Einen besonderen Ort für Kinder mit lebenslimitierenden Krankheiten schaffen: Das ist die Vision, die Susanne Peter mit dem Verein «allani Kinderhospiz Bern» verfolgt. Nach fünf Jahren harter Arbeit freut sie sich nun auf die Eröffnung 2022.
Über den Feldern rund um Riedbach hängen an diesem Morgen noch Nebelschwaden, erste Sonnenstrahlen fallen in den Garten eines grossen ausgebauten Bauernhauses. «Dort soll mal ein Spielplatz entstehen», sagt Susanne Peter mit Blick aus dem Fenster. Und das ist nur ein Teil des Plans, den der Verein «allani Kinderhospiz Bern» verwirklichen wird. Insgesamt sollen hier sechs bis acht Plätze für Kinder mit lebenslimitierenden Krankheiten und ihre Angehörigen entstehen. Auf die Idee kam Peter mit Kinderphysiotherapeutin Sarah Clausen am Küchentisch ihrer ehemaligen WG. Vor fünf Jahren gründeten die Frauen den Verein, in dem Profis aus der Pflege als auch Betroffene vertreten sind.
Manchmal fliessen Tränen
Allani, benannt nach einer Sonnengöttin des Werden und Vergehens, wird ein Ort mit Tagesstruktur zur Entlastung und Sterbebegleitung sein. 2019 fand der Verein die ideale Immobilie in der Gemeinde bei Bern. «Es ist wunderschön hier, trotzdem ist man in 15 Minuten im Spital, hat ÖV- und Autobahnanschluss. Das war uns sehr wichtig», sagt die erfahrene Pflegefachfrau, die ehrenamtlich den Verein präsidiert. In ihrem Beruf begleitete sie auch schon Menschen beim Sterben, hauptsächlich Erwachsene. Immer wieder wird sie verwundert gefragt, warum es in der Schweiz bisher kein Hospiz für Kinder gibt. Peter sieht mehrere Gründe: Die Finanzierung von Palliative Care sei nicht gesichert. Die Zielgruppe eines Kinderhospizes ist klein und werde immer zuletzt bedacht. «Kinder haben keine Lobby und kranke Kinder noch viel weniger», so Peter. «In unserer Gesellschaft ist der Tod von Kindern ein Tabu.»
Bevor der Verein das Haus suchte, befragte er betroffene Familien, was sie sich von einem Kinderhospiz erhoffen. «Ich war erstaunt, wie viel und welch weite Wege sie auf sich nehmen würden, nur um ihr Kind in dieser Situation an einem guten Ort zu wissen. Wir können uns kaum vorstellen, wie gross die Belastung ist. Mit vielen Themen sind die Betroffenen allein.» Den Schwerpunkt wird Allani auf Entlastungsangebote und eine tageweise «Pflegekita» legen.
Die Kinder bekommen nicht nur eine medizinische und therapeutische Betreuung, sondern auch Pädagogik und Spielangebote, während die Eltern sich beispielsweise mal wieder um das gesunde Geschwisterkind kümmern können. Oder alle wohnen eine Weile im Kinderhospiz zusammen. Auch Freiwillige und Sozialarbeiterinnen werden sich hier engagieren. Das Hospiz soll eine dritte Option neben akutmedizinischer Betreuung im Spital und der Kinderspitex bieten, die zuhause hilft.
Gefragt, wie sie die Schicksale ihrer Patientinnen und Patienten aushalten kann, überlegt Peter einen Moment. «Es gibt wahrscheinlichkeinen anderen Weg, als sich von diesen Emotionen berühren zu lassen», sagt sie schliesslich, denn sich abkapseln oder alles nur mit professioneller Distanz nehmen, ginge kaum. «Manchmal kommen uns auch die Tränen, aber genauso erleben wir auch die schönen Momente mit. Wir akzeptieren, dass der Tod zum Leben gehört. Dennoch ist Abschiednehmen schwierig.» Trotz der seelischen Belastung, die die Begleitung von Menschen kurz vor dem Tod mit sich bringen kann, empfindet Peter ihre Arbeit als sinnstiftend. Hier ginge es um Existenzielles und eine Tiefe, wie man sie im Alltag selten finde. «Am Ende zählt die Menschlichkeit.»
Fast wie ein Zuhause
Noch werden einige Monate vergehen, bis die ersten Familien das Angebot des Kinderhospizes nutzen können. Im oberen Stockwerk zeigt Susanne Peter ein erstes testweise eingerichtetes Zimmer, auch eine grosse Küche und einen gemütlichen Aufenthaltsraum gibt es schon. Unlängst lieferte ein Architekt honorarfrei Baupläne für die weiteren Zimmer.
Peter und ihre Gründungskollegen sind glücklich über jede Spende und Zuspruch aus der Branche und Politik, die der Verein in den letzten Jahren sammeln konnte. Insgesamt ist für Hauskauf und -umbau sowie das erste Betriebsjahr eine Summe von 11 Millionen Franken notwendig. «Verschiedene Politikerinnen und Politiker unterstützen uns sehr, derzeit warten wir auf zwei Motionen. Ob unser Kinderhospiz einen Leistungsauftrag erhält, ist noch offen. Der Gang durch die Behörden ist sehr langwierig. Aber Ende 2022 werden wir definitiv starten.»
Bis dahin bietet der Verein im Haus Themenabende und erste Entlastungswochenenden im kleinen Rahmen für Betroffene an. Denn der emotionale Austausch ist genauso wichtig, wie eine gute Pflege. Peter hofft, dass die Familien das Hospiz als ein Haus empfinden werden, «das fast wie ein Zuhause ist.»
Michèle Graf