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«Man sollte» ist für ihn der Anfang des Nichtstuns

Seit 1997 hat er acht Bücher verfasst. Seine Liebe zur Stadt Bern manifestiert sich in der soeben erschienenen Gratis-Broschüre «Grande Route durch und um Bern». Doch was treibt Fritz von Gunten, den rührenden Pensionär, überhaupt an?

Die vorgeschlagene Strecke für die «Grande Route» ist 16 Kilometer lang und beinhaltet 22 Etappen. Fritz von Gunten hat die einzelnen Etappen mehrmals erwandert, «aber nicht an einem Stück», wie er schmunzelnd gesteht. Er hat es gut, wohnt er doch in der Nähe von Etappe 13 «Zentrum Paul Klee». So geht er zu Fuss fast jeden Samstag an den Märit in der Altstadt oder erjoggt sich jeden Morgen eine weitere Runde. Einer seiner Lieblingsorte ist dabei Etappe 14 «Steiner-Schule», wo der Blick aufs Alpen-Panorama fällt.

Wie kam es zu dieser Stadtführung, welche man mit dem handlichen «Print-Guide» in Angriff nehmen kann? «Ich trug die Idee schon lange mit mir herum», beginnt Fritz von Gunten zu erzählen. «Es ging mir darum, den Leuten zu zeigen, was vor ihrer Haustür stattfindet, und zwar entschleunigt zu Fuss die Stadt, aber auch die sehenswerten umliegenden Quartiere zu erkunden.» Es nütze nichts, einfach nur zu sagen «man sollte». Das sei der Anfang des Nichts-
tuns, sagt von Gunten dezidiert.

Gelegenheit zur Umsetzung gab ihm das 200-Jahr-Jubiläum der Bank EEK in Bern. Diese forderte 2021 die Bevölkerung auf, Projektideen im Zusammenhang mit der Stadt Bern einzureichen. «Das tat ich dann einfach», sagt der 74-Jährige bescheiden. Ohne vorherige persönliche Präsentation unterstützte die Bank das Projekt und auch Bern Welcome stimmte der Broschüre vorbehaltlos zu. Das Imprimat kann unentgeltlich bezogen werden (siehe auch Box), dies dank Unterstützung von neun namhaften Berner Institutionen, darunter auch das Bärnerbär-Netzwerk Bärner Gwärb.

«Alles ist Wurst»
Der «Kick», Bücher zu schreiben, kam dem ehemaligen Banker während seiner langjährigen Tätigkeit als Geschäftsführer der damaligen Volkswirtschaftskammer Emmental und beim Verkehrsverband Emmental. «Dort knüpfte ich sehr viele Kontakte, durfte Auskunft geben, sammelte Material. Ich praktiziere das Prinzip der Schuhschachtel. Alles, was mir zu einem Thema in die Hände fällt, wandert in die Schachtel. Ist sie gefüllt, beginne ich mit Sichten und Ordnen», schildert von Gunten die Entstehung seiner Werke. So entstand im Gotthelf-Jahr 1997 – 200 Jahre Jeremias Gotthelf – auch sein erstes Buch «Ein Gotthelf-Wort für jeden Tag» mit Zitaten des berühmten Dichter-Pfarrers.

Ist die Schuhschachtel gefüllt, beginne ich mit Sichten und Ordnen. – Fritz von Gunten

Gotthelf gab dann auch das Stichwort zu seinem nächsten Erzeugnis. Beim Stöbern in der Gotthelf-Bibliografie stiess von Gunten auf den Titel «Wurst wider Wurst», was so viel bedeutet wie «Wie du mir, so ich dir». Fritz von Gunten spann die Idee der Wurst-Brauchtumskultur weiter und so entstand 2006 das Buch «Alles ist Wurst – Auf dem Wurstweg durch die Schweiz». Das Buch entpuppte sich als Renner in seiner Bibliografie.

Die Idee, ein Werk über Berner Denkmäler zu verfassen, wurde am 1. Januar 2001 geboren. «Meine Frau und ich spazierten auf den Chutzen auf dem Belpberg. Dort stiessen wir auf den Gedenkstein an den ehemaligen US-Präsidenten John F. Kennedy. Ich ging dem Ursprung nach und plötzlich sah ich überall nur noch Denkmäler!», erzählt von Gunten lachend. Mit der Mitarbeit des Staatsarchivars und der bernischen Gemeinden durfte der Autor 2010 das Buch «Denk mal – ein Denkmal», worin 170 Denkmäler im Kanton Bern dokumentiert sind, herausgeben.

Es ist bisher sein aufwendigstes Buch. Während drei Jahren fuhr er an vielen Wochenenden mit seiner Frau durch den Kanton Bern und fotografierte die Monumente. «Nur ein Denkmal dieser 170 habe ich noch nicht persönlich besichtigt: jenes des deutschen Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy in Wengen. Das Foto besorgte ein Bekannter von mir!», fügt er verschmitzt hinzu.

Vom Parteisekretär zum Kulturschaffenden
In den 80er-Jahren befasste sich Fritz von Gunten auch aktiv mit Politik: Er war Parteisekretär der SVP des Kantons Bern, kandidierte zweimal für den Grossen Rat, landete auf dem 1. Ersatzplatz. «Es war für mich damals eine Ehre, aber ein drittes Mal trat ich nicht mehr an, dann wäre es eine Niederlage für mich gewesen.»

1992 hängte er den Job an den Nagel, 2000 trat er aus der Partei aus. «Der Zürcher Parteiflügel wurde immer dominanter, ich konnte mich mit dem Gedankengut, aber auch mit der zunehmend aggressiven
Tonalität immer weniger identifizieren», blickt von Gunten zurück. «Es gab zu wenig couragierte Leute in der Berner Partei, die Paroli bieten konnten», erinnert er sich. Die Verweigerung zum Beitritt der Schweiz in den EWR 1992 sieht er als verpasste Chance; heute sei die Schweiz bloss Bittsteller in der EU. Von Gunten bezeichnet sich als Mensch mit offenem, liberalem Gedankengut. «Im Gespräch mit meiner Familie kam ich damals zum Schluss, dass Politik nicht mein künftiger Weg sein konnte», sagt er ohne Verdruss.

Heute präsidiert Fritz von Gunten den Verein «Albert Schweitzer-Werk». Die Ethik des Theologen, Organisten, Nobelpreisträgers und «Urwalddoktors» Albert Schweitzer (1875 – 1965) fesselt ihn. Die «Ehrfurcht vor dem Leben» hat von Gunten denn auch zu seinem eigenen Leitsatz gemacht.

Peter Widmer

Persönlich
Fritz von Gunten, geboren 1948, wuchs in Aeschlen am Thunersee auf. Der gelernte Bankkaufmann bildete sich später zum eidg. dipl. Public-Relations-Berater weiter. Über 35 Jahre lang war er für wirtschaftliche, touristische, kulturelle und soziale Belange im Emmental und im Kanton Bern tätig, zuletzt von 1988 bis zu seiner Pensionierung 2013 als Leiter der Kulturmühle Lützelflüh. Fritz von Gunten ist verheiratet, hat zwei erwachsene Kinder, sieben Enkelkinder und wohnt in Bern.

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