Manuel Meister alias Linux ist mit Herz und Seele bei der Pfadi. Um anderen ein einmaliges Bundeslager zu ermöglichen, gibt er drei Wochen seiner Jahresferien her und arbeitet freiwillig von früh bis spät.
«Ich habe noch nichts gegessen. Ich frühstücke mal nebenher», tönt es vergnügt auf der anderen Seite des Telefons an diesem Morgen. Im Bundeslager im Wallis ist Manuel Meister, Pfadiname Linux, im Stress – aber im positiven Sinne. Seit fast zwei Wochen hilft der junge Mann im grössten Lager der Pfadibewegung Schweiz für 30 000 Teilnehmende, das nur alle 14 Jahre stattfindet, mit.
Meister hat lange darauf hingefiebert, hat er doch das letzte Treffen 2008 knapp verpasst. «Ich war ein Quereinsteiger und bin erst seit 13 ½ Jahren bei der Pfadi. Damals hörte ich von diesem mega Treffen und nahm mir fest vor: Beim nächsten Mal bin ich dabei.» Schon vor drei Jahren hat er mit seiner Projektgruppe mit der Vorbereitung begonnen. Heute leitet Meister, der im normalen Leben als Webentwickler arbeitet, die Technik im Radio Sonar, des offiziellen Radios des Bundeslagers, das täglich 16 Stunden mit Sendungen on air ist. Die Crew umfasst 22 Leute. «Ich habe 2014 schon Erfahrungen in einem kantonalen Lager gesammelt, sonst bin ich aber kein geübter Radiomann», gibt der 27-Jährige zu.
Inzwischen weiss er, wie man eine Sendung fährt, moderiert selbst, schneidet Beiträge und löst Technikmacken. Das Radioteam reiste schon eine Woche früher für den Lageraufbau an, tüftelte Dienstpläne aus und bastelte einen Jingle. Alles soll professionell rüberkommen.
Linux bis dato grösste Herausforderung? «Erst 15 Minuten, bevor meine Livesendung neulich losging, erfuhr ich, dass der Rapper Knackeboul vorbeikommt.» Der Radioneuling dachte sich in Windeseile einige Fragen aus. «Da hat mein Herz schon böbberlet. Es lief dann aber mega gut.»
Auch Eltern hören rein
Um die Technik zu kühlen, sendet Sonar nicht stilecht aus einem Zelt, sondern aus einer wetterfesten Box mit Klimaanlage. Mittags gibt es Nachrichten. «Mir haben schon Leute gesagt, sie vergässen völlig, dass es das Pfadi-Radio ist und denken, sie hören SRF3. Das ist dann das grösste Kompliment.»
Radio Sonar kann über eine App, UKW und DAB+ empfangen werden, in drei Landessprachen. «Die Sprachbarriere gibt es immer im Lager und deshalb bin ich froh, dass wir vier Romands im Team haben.» Hauptziel: dass es für die Zuhörenden «fägt». Nicht nur die Lager-Teilnehmenden selbst hören gerne die Sendungen und nutzen fleissig Mail und Whatsapp, um Musikwünsche, Grüsse und Erlebnisse zu teilen. «Auch viele Eltern und Fans hören rein, weil sie wissen wollen, was im Bula läuft», ist Linux überrascht.
Er lobt sein Team. «Ohne es wäre so eine tolle Leistung in kurzer Zeit gar nicht möglich.» Genau dieses Gemeinschaftsgefühl ist es, was ihn an der Pfadi so mitreisst. Den halben Tag ist er hier damit beschäftigt, alte Kollegen und Freunde zu grüssen: «Einfach alle sind hier!»
Dort zu arbeiten, wo andere ihre Ferienzeit im Lager mit Geländespielen, Lagerfeuern, Basteln, Wasserspielen und Wanderungen voll auskosten, reut Meister nicht. Um als Freiwilliger mitzuarbeiten, hat er extra Ferien genommen. Mit erholsamem Urlaub haben die drei Wochen allerdings wenig gemein. Durchschnittlich ist Meister ab acht Uhr im Einsatz, am Donnerstag ging der Tag mit einer kurzen Mittagspause bis 21 Uhr. Er lacht: «Mein Lohn sind die Leute, die Freude haben. Ich werde mir wahrscheinlich mal im Januar unbezahlten Urlaub nehmen.» Er findet es spannend, in viele Bereiche des riesigen Bundeslagers hineinschauen zu können. Im Goms ist eine richtige kleine Stadt entstanden.
Die Stimmung bei dieser Zusammenkunft so vieler junger Menschen aus allen Landesteilen und gar aus dem Ausland ergreift ihn. «Die Eröffnungsfeier hat mich bewegt. Alle waren vor der Bühne versammelt, haben den Mova-Song gesungen und die Foulards geschwenkt. Ein unglaubliches Gefühl.»
«Klar, dass es Pärli gibt»
Vom Pfadi Tinder hat Meister auch schon gehört, benutzt es aber nicht. Dass das Lager und die Pfadi auch so ein guter Ort zum Kennenlernen sind, weiss er aus eigener Erfahrung, ist doch seine Freundin ebenfalls in der Pfadi aktiv. «Hier verbringt man viel Zeit zusammen, entdeckt gemeinsame Interessen. Klar, dass es da Pärli gibt.»
Der Social-Media-Output des Bula und das Medieninteresse sind enorm. Entfernt sich die Pfadi so nicht ein Stück weit von ihrem Grundwert der Naturverbundenheit? Meister sieht da keine Konkurrenz. «Die Technik ist super, um Sachen zu organisieren und über die riesigen Distanzen im Bula spontaner zu kommunizieren», sagt er und erzählt, dass er an der Entwicklung eines Pfadi-Planungstools beteiligt war. Die rund 5000 Helfenden, sogenannte Rovers, koordinieren sich im Lager per App.
Bei normalen Pfadi-Aktivitäten hat Linux sein Handy früher abgegeben; langweilig war es nie. Bis heute engagiert sich der Berner gerne für die Pfadi, der Nachwuchs liegt ihm am Herzen. Die Werte und Traditionen, die er bei der Gruppe gelernt hat, will er weitergeben. Dabei geht es um Ehrlichkeit, gegenseitigen Respekt, die Bereitschaft zu teilen, zusammenzuhalten, auch wenn es Probleme gibt – in Linux Augen sind diese Tugenden im Leben immer hilfreich. «Selbst wenn es schwierig ist: Wir wollen die Welt ein Stückchen besser hinterlassen, als sie war.»
Knapp eine Woche Bundeslager liegt vor dem Radiomann. «Ich plane eine Reportage, hier auf dem Platz gibt es alles von Kletterwand bis Sauna. Auf jeden Fall will ich nochmal mehr das Lagerleben spüren.»
Michèle Graf