierte seine Karriere nicht bei einer Versicherung. Jedenfalls nicht bei einer irdischen, denn der Mann mit dem klingend-beschwingten Namen ist Chef des Heils- armee-Korps in der Stadt Bern. Chef heisst da Korpsoffizier. «Militärische Strukturen und ihre Bezeichnungen waren zur Zeit der Gründung die beste Organisationsform», weiss Markus Walzer über die Anfänge der Heilsarmee zu berichten. Dazu gehörte die Einführung von Rängen, Uniformen und Symbolen. Gründer William Booth hielt sich dabei an den Bibelspruch «sei ein guter Soldat von Jesus Christus», als er im Jahre 1865 die «friedlichste Armee der Welt» aus der Taufe hob, die heute mit 1,7 Millionen Mitgliedern in 127 Ländern vertreten ist. Der methodistische Pfarrer Booth lebte damals im Londoner East End und war erschüttert über das Elend in den dortigen Slums der Frühindustrialisierung. Der Alkoholismus: eines der grössten Probleme dieser Zeit und so ist es folgerichtig, dass die Heilsarmee-Soldaten – oder Salutisten, wie sie sich nennen – ein klares Bekenntnis zu Abstinenz ablegen. Markus Walzer hatte nie ein Problem damit, auf den Konsum von alkoholischen Getränken verzichten zu müssen, denn er hat den Heilsarmee-Lifestyle sozusagen mit der Muttermilch aufgesogen. Seine Eltern waren auch Heilsarmee-Offiziere. «Ich fällte bereits in meinen frühen Jugendjahren den Grundsatz-Entscheid, ein Leben mit Gott zu führen» sagt Walzer. Seit 23 Jahren ist der gelernte Lastwagen-Mechaniker und Absolvent einer Handelsschule vollamtlich für die Hilfsorganisation tätig, die sich zudem als Freikirche bezeichnet. Die Walzer-Familien-Tradition geht weiter: Markus Walzer leitet das Korps Bern zusammen mit seiner Ehefrau Irene, ebenfalls eine aktive Salutistin und Heilsarmee-Offizierin, und ihre drei erwachsenen Kindern engagieren sich im engeren Freundeskreis der Organisation.
Dreigängiges Nachtessen
In der vergangenen Woche herrschte in den Gassen der Innenstadt und in den Quartieren von Bern Hochbetrieb. Mit der traditionellen Topf-Kollekte, die als vom Kanton anerkanntes Kulturerbe zum Stadtbild gehört, werden jeweils in der Adventszeit rund 150 000 Franken gesammelt. «Diese Sammelaktion kommt vollumfänglich den Hilfsprojekten in der Stadt zugute», betont Markus Walzer. Profitieren vom Erlös werden sowohl das der Heilsarmee eigene Passantenheim, die kirchliche Passantenhilfe und die Sozialberatung; dann: «Rahab», die Arbeit unter Prostituierten, die offene Weihnachtsfeier als auch Bedürftige auf der Strasse. «Die Advents- und Weihnachtszeit gehört zu den Höhepunkten meiner Tätigkeit», freut sich Markus Walzer. Seine ganze Familie hilft dann bei der Durchführung der Weihnachtsfeier im Passantenheim und bei der offenen Weihnachtsfeier am 24. Dezember. Im grossen Saal des 1915 erbauten Berner Hauptquartiers an der Laupen- strasse werden auch dieses Jahr weit über 100 Randständige, Flüchtlinge, Alleinstehende und Familien aus den verschiedensten Kulturkreisen erwartet. Auf sie wartet ein dreigängiges Nachtessen. Markus Walzer wird die Weihnachtsgeschichte vorlesen und dann singen alle zusammen die bekannten Weihnachtslieder. «Weihnachten ist ein christliches Fest, doch alle Menschen, gleich was und ob sie glauben, sollen sich mitfreuen können und etwas von Gottes Liebe erleben dürfen», beschreibt der Berner Korpsoffizier das Konzept. «Meine Tochter sagt, es seien die schönsten Weihnachten überhaupt», so Markus Walzer.
Matthias Mast