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«In fünf Wochen werde ich Berndeutsch sprechen»

Rolf Knie hat viel zu erzählen. Nicht zuletzt über seine Berner Vergangenheit. Der Künstler und Maler über YB, Dialekte und militante Tierschützer.

Rolf Knie, Sie spielen mit Ihrem Circus Musical ab dem 7. Juni in Bern. Das Engagement in der Hauptstadt ist für Sie auch eine Rückkehr in die eigene Jugend …
Absolut. Meine Mutter, Pierrette Dubois, stammte aus Bern. Sie war eine begnadete Sportlerin. Mit dem TC Dählhölzli wurde sie 17-mal Schweizer Meisterin im Tennis und zusammen mit ihrem Bruder Paul Dubois 10-mal im Eispaarlauf.

«Mein Vater wurde ein grosser YB-Fan und stellte sogar das Zirkusprogramm um.»

Und auch bei den Young Boys hinterliessen Sie Ihre Spuren …
Ja, weil der Circus Knie keine eigene Schule unterhielt, wohnten mein Bruder Fredy und ich während der Tournee bei der Familie Bürgi im Schlössli Belp. Zu dieser Zeit spielte ich für die Junioren der Young Boys. Ich kann mich erinnern, dass sogar der grosse Trainer Albert Sing bei unseren Trainings vorbeischaute.

Es heisst, Ihr Vater sei bei YB-Heimspielen sogar auf der Trainerbank gesessen. Stimmt das wirklich?
Ja. Zwischen ihm und Sing entstand eine enge Freundschaft. Mein Vater wurde ein grosser YB-Fan und stellte sogar das Zirkusprogramm um, damit er die Spiele so lange wie möglich verfolgen konnte.

Und auch die grosse Uhr, die heute vor dem Stade de Suisse prangt, soll ihr Überleben Ihnen zu verdanken haben …
… vor dem Wankdorf-Abriss fragte mich Bruno Marazzi, welchen Erinnerungsgegenstand ich gerne für mich hätte: Ich sagte: «Die alte Uhr.» Als ich dann realisierte, wie gross dieses Objekt ist, lagerten wir es vorübergehend in Marazzis Baufirma ein. Aus den Medien musste ich später erfahren, dass die Uhr vor dem Stade de Suisse stand und sich der damalige Stadtpräsident Alexander Tschäppät als deren Retter brüstete. Aber egal: Wichtig ist, dass die Uhr erhalten blieb. Man hätte sie allerdings ein wenig würdiger und authentischer aufstellen können.

Berner Vergangenheit hin oder her. Den Dialekt haben Sie nicht angenommen?
Ich verspreche Ihnen, dass ich nach fünf Wochen hier astreines Berndeutsch spreche. Der Dialekt liegt mir nah – und er ist sowieso wesentlich sympathischer als Züritüütsch.

Bern ist auch für den Circus Knie ein geschichtsträchtiger Ort. Hier beging der Nationalcircus am 1. Juni 1919 seine Uraufführung. Spielt dieser Fakt im Musical eine Rolle?
Selbstverständlich. Die erste Vorstellung auf der Schützenmatte vor der alten Reithalle wird in unserer Show richtiggehend zelebriert. Dass der Nationalcircus seine Premiere in der Hauptstadt feierte, steht für die landesweite Bedeutung des Unternehmens.

Was dürfen die Zuschauer im Musical erwarten?
Die Zuschauer können gar nicht wissen, was sie erwartet. Denn sowas gab es weltweit noch nie. Sie werden weder ein herkömmliches Musical noch eine Zirkusvorstellung oder ein Theater sehen. Wir bieten eine neuartige Show – mit Musik, Tanz und Akrobatik. In Dübendorf erhob sich das Publikum an jeder der 56 Vorstellungen zu einer Standing Ovation. Das habe ich noch nie erlebt.

Im August gastiert der Circus Knie in Bern. Zuletzt machten Boykottaufrufe von grünen Politikerinnen die Runde. Der Protest geht gegen die Tiernummern. Können Sie dies nachvollziehen?
Nein. Denn zum Zirkus gehören Tiere. Wie soll der Mensch eine Beziehung zum Tier entwickeln, wenn er diese gar nicht zu sehen bekommt? Dass Personen, die von Tierhaltung und Tierdressur keine Ahnung haben, in den Medien eine Plattform erhalten, finde ich höchst fragwürdig. Mein Vater etablierte schon in den 1950er Jahren die humane Tierdressur. Er arbeitete immer eng mit Tierschutzverbänden zusammen. Aber natürlich ändert sich der Zeitgeist. Deshalb habe ich mich 2002 entschlossen, den Winterzirkus Salto Natale ohne Tiernummern durchzuführen. Im Musical freilich haben wir riesige Tiere: Allerdings sind die selberkonstruiert und bestehen aus Leichtmetall und Stoff.

Sie feiern am 16. August Ihren 70. Geburtstag. Welche Bedeutung hat diese Zahl?
Ich mache mir keine Gedanken über Zahlen. Manchmal bin ich aber erstaunt, dass ich noch lebe.

Gibt es als Zirkusunternehmer ein Pensionsalter?
Nein, auf keinen Fall. Ich habe neue Projekte im Kopf. Aber ich halte es wie bisher immer in meinem Leben: Über ungeborene Kinder spricht man nicht.

Thomas Renggli

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