Julia Hodler-Josty erkrankte am Coronavirus und litt unter heftigen Symptomen. Die Bernerin hat am eigenen Leib erfahren, dass Covid-19 kein normales Grippevirus ist.
Natürlich habe sie sich die Frage gestellt, wie und wo sie sich angesteckt habe. Als Dentalassistentin sei sie es sich gewohnt, Hygieneregeln zu beachten und Mundschutz und Handschuhe zu tragen, sagt Julia Hodler-Josty im Gespräch mit dem Bärnerbär. Als bei ihr die ersten Symptome auftauchten, dachte sie deshalb nicht sofort an Covid-19, sondern zuerst an eine normale Grippe. Die Tochter habe zehn Tage zuvor über leichtes Halsweh und Müdigkeit geklagt, so die 50-Jährige. «Als es bei mir schliesslich heftig ausbrach und ich mich nach einer selbst auferlegten Quarantäne testen liess, hatte gerade der Lockdown angefangen.» Selbstverständlich habe sie ihren Chef umgehend informiert. «Es hätte sein können, dass er mich für Notfälle aufgeboten hätte.» Dass es keine normale Grippe war, merkte sie rasch. «Es war sehr merkwürdig.» Sie sei eine zackige Person, die jeweils bereits um sechs Uhr morgens auf den Beinen stehe. Plötzlich jedoch sei sie hundemüde gewesen und hatte Fieber. Sie habe an manchen Tagen bis um drei Uhr nachmittags geschlafen. Der Verdacht, an Corona erkrankt zu sein, war natürlich da, aber sie habe es anfangs noch nicht ausgesprochen, berichtet die Mutter von zwei erwachsenen Kindern, die nebst ihrer Tätigkeit in einer Zahnarztpraxis auch selbstständig ein Geschäft für Maniküre und Pediküre führt. Plötzlich sei es ihr besser gegangen, das Fieber für einige Stunden weg gewesen, um dann umso heftiger zurückzukehren. «Die schlimmste Nacht war, als mich der Schüttelfrost so quälte, dass ich fror, obwohl ich einen Kapuzenpullover und zwei Trainerhosen übereinander trug», erinnert sich Hodler-Josty. «Mein Mann drängte schon lange, ich solle zum Arzt gehen.» Ein bisschen Angst habe bei ihrem Zögern schon mitgespielt. Solange man kein Testresultat habe, sei man im Kopf schliesslich noch negativ. Doch schliesslich meldete sie sich bei ihrem Hausarzt und wurde positiv getestet.
Als hielte ihr jemand die Nase zu
Sie habe daraufhin ihre Familie zusammengetrommelt, denn der Arzt habe gemeint, dass wohl alle Familienmitglieder mit dem Virus infiziert seien. «Der Lockdown hatte ja bereits angefangen, aber nun blieben wir noch konsequenter zuhause.» Sie selbst sei sogar eine Woche länger als empfohlen daheim geblieben. «Ich wollte sicher sein, niemanden anzustecken», so Hodler-Josty. In der letzten Phase der Krankheit verlor sie ihren Geruchs- und Geschmackssinn gänzlich. «Ich konnte weder mein Burberry-Parfum noch einen Stumpen riechen – und eine scharfe Currysuppe schmeckte für mich nach nichts.» Es habe sich angefühlt, als ob ihr jemand die Nase zuhielt. Insgesamt war Julia Hodler-Josty 14 Tage lang krank. Die Müdigkeit habe sich am längsten hingezogen. Anfangs sprach sie nur von ihrer Erkrankung, wenn jemand konkret gefragt habe. Es habe zwar keine negativen Reaktionen gegeben, aber ein wenig Angst, ein allzu offener Umgang, der dann ihrem Geschäft schaden könnte, hatte Hodler-Josty schon. Hodler-Josty steht hinter den Massnahmen des Bundesrates, auch wenn sie selbst Einbussen zu verbuchen hat. «Bei zu schnellen Lockerungen könnte uns eine zweite Welle hart treffen.»
Auch ihr Vater steckte sich an
Heute ist die Mutter von zwei erwachsenen Kindern vollständig genesen und spricht offen über ihre Erfahrungen. Sie habe einen Lungenspezialisten aufgesucht, der ihr versichert habe, dass sie von Covid-19 keine Folgeschäden davontrage. Die Immunität komme ihr jetzt sogar zugute. Sie könne beispielweise Besorgungen für Nachbarn machen. Auch der 83-jährige Vater von Hodler-Josty ist an Covid-19 erkrankt und musste von seinem Altersheim kurzzeitig ins Inselspital verlegt werden. Sein Herz sei durch die durchgemachte Krankheit sehr geschwächt. In dieser Zeit den betroffenen Angehörigen nicht besuchen zu dürfen, sei das Schlimmste, das passieren könne, findet Hodler-Josty. Für die Nach-Corona-Zeit wünscht sich Hodler-Josty ein gesteigertes Hygienebewusstsein, das indes nicht in einen Wahn kippen dürfe. Sie gehöre noch zu jener Generation, die sich mit drei Küsschen begrüssten. «Du küsst zu viele», habe ihr Mann manchmal gesagt. Sie glaube, dass eine Normalität einkehren werde, wenn auch eine neue. Die simple Frage «Wie geht es dir?» – sie habe in diesen Krisenzeiten eine ganz andere Dringlichkeit bekommen.
Helen Lagger