Einst war sie Lernende in einem typischen Männerberuf und musste sich erst bewähren. Nach 20 Jahren kennt Samantha Trummer ihr Metier bestens und ermutigt andere Frauen, als Kaminfegerin zu arbeiten.
«Meine Mutter dachte erst, das sei nur eine Phase», erinnert sich Samantha Trummer heute lachend. Als sie vor 20 Jahren nach einen Schnuppertag beim Kaminfeger ihren Berufswunsch ihren Eltern begeistert erzählte, reagierten die etwas verdutzt. Ob dieser körperliche Job, der traditionell von Männern ausgeübt wird, wirklich etwas für ihre 15-Jährige wäre? «Ursprünglich wollte ich Krankenschwester werden, aber die Spritzen waren nichts für mich. Dann gab mein Götti mir den Tipp Kaminfeger. Das war voll meins.» In der Berufsschule war Trummer dann 2002 eine von drei Frauen.
In der Männerdomäne hatte sie es erst nicht so leicht. Ein Teil ihres Umfelds traute ihr die Arbeit nicht zu, bis Trummer sie eines Besseren belehrte. «Anfangs hatte ich Mühe, mich zu behaupten, aber das lernte ich schnell.» Auch Vorurteile begegneten der jungen Frau: «Als ich einmal mit einer Lehrtochter bei einem älteren Herren auftauchte, konnte er sich nicht vorstellen, dass wir unseren Beruf beherrschen. Er meinte, er hätte doch lieber männlichen Kollegen.» Durch ihre gute Arbeit konnten die Kaminfegerinnen ihn aber überzeugen. Heute sei die Kundschaft selten überrascht. Ein Grossteil findet es toll, dass Trummer einen ehemals männlich konnotierten Job ergriffen hat und schätzt ihre freundliche Art.
Die Lust am Russen
Ihr ehemaliger Lehrmeister und heutiger Chef Roland Morgenthaler nickt zufrieden. «Samantha ist sozusagen unser Erfolgsmodell.» Mittlerweile arbeitet noch eine Kaminfegerin in seinem Betrieb, immer wieder bildet er Frauen in einer dreijährigen Lehre aus. Trummer und er bestätigen, dass es in diesem Beruf kaum eine Tätigkeit gibt, die eine Frau nicht genauso gut wie ein Mann ausführen könne. «Natürlich haben sie weniger körperliche Kraft, aber wir schauen immer, dass wir bei solchen Aufträgen die Arbeiten im Team erledigen», berichtet Morgenthaler.
Bei dem einen oder anderen Auftrag ist Trummer in der Lenk schon mal im Schnee stecken geblieben, musste den Wagen freischaufeln oder ein Landwirt zog sie mit dem Traktor heraus. «Früher war ich in solchen Situationen nervös. Ich will ja auch pünktlich beim Kunden sein.» Heute sei sie gelassener, geht die Aufgaben routiniert und selbstbewusst an. «Durch meinen Job bin ich auf jeden Fall auch charakterlich gewachsen.»
Trummer schätzt an ihrem Metier besonders die Vielfältigkeit, mag das Russen. «Ich habe nichts dagegen, auch mal schmutzige Hände zu bekommen. Je dreckiger, desto besser», schmunzelt sie. Russen nennt man das Reinigen von Feuerungsanlagen. «Holzheizungen und Sitzöfen sind toll. Da kann man sich austoben. Dann brauche ich am Abend kein Fitness mehr.»
Mittlerweile hat Trummer mit der Administration eine neue Aufgabe gefunden. Über 1000 Termine managt sie im Monat, ist die vertraute Stimme am Kundentelefon. «Vor drei Jahren fing es an, dass ich den Holzgeruch und das Russ schlechter ertragen konnte, deshalb habe ich nun ein anderes Aufgabengebiet.» Morgenthaler nickt. «Die Arbeit geht an die Substanz, das merke ich selbst auch.» Er weiss von Frauen, die bei ihm in der Lehre waren, nun den Beruf aber wieder verlassen haben. Dennoch ermutigt Trummer Frauen, sich für den vermeintlichen Männerberuf zu begeistern: «Man muss nur den Mut und Willen haben anzupacken.»
Zum Beruf gehören auch Aufgaben wie Brandschutz, Kontrollen der Heizanlage, Messungen von Emissionen und Energieberatungen. In Zeiten unsicherer Rohstoffpreise wollen viele ihre Heizanlagen erneuern und auf etwas Ökologischeres umsteigen. Wärmepumpen sind in aller Munde.
Morgenthaler findet diese Anlagen nicht die beste Wahl. «Was viele Leute nicht bedenken, ist, dass Luft-Wärmepumpen je nach Aussentemperatur zu einem grossen Teil mit Strom betrieben werden, welcher durch das Verbrennen von Kohle und Gas entsteht oder aus AKWs stammt.» Er rät zu einer Heizanlage mit Pellets. «Holz ist ein CO2-neutraler Brennstoff.»
Wirklich ein Glücksbringer?
Inzwischen hat sich Trummer einen Koffer mit Messgeräten geschnappt, eine Rauchgaskontrolle steht an. Den klassischen Zylinder trägt sie dabei nicht. Dennoch legt man bei Morgen-
thaler viel Wert auf Tradition. «Ich merke, dass die Leute sich freuen, uns in dieser Kleidung zu sehen. Wenn Morgenthaler mit dem Zylinder auf dem Kopf ankommt, lächeln die Kundinnen und Kunden.» Öfter wollen die Menschen sie dann auch berühren. Das bringe schliesslich Glück.
Ob sie wirklich eine Glücksbringerin ist, wagt Trummer nicht zu sagen. «Aber einmal hat es sicher funktioniert. Eine Kundin hat, kurz nachdem ich bei ihr war, im Lotto gewonnen.»
Michéle Graf