69 Gts Zermatterhof©adrian Ehrbar Photography

«Ich will für gut gelaunte Gäste kochen»

Heinz Rufibach (60) ist in Zermatt zum Sternekoch und «Koch des Jahres 2020» aufgestiegen. Seine Herzensstadt ist noch immer Bern.

Welche Erinnerungen haben Sie an die Verleihung Ihres ersten Michelin-Sterns?
Sehr spezielle! Drei Tage bevor er erstmals in einer öffentlichen Veranstaltung kommuniziert wurde, erhielt ich den Anruf, ich hätte mich nicht für den Apéro im KKL angemeldet. Ich verneinte es. «Momol, die Mail ist sicher im Spam gelandet.» Ich dachte, es könne nicht sein, dass ich eineinhalb Jahre nach dem Neustart im Gourmet-Restaurants im Zermatterhof, die eine Explosion beinahe verhindert hätte, schon eine so hohe Auszeichnung erhalte. Aber dann wurde ich ausgerufen und bekam die Kochjacke mit dem Stern, die fast wie das Green Jacket für den Sieg beim Golf-Masters ist.

Wie war es zur Explosion gekommen?
Beim Anschluss eines neuen Herds in entstand ein Leck. Als der Angestellte der Firma seine Funktion erklären wollte, genügte der winzige Funken beim Herausziehen einer Schublade, um das ausgetretene Gas zur Explosion zu bringen. Er und drei Mitarbeitende mussten ins Spital gebracht werden.

Was würden Sie als Ihr Erfolgsgeheimnis bezeichnen?
Als ich während meiner Stifti im Metropole auf der Zugfahrt von Fraubrunnen nach Bern drei Jahre lang jeden Morgen ganz viele hässige Gesichter gesehen hatte, dachte ich, dass ich dort kochen möchte, wo andere Ferien machen und gut gelaunt sind! So zog es mich nach Gstaad, St. Moritz, Arosa und Ascona, wo ich bei Jacky Donatz im Castello del Sole unheimlich viel gelernt habe.

Sie haben schon an vielen schönen Orten gekocht. Weshalb sind Sie gerade in Zermatt sesshaft geworden?
Als ich 1988 erstmals nach Zermatt ging, um im Mont Cervin Palace bei einem Eidgenössisch diplomierten Küchenchef zu arbeiten, stellte mir meine Frau eine ähnliche Frage! (lacht) Da ich auch noch Angebote des Beau Rivage in Lausanne und des Palace in Luzern hatte, sagte sie: «Weshalb willst du unbedingt dorthin, wenn wir das Leben auch am Lac Léman oder Vierwaldstättersee geniessen könnten?» Ich erklärte ihr, dass ich meine Wurzeln in den Bergen habe, und sie ist mir gefolgt.

Was schätzen Sie hier besonders?
Wenn ich mal einen freien Tag habe, gehen meine Frau und ich gerne wandern, biken und Ski fahren. In der Natur können wir beide auftanken. So habe ich meiner Frau zum 40. Geburtstag auch eine Matterhornbesteigung mit Bergführer geschenkt.

Wie verträgt sich Ihre Berner Mentalität mit der Walliser?
Ich habe da gar keine Probleme. Wenn ich gefragt werde, woher ich komme, sage ich aus dem Haslital, von Guttannen, und damit aus der Nachbarschaft des Goms. Natürlich bin ich immer noch für jeden Walliser ein «Bäji», aber ich war im Tessin auch schon 13 Sommer der «Zucchino».

Was tun Sie, wenn Sie nach Bern kommen?
Ich liebe es, mit Katharina durch die Lauben zu spazieren und mir in der Delicatessa des Globus die Trends und Preise anzuschauen. Ausserdem besuchen wir gerne unseren Sohn, der BWL studiert und daneben fürs Theater Gurten arbeitet. Ich gehe mit ihm gerne an YB-Matches oder tausche mich übers Kochen aus. Er ist mein wichtigster Kritiker und kommt immer wieder nach Zermatt, um meine Menüs probezuessen. Auf dem Heimweg stellt er auch kritische Fragen. Manchmal denke ich: «Scheisse, er hat recht …»

Wollten Sie sich nie selbständig machen?
Nein, ich bin im Gastgewerbe aufgewachsen und ein gebranntes Kind. Da meine Grosseltern den Bären in Guttannen führten, sind wir in den Sommerferien nicht nach Rimini gefahren wie meine Schulkameraden. Dafür durfte ich am Morgen das Buffet auffüllen und am Nachmittag Coupes machen. So will ich lieber angestellt sein, meine Ferien haben und jeden Monat meinen Lohn auf dem Konto.

Wo lassen Sie sich am liebsten kulinarisch verwöhnen?
Etwas vom Genialsten, das ich erlebt habe, war ein vierstündiges Diner beim indischen Spitzenkoch Gaggan Anand in Bangkok. Meine Frau erklärte mir vor dem Essen, was wir mit diesem Geld alles machen könnten, aber danach schwärmte sie, die 28 Gänge für 500 Franken wären jeden Rappen Wert gewesen. Nur ein Beispiel für seine phantasievolle Küche: Auf einem Teller stand mit verschiedenen Currys «Lick It Up» geschrieben, aus der kleinen Lautsprecherbox, die auf jedem Tisch stand, erklang der berühmte Kiss-Song, und dann «musste» man den Teller ablecken!

Gibt es in einem Fünfsterne-Hotel auch Gäste mit seltsamen Wünschen?
Einmal kam ein Russe zu mir, der das ganze Restaurant buchen wollte. Ich sagte ihm, dafür müsste er im Minimum 7500 Franken Umsatz garantieren. Er sagte: «Money is not the problem!» Er wollte für sich und seine Frau, ein befreundetes Ehepaar, vier Kindermädchen und acht Kinder unbedingt ein ganzes gebratenes Lamm auf der Tafel haben. Wir konnten es nur knapp im Ofen unterbringen. Am Ende schnitt er sich aber nur zwei Scheiben vom Gigot herunter. Ansonsten wurden Kaviar und andere Delikatessen, die er auch noch bestellt hatte, bevorzugt. Die Kinder wollte eh lieber Chicken Nuggets und Pommes-Frites essen.

Ein Fall von Food Waste der schlimmsten Art …
Das fanden wir auch und haben deshalb noch eine Woche lang Lammfleisch in allen Variationen gegessen. Noch mehr eingefahren ist mir ein Erlebnis als Koch in der Spielerlounge des Moskauer Tennisturniers. Als ich eine Angestellte, die Geschirr spülte, fragte, was sie mit den Speiseresten macht, die sie von den Tellern eines Björn Borg und Thomas Muster, in Einmachgläser kratzte und nach Hause nahm, erklärte sie mir, sie würde sie sterilisieren und als Vorrat in den Keller stellen. Was für ein Gegensatz zwischen armen und reichen Russen!

Reinhold Hönle

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