Mit ihrem Fineline-Style trifft sie den Nerv der Zeit. Nun stehen Vanessa Sigillo, die in die Tattoo-Welt einfach «reingerutscht» ist, sogar die Türen zu einer Karriere in Los Angeles offen.
Das herzliche Lachen und ihre positive Energie verraten es. Vanessa Sigillo hat sich mit ihrem Tattoo-Studio Carpe Artes im Mattenhof einen Traum erfüllt. Die kreative Bernerin war nach KV-Lehre und Matura auf bestem Weg, in der Immobilienbranche Karriere zu machen. Doch sie wollte es anders. «An Sitzungen und in meiner Freizeit habe ich oft Motive skizziert, die irgendwann in der Tattoo-Szene Anklang fanden. So bin ich in diese Welt gerutscht. Es hat sich, wie vieles in meinem Leben, einfach ergeben.»
«Jeder Kunde, jedes Tattoo ist ein eigenes Erlebnis»
Die Faszination für Motive, Tinte und Haut haben Vanessa nicht mehr losgelassen. Bald begann sie selbst, Tattoos zu stechen. Am Anfang übte sie an Kunsthaut, bis ihr erste Freunde und Bekannte echte Haut anvertrauten. «Learning by doing ist in der Tattoo-community üblich. Ich kontaktierte Tattoo-Studios in Bern, durfte einigen Künstlern bei der Arbeit zuschauen, konnte mit ihnen Ideen austauschen und habe so sehr viel gelernt.» Seit September 2021 führt Vanessa ihr eigenes Tattoo-Studio. Sie ist happy, dass es gut läuft und ihr ganz persönlicher Fineline-Style ankommt. Vanessa hat wohl Glück trifft sie mit ihren fein gestochenen Linien den Nerv der Zeit. Das Feine gefällt nicht nur den Frauen, auch immer mehr Männer finden es cool. Welche Sujets würde sie nicht umsetzen? «Farbige Tattoos entsprechen nicht meinem Stil, auch politische Motive, hinter denen ich nicht stehen kann, lehne ich ab.» Dafür bringt ihr jedes vollendete Tattoo Genugtuung auf verschiedenen Ebenen. «Die kreative Arbeit und auch die Kontakte zu den Menschen gefallen mir wahnsinnig. Jeder Kunde, jedes Tattoo ist ein eigenes Erlebnis, oft stecken megaschöne Geschichten dahinter. Aus den vielen, oft tiefgründigen Gesprächen sind schon einige wertvolle Freundschaften entstanden.» Ihre Passion beeindruckt, trotzdem bleibt die Frage nach dem Schmerz beim Stechen. «Das ist sehr unterschiedlich. Es gibt Personen, die praktisch nichts spüren und während des Tätowierens sogar einschlafen. Andere sind schmerzsensibler, bei vielen Menschen ist es auch eine Frage der persönlichen Tagesform.» Welche Körperstellen sind am schmerzempfindlichsten? «Am unangenehmsten ist es wohl in der Rippengegend und an den Fingern.»
Bald werden die Koffer für die USA gepackt
Zusammen mit ihrem Partner Yanik Niffeler, einem bereits international etablierten Berner Künstler und Tätowierer, möchte sich Vanessa ihren nächsten Traum erfüllen. Die beiden haben ein Jobangebot des bekannten Tätowierers Noah Minuskin in Los Angeles in der Tasche. Yanik hat den Amerikaner auf einer Europatour kennengelernt. Die beiden verstanden sich auf Anhieb und so kam es zum Angebot, nach L.A. zu kommen. «Als Minuskin meine Arbeiten auf Instagram sah, schlug er vor, dass ich auch mitkomme, weil mein Style in Kalifornien gut ankommen könnte.» Wird Sigillo deshalb ihr gut laufendes Studio in Bern schon wieder aufgeben? «Am liebsten würden wir sofort nach Los Angeles fliegen, müssen aber noch administrative Hürden überwinden. In der Zwischenzeit möchte ich für mein Studio eine Untervermietung organisieren, damit ich ab und zu nach Bern zurückkehren und weiterhin meine liebgewonnenen Kunden betreuen kann.»
Jürg Morf