Angélique Beldner (44) über ihre Rolle als doppeltes SRF- Lottchen, Karriereträume und Rassismus im Alltag.
War die Corona-Krise die für Sie bis dato schwierigste Zeit als News- Moderatorin?
Ich war schon Journalistin, als im Walliser Dorf Gondo eine Schlammlawine Menschen in den Tod riss, beim Attentat von Zug 2001 und bei 9/11. Ich habe die ersten Bilder der gekenterten Flüchtlingsboote auf dem Mittelmeer gesehen. So sehr mir mein Beruf auch gefällt: Als Newsjournalistin gehören auch schwierige Themen zum Alltag. Die Corona-Zeit war insofern besonders anspruchsvoll, als dass sie nicht nur Einfluss auf mich in meinem Berufsalltag, sondern auch auf meine Familie, mein ganzes Umfeld, ja auf jede und jeden Einzelnen von uns hatte.
Waren Sie froh, mit «1 gegen 100» daneben noch einen nicht ganz so ernsten Ausgleich zu haben?
Da wir unsere Sendungen in Staffeln vorproduzieren, waren die Sendungen bis zur Sommerpause schon vor der Corona-Zeit aufgenommen worden. Aber ich denke schon, dass ab und zu ein wenig Unterhaltung eine willkommene Abwechslung für uns alle war in dieser Zeit.
Was moderieren Sie eigentlich lieber: eine News- oder eine Quiz-Sendung?
Würde ich das eine dem anderen vorziehen, würde ich es Ihnen bestimmt nicht verraten. Aber ich kann guten Gewissens und ohne zu flunkern sagen, dass ich mich unheimlich privilegiert fühle, beides machen zu dürfen und beides auch genau gleich gerne. Es sind zwei völlig unterschiedliche Gefässe. Die News sind mir thematisch nahe, ich könnte meine Tage nur mit Zeitung- lesen verbringen, ohne mich zu langweilen. Diese teils schwierigen, komplexen Themen zu verstehen, zu hinterfragen und möglichst verständlich und nachvollziehbar zu übermitteln, ist eine spannende Herausforderung. Auf der anderen Seite das Quiz, in dem ich viel mehr von meiner Persönlichkeit zeigen kann. Es braucht eine enorme Konzentration und Präsenz, während einer Stunde stets den ganzen Ablauf im Kopf zu haben, jederzeit zu wissen, wo der Einzelkandidat im Spiel steht, die hochdeutschen Fragen jeweils ad hoc ins Schweizerdeutsche zu übersetzen, gleichzeitig Gastgeberin zu sein für die 100 Kandidaten in der Wand und das Studiopublikum und schliesslich Unterhalterin für die Zuschauerinnen und Zuschauer zuhause. Daneben darf ich die Kamera nicht vergessen, muss wissen, wann ich wo in welche Kamera schauen muss und dann kommen noch die Regieanweisungen übers Ohr dazu. Auch wenn es vielleicht so aussieht – aber solche Sendungen schüttelt man nicht aus dem linken Ärmel. Selbst ich als erfahrene Moderatorin nicht.
«Ich kann ohne zu flunkern sagen, dass ich mich unheimlich privilegiert fühle.»
Hand aufs Herz: Wie viele der Fragen, die Sie Ihren Kandidatinnen und Kandidaten stellen, können Sie selbst beantworten?
Mir geht es wahrscheinlich wie vielen anderen auch: Zuhause entspannt auf dem Sofa, glaubt man vieles zu wissen, bei dem man sich vorne auf der Quizinsel dann auf einmal nicht mehr ganz so sicher ist. Deshalb: Keine Ahnung, wie stark meine Nerven als Einzelkandidatin wären!
Hat Ihnen Ihre «1 gegen 100»-Vorgängerin Susanne Kunz den einen oder anderen Tipp mitgegeben?
Tipps hat sie mir ganz bewusst keine gegeben. Wir sind zwei völlig unterschiedliche Personen, sie hat der Sendung eine ganz andere Note gegeben, als ich das tue. Ich denke, das ist auch richtig so.
Gibt oder gab es negative Stimmen, weil manche denken: News und Show, das passt doch gar nicht zusammen?
In meinem beruflichen Umfeld haben mir einige gesagt, dass ich in ihren Augen so sehr als Newsfrau verankert war, dass sie sich das gar nicht vorstellen konnten – doch jetzt, wo sie mich in der anderen Rolle
gesehen hätten, finden sie: Es passt.
Ihr Vater stammt aus Benin. Finden Sie es rassistisch oder zumindest unnötig, wenn Sie jemand fragt: «Woher kommen Sie eigentlich?»
Die Frage ist doch: Wer fragt mich wann aus welchem Grund. Wenn ich jemanden kennenlerne und er mich nach zwei oder drei Minuten fragt, woher ich komme, dann stört mich das. Denn es reduziert mich auf eine reine Äusserlichkeit. Ausserdem ist es eine Frage, hinter der, richtig beantwortet, eine ganze Lebensgeschichte steht. Diese erzähle ich aber einem flüchtigen Bekannten nicht. Doch selbstverständlich darf mich jemand in einem interessanten Gespräch aus Interesse fragen, was ich für einen Hintergrund habe. Kurz zusammengefasst: Die Frage eignet sich meiner Meinung nach schlicht nicht zum Smalltalk-Thema.
Haben Sie in der Schweiz je negative Erfahrungen aufgrund Ihrer Hautfarbe gemacht?
Ich bin so erzogen worden, dass ich mir nicht jedes Mal bei einer Anfeindung überlege, ob diese jetzt mit meiner Hautfarbe zusammenhängt oder nicht. Es spielt letztlich auch keine Rolle. Wer sich daneben benimmt, ist daneben. Da ist mir egal, ob es nur wegen meiner Hautfarbe ist oder weil ihm sonst etwas an mir nicht passt. Aber ja, wie die meisten Menschen mit anderer Hautfarbe habe auch ich negative Erfahrungen gemacht.
Apropos Wurzeln: Wie toll finden Sie als Bernerin Ihren Arbeitsort Zürich?
Na ja, Zürich gefällt mir sehr, Bern als Arbeitsort wäre mir aber zugegeben schon lieber. Wer bevorzugt schon nicht einen kürzeren Arbeitsweg.
Sie sind ausgebildete Schauspielerin. Wie fest dürfen Sie am Fernsehen sich selbst sein?
Dass ich Schauspielerin bin, hilft mir bestimmt dabei, mit Lampenfieber umzugehen, die Sprache und Spannung richtig einzusetzen oder mir meiner Wirkung einigermassen bewusst zu sein. Ich schlüpfe zwar in verschiedene Moderationsrollen, doch mit Schauspielrollen hat das nichts zu tun. Vor der Kamera bin ich immer mich selbst, ich zeige nur nicht immer dieselbe Seite von mir.
In welchem Film oder welcher Serie hätten Sie gerne mal mitgespielt?
In meiner Kindheit gab es jährlich eine Weihnachtsserie im ZDF. Meine Generation kann sich bestimmt daran erinnern: Silas, Anna, Oliver Maas … Liebend gerne hätte ich die Ballett-Tänzerin Anna gespielt oder wäre mit Silas zusammen auf seinem Pferd geritten.
Sie fingen Ihre Medienkarriere beim damaligen Radio Förderband an, wurden Chefredaktorin bei Canal 3, kamen zu Radio SRF und moderieren nun gleich zwei Formate. Eine Karriere, von der Sie immer geträumt haben?
Mein Traum war es schon als Kind, Schauspielerin zu werden. Zum Journalismus kam ich eher zufällig. Ich hätte mich gar nicht getraut, mich beim Radio zu bewerben, wenn mich nicht der damalige Moderationsleiter darauf angesprochen hätte. Auch bei meiner ersten Bewerbung bei SRF rechnete ich mir zunächst kaum Chancen aus und sah den Bewerbungsprozess zu Beginn einfach als gute Erfahrung. Das Vertrauen, dass ich bei Moderations- und Redaktionsstellen allgemein gute Chancen hatte, kam erst später.
Was kommt denn beruflich als Nächstes? Gibt es überhaupt noch Steigerungspotenzial?
Ich bin eine sehr wissensdurstige Person, bilde mich gerne weiter. Ich finde, um einen guten Job machen zu können, braucht es etwas Routine. Wenn dann die Routine da ist, muss man aufpassen, dass man sich nicht zu sehr darin ausruht und es auf einmal rückwärtsgeht. Deshalb hole ich mir zum Beispiel gerne immer mal wieder Feedbacks ab und lasse mich coachen. Und trotzdem: Ich denke, irgendwann wird es mich wieder weiterziehen. Aber ob diese Reise nun nach oben oder nach rechts oder links geht, finde ich weniger wichtig.
Wie fest hat der Lockdown Ihr Leben durcheinandergewirbelt?
Der Alltag mit Fernunterricht und Homeoffice empfand ich schon als grosse Herausforderung.
Sie verbringen Ihre Ferien dieses Jahr sicher auch in der Schweiz. Nennen Sie uns Ihren Geheimtipp.
Wenn ich den verraten würde, wäre es ja kein Geheimtipp mehr… (lacht)
Yves Schott