Es waren am 10. Februar nur noch wenige Minuten zu spielen, Thuns Dennis Hediger sah im Mittelfeld eine Chance, den Ball zu erobern und einen Gegenangriff zu lancieren, setzte sich gegen YBs Djibril Sow etwas gar vehement zur Wehr, und schon war es passiert.
Der Thuner Mittelfeldakteur wurde vom Platz geführt. Die verheerende Diagnose für den ehemaligen YB-Junior: Kreuzbandriss, zehn Monate Pause. Wir treffen Dennis Hediger vor wenigen Tagen an seinem Wohnort Ostermundigen, er geht schon wieder wie ein junges Reh, bestellt ein stilles Mineralwasser und relativiert die gute Prognose seines Gesprächspartners.
Dennis Hediger, Sie gehen, als ob Sie morgen wieder auf dem Platz stehen würden.
Nein, das dauert voraussichtlich bis nach der nächsten Winterpause, ehe ich wieder voll dabei sein kann, auch wenn die Heilung optimal verläuft.
Am 22. September wird der Berner in Thuner Diensten seinen 33. Geburtstag feiern, doch an ein Aufhören verliert der Muskelmann keine Gedanken. Dennis Hediger wird dann so etwas wie der Beat Gerber des Fussballs sein, der eben erst im Alter von 37 Jahren mit dem SCB seinen sechsten Meistertitel feierte. Wie lange spielen Sie noch?
So, wie ich mich fühle und fit bin, traue ich mir zu, weitere fünf Jahre zu spielen.
Dass Sie sich in einem harmlosen Zweikampf, weit ausserhalb der Gefahrenzone verletzten, ist kein Zufall. Sie geben immer hundertprozentigen Einsatz, scheuen kein Duell, was dazu führt, dass Sie Gegenspieler hassen und Mitspieler lieben. Sind Sie ein Mann, der polarisiert, von Mitspielern mehr geliebt wird als von Gegnern?
Das kann sein. Ich denke, dieser stete Einsatz ist auch der Grund, dass Stefan Glarner und ich unsere Mitspieler stärker machen, weil wir immer mit gutem Beispiel vorangehen.
Dass Sie just im Moment Ihrer schwersten Verletzung positiv in die Zukunft blickten, ist verständlich und hat gute Gründe. Kein anderer Spieler der Super League hat nur annähernd den gleichen Fitnessstand wie Sie. Woher kommt das?
Ich war 16, spielte bei den YB-Junioren, als ich mir Gedanken über den Körper und die Fitness zu machen begann. Im Winter fragte ich meinen Trainer, ob ich den Fitnessraum benutzen könne, ging dann mit einem Mannschaftskollegen regelmässig trainieren, immer intensiver und häufiger. Das ging in Biel, wo ich von 2006-2010 spielte, so weiter. Das Thema Fitness begann mich zu interessieren. Ich schmiss mein Sportstudium, las Fachbücher, probierte vieles aus, bildete mich weiter und führte bewusst einen neuen Lebensstil. Bereits mit 21 begann ich Leute zu trainieren, verkaufte im Online-Markt meine Lebensphilosophie. Heute fühle ich mich äusserst fit, gesund und leistungsfähig und traue mir mindestens noch fünf weitere Jahre im Spitzen-Fussball zu.
Wo orten Sie das Geheimnis, dass der FC Thun die beste Spielzeit in der 121-jährigen Vereinsgeschichte erlebt? Über lange Zeit auf Rang 3 klassiert, erstmalige Qualifikation für den Cupfinal nach 64 Jahren, das Team am Tor zum Berner Oberland hat den Schweizer Fussball neu aufgemischt und Klubs wie dem FC St. Gallen, dem FC Zürich und GC vorgelebt, was möglich ist, wenn Präsident und Trainer etwas vom Fach verstehen und sich auf das Wesentliche konzentrieren.
Unser Erfolg ist kein Geheimnis. Sportchef Andres Gerber harmoniert mit dem Präsidenten, dem Trainer und dem Team bestens, er hält alles zusammen und hat ein ausgezeichnetes Bauchgefühl, dies äussert sich auch in der klugen Transferpolitik des FC Thun. Immer wieder stossen talentierte Spieler zu uns, die andernorts den Durchbruch nicht geschafft haben und den entscheidenden Sprung machen. Die Wechsel von Christian Fassnacht, Sékou Sanogo, Sandro Lauper und jetzt Marvin Spielmann zu YB sind beste Beispiele für die gute Nase von Andres Gerber.
Pierre Benoit