Hugo Frei ist Bereichsleiter Führerprüfungen im Verkehrsprüfzentrum Bern. Er hat schon viele rührende, aber auch einige heikle Momente erlebt.
Doch, ein bisschen nervös sei sie schon, sagt Fabienne Schmied, eine 18-Jährige, die in wenigen Minuten ihre praktische Fahrprüfung absolvieren wird. Ihre Fahrlehrerin Liz Gerber ist guter Dinge. Sie verlange immer ein bisschen mehr als nötig von ihren Schülern. «Die Verkehrssicherheit ist mir am wichtigsten», so die Ausbildnerin. Bald wird sie ihren Schützling in die Hände eines Experten geben. Hugo Frei ist Bereichsleiter Führerprüfungen im Verkehrsprüfzentrum Bern und hat selbst als Experte zahlreiche Prüfungen abgenommen. «Eine genaue Zahl kann ich nicht nennen. Aber es waren viele», so der seit 1981 im Verkehrsprüfzentrum angestellte Mitsechziger. Nach dem Gespräch liefert er die Zahl per Mail nach. Es habe ihn selbst Wunder genommen. 14 000 Prüfungen seien es im Ganzen gewesen. Im Theorieraum erzählt er zuvor von seinem Werdegang. «Ich habe Automechaniker gelernt und danach eine Handelsschule absolviert». Seit 25 Jahren mache er keine technischen Kontrollen mehr, dafür beschäftige er sich mit der Schulung der jungen Verkehrsexperten und dem Coaching der Mitarbeitenden.
«Nur nie im Büro arbeiten», habe er in seinen jungen Jahren gedacht. Die Autoprüfung habe er nur wenige Monate nach seinem 18. Geburtstag gemacht. «Ich sah einen Wegweiser etwas gar spät und war mir nicht sicher, ob ich bestehen würde.» Doch der Experte habe den Fehler nicht einmal erwähnt. Heute ist Frei selbst der Experte, der einschätzen muss, ob eine Verfehlung schlimm, mittelschwer oder harmlos war. An zwei Halbtagen pro Woche ist er mit potenziellen Fahrerinnen und Fahrern unterwegs. Das sei jedes Mal eine emotionale Sache. «Es kommt schon vor, dass mir jemand um den Hals fällt oder in Tränen ausbricht.»
Viele Blechschäden
Besonders nervöse Schüler lenke er mit Small Talk ab, so Frei. «Man braucht eine ruhige Art im Umgang mit den Leuten.» Auch ein Autist habe bei ihm schon die Prüfung abgelegt. Die 45 Minuten dauernde Prozedur habe sich mit den technischen Errungenschaften verändert. Früher sei das «Anfahren in der Steigung» ein grosses Thema gewesen. «Dank ‹Hillholder› und dem Umstand, dass viele Autos Automaten sind, fällt diese Herausforderung weg», so Frei. Heutzutage sei die Verkehrsdichte die grosse Schwierigkeit. «Es gibt einfach viel mehr Verkehr und dadurch mehr Nervosität», so Frei. Sowohl bei der theoretischen wie bei der praktischen Prüfung bestehen rund zwei Drittel. Bei Wackelkandidaten verlässt Frei sich auf sein Bauchgefühl. «Es gibt Fehler, die vorkommen dürfen. Andere nicht.» Er achte auch darauf, ob jemand seinen Fehler bemerkt habe oder nicht. Im schlimmsten Fall breche er die Prüfung ab. «Es ist schon vorgekommen, dass ich drei- bis viermal ins Lenkrad greifen musste, damit der Kandidat nicht die vor unserem Gebäude parkierten Autos rammt.» Blechschäden habe es einige gegeben, Verletzte zum Glück nie. Bei Kandidatinnen und Kandidaten mit Migrationshintergrund gebe es manchmal Sprachbarrieren. So sei es nicht für alle ganz einfach, die Erklärungen des Fahrlehrers zu verstehen, manche seien nicht so verkehrsgewohnt. Auf einigen laste ein grosser Druck, die Prüfung zu bestehen. Dementsprechend gross sei in solchen Fällen die Freude und Erleichterung, wenn es klappe. Er selbst fährt einen BMW 320 Kombi, einen BMW R1250 GS Motorrad und eine Oldtimer-Vespa. «Sie hat den gleichen Jahrgang wie ich», verrät Frei.
Helen Lagger