Herr Buff 6 Min

«Irgendwo versteckt sich sogar ein verliebtes Pärchen»

Und Abfahrt! Mit viel Liebe zum Detail haben die Eisenbahnfreunde Ostermundigen ein gigantisches unterirdisches Modellbahn-Paradies gebaut. Vereinspräsident Thomas Buff baut an der digitalen Zukunft.

Es sind nur ein paar Stufen hinab und schon steht man in einer anderen Welt. Im Vereinslokal der Eisenbahnfreunde Ostermundigen EFO im Keller der Gemeindeverwaltung sausen die Züge, vorbei an grünen Auen, Weinbergen und Abhängen, über Schluchten hinweg, durch Tunnel und Industriezonen hindurch. Ein Eisenbahn-Wunderland!

15 Züge fahren gleichzeitig
Obwohl dieser Ort vor 38 Jahren mal als Provisorium gedacht war, haben die Hobby-Bähnler den Ausbau ihrer Anlage weit vorangetrieben. «Inzwischen ist es ein Providurium», sagt Vereinspräsident Thomas Buff mit einem Augenzwinkern. Sollte der Abriss doch kommen, ist der Verein bereit, die Züge zu zügeln, baut er doch seit 2014 an einer mobilen Anlage.
Sie besteht aus mittlerweile fast 40 Modulen, die zu einer grossen Landschaft zusammengefügt werden können. So transportieren die EFO ihr Hobby zum Beispiel auf Modellbahnausstellungen. Gerade sind drei neue Teile im Bau, zuletzt ist eine bunte Landschaft mit See und Campingplatz in unzähligen Arbeitsstunden entstanden. Heissklebepistolen, Akkuschrauber, Bretter, Kunstmoos und winzige Verkehrsschilder liegen herum. Buff lächelt: «Im Verein haben wir unterschiedliche Talente. Ich baue nicht so gerne. Meins sind eher Kabel und Elektronik.»
Eines Tages soll die Anlage voll digital steuerbar sein, so Buffs Traum. An Knöpfen, Schaltern und Regeln fühlt er sich wohl. In eine Richtung auf der H0-Spur wird mit Gleichstrom, in die andere mit Wechselstrom gefahren. Ein automatisches Weichensystem verhindert Zugunglücke. Ob die Bahnanlage der EFO die grösste in Bern ist, bezweifelt Buff. Auch führt im Verein niemand Statistik darüber, wie viele Schienen, Kabel und Kunstbäumchen in der ca. 64 m²-Anlage verbaut sind. Hauptsache, auf der Schiene läufts. «15 Züge können bei uns gleichzeitig fahren», sagt Buff.

«Sie kommen langsam wieder»
Der Verein widmet sich nicht nur den Modellen, er pflegt auch die historische Steinbruch-Lok ELFE, die heute auf dem Bernstrasse-Schulhausplatz steht. «Das Zusammenspiel der Kräfte bei Zügen, ihre Dynamik und Technik faszinieren», sagt Thomas Buff, den Miniaturbahnen genauso interessieren wie echte.
Schon als vierjähriger Bub verbrachte er Vormittage damit, am Bahnhof Züge zu beobachten. Heute gibt es in der Schweiz kaum mehr eine Bahnstrecke, die er nicht kennt. «Zugfahren ist für mich viel mehr als nur ein Mittel, um von A nach B zu kommen.» Sein Favorit: die alte Lötschbergstrecke. Die Welt der Bahn, die man aus dem Alltag kennt, bei seinem Hobby nachspielen zu können, macht ihm Spass. Dabei ist Buff kein Nostalgiker, ihn interessiert die gegenwärtige Technik: «Es ist toll, mit einem modernen, schweren Güterzug über die Anlage zu fahren.» Das Handwerkliche und der Austausch im Verein sind für ihn ein guter Ausgleich zu seinem Büroalltag.
Die EFO haben ca. 40 Mitglieder, der Altersdurchschnitt ist hoch. Deshalb möchte der Präsident auch wieder jüngere Menschen in den Verein locken. Einzige Voraussetzungen: Spass an Eisenbahnen und Gemeinschaft. Thomas Buff sieht eine kleine Trendwende: «Eisenbahnen finden heute Platz in den Spielzimmern. Sie kommen langsam wieder.» Auch dank Digitalisierung. Sogar per Handy lassen sich die Züge nun steuern. Hier im Keller ist im Bahnhof Ostermundigen Endstation. Als vor einigen Jahren ein Hersteller das Bahnhofsgebäude in Miniatur herausbrachte, schlugen die Eisenbahnfreunde gleich zu. «Es ist selten, dass ein Verein seinen Heimatbahnhof besitzt», so Buff. Ein Highlight der Anlage ist ausserdem die Bietschtalbrücke. Trotzdem will der Verein keine Schweiz im Mini-Format nachbauen. «Man kann hier seine Traumlandschaft kreieren, die sehr realistisch aussieht. Echte Landstriche sind nur unsere Inspiration.»
So bleibt Raum für kleine Gags und Details: Ein versteckter Adlerhorst im Fels, ein Sensenmann auf einem Hügel, Paparazzi bei einem Verkehrsunfall. «Auf der mobilen Anlage gibt es sogar ein verstecktes Pärchen, das sich verliebt in die Büsche geschlagen hat», merkt Buff verschmitzt an. Dieses Jahr hätte der Verein gerne sein 40-jähriges Bestehen gefeiert. Aber Corona kam dazwischen. Auch der Tag der offenen Tür im November musste ausfallen. Ist der Zug nun abgefahren? Nein, 2021 feiert man nun den 41. Geburtstag. Mit neuen Landschaften und noch mehr Eisenbahnen. Buff siehts positiv: «Ein Jahr mehr Vorfreude.»

Michèle Graf

Weitere Beiträge

Weitere Beiträge