Warum der gelernte Bäcker einst einen Auftritt als Internet-Experte bei 10vor10 hatte. Und was wir heute in seinen Brotback-Kursen alles über gutes Brot und Sauerteig lernen können.
Immer wenn Michael Nägele in seinem Garten den Holzbackofen für einen seiner Kurse einfeuert, riecht es im Berner Schönberg-Quartier verführerisch nach frisch gebackenem Brot. Vor dem Backen wird eifrig Teig geknetet und zu Broten geformt. Die Teilnehmenden erfahren, was gutes Mehl ausmacht, wie ein Sauerteig angesetzt wird und warum lange Ruhezeiten für die Brotqualität so wichtig sind.
Wer ist Michael Nägele, der gelernte Bäcker und sympathische Genussmensch, der sich beruflich immer von seinen Interessen und Inspirationen leiten liess? Er verliess früh die Backstube, holte die Matura nach, ging an die Uni und machte Karriere in der IT- und Telecom-Branche sowie als Unternehmer. Aber nie hat er seine Leidenschaft für gutes Brot, fürs Backen und Geniessen verloren.
In der Bäckerlehre die Brot-Leidenschaft entfacht
Nägele wuchs im appenzellischen Herisau auf und machte die Lehre in einer der lokalen Dorfbäckereien. Er lernte das traditionelle Bäckerhandwerk und schätzte es schon als Lernender, richtig gutes, schmackhaftes Brot backen zu können. «Mein Vater hatte in Herisau eine eigene Schreinerei, in der ich als Junge ab und zu aushalf. In der Schnupperlehre zum Bäcker merkte ich aber sofort, dass es mir in der Backstube besser gefällt als in der Schreinerei. Noch heute erinnere ich mich gerne an den intensiven Geschmack der frisch gebackenen, noch warmen Zöpfe und St. Galler Bürli.» Mit einem bravourösen Lehrabschlusszeugnis in der Tasche machte sich der junge Nägele auf nach Luzern und bildete sich in einer Confiserie weiter. Bald zog er weiter nach St. Gallen, arbeitete wieder in einer Bäckerei – und merkte allmählich, dass er seinen Lebensrucksack gerne mit neuem Wissen und neuen Erfahrungen füllen möchte.
Horizont reichte über die Backstube hinaus
1987 holte der junge wissensdurstige Nägele die Matura nach und schrieb sich in Bern zum BWL- und Psychologiestudium ein. Bern als neuer Lebensort war ein Bauchentscheid des Appenzellers, «aber genau der richtige», meint Nägele lachend. Seinen vielfältigen Werdegang können wir hier aus Platzgründen nur oberflächlich schildern. Anfang der Neunzigerjahre tauchte der Ex-Bäcker in die damals boomende Tech-Welt ein und arbeitete viele Jahre als Product Manager und im Marketing für verschiedene IT- und Telecomfirmen. Speziell die Anfänge des World Wide Web faszinierten ihn – so sehr, dass er als Experte einen Auftritt bei Thomas Klapproth in der Sendung «10vor10» hatte. Ein wichtiger Meilenstein war auch seine Beteiligung als Aktionär an der Musikfirma dmd2, die ein ehemaliger Arbeitskollege von ihm gründete. Für die Firma war er einige Jahre operativ tätig und sitzt dort auch heute noch im Verwaltungsrat. Und ja: in den letzten Jahren arbeitete er bei der Post im Marketing und führte dort unter anderem das Recyclingsystem für Kaffee-Kapseln ein.
Zurück zur alten Liebe – dem Brot
Vor einigen Jahren entschied sich der vielseitig engagierte Nägele, beruflich kürzer zu treten und sich wieder vermehrt seiner alten Liebe, dem Brotbacken, zu widmen. Auch hier ging er neue Wege, vertiefte sich in Sachbücher über Sauerteig, weil er diesen aus seiner früheren Bäckerzeit noch nicht kannte. Neugierig, wie Nägele ist, besuchte er 2019 auch den ersten internationalen Sauerteigkongress in Luzern. Es folgten Experimente mit Sauerteig-Kulturen, bis er den richtigen Mix auf Basis von hochwertigem Roggenmehl fand. Zu dieser Zeit schenkte sich Nägele zum Geburtstag auch einen robusten Holzbackofen, den er in seinem Garten installierte. Er übte sich geduldig in dieser doch anspruchsvollen Art des Backens und lernte so die Tricks und Kniffe zur Herstellung feiner Holzofenbrote kennen.
Brotback-Kurse für Kleingruppen
Mit seinen Erfahrungen als Bäcker und dem neu erworbenen Wissen über natürliche Herstellungs- und Backverfahren gerüstet, beschloss Nägele, Brotbackkurse für kleinere Gruppen anzubieten. Er möchte so das Verständnis für gutes Brot fördern und die Teilnehmenden in die Geheimnisse des handwerklichen Brotbackens einführen. «Das Wichtigste für ein gutes Brot», erklärt er jeweils zu Kursbeginn, «ist, neben hochwertigem Mehl, Wasser und Salz, vor allem Geduld und viel Zeit. Nur wenn der Sauerteig lange gärt, kann sich sein unvergleichlicher Geschmack voll entfalten.» Im Praxisteil der Kurse werden dann verschiedene Teige produziert und zu schönen Broten geformt. Nägele präsentiert auch verschiedene Backmethoden – etwas im Haushaltbackofen, im Guss- eisentopf und Holzbackofen. Gegen Kursende setzen sich alle an einen grossen Tisch zum gemeinsamen Probieren. Unter neugierigen Blicken werden die selbstgebackenen Brote aufgeschnitten und zusammen mit rezentem Appenzeller-Käse aus seiner Heimat und Wein genossen.
Jürg Morf
PERSÖNLICH
Michael Nägele (61) ist in Herisau geboren und aufgewachsen. Der gelernte Bäcker und spätere Manager und Unternehmer wohnt im Schönberg-Quartier in Bern und ist verheiratet. In seiner freien Zeit reist er viel und entdeckt unterwegs feine Sauerteig-Bäckereien.
Infos zu den Brotbackkursen «Pane e Passione»:
michaelnaegele.ch