Marc Hauser ist Weltrekordhalter im Speed Tracking. 2012 hat er sich aus 4200 Metern Höhe über Spanien mit 304 Stundenkilometern in die Tiefe gestürzt. Nun plant der Berner noch Waghalsigeres: Einen Sprung von einem Heissluftballon aus in einen Jetstream. Dabei leidet er doch an Höhenangst.
Stellen Sie sich vor: Sie haben panische Angst vor Spinnen und Schlangen. Würden Sie dann in eine Höhle gehen, in der es von diesen Tierarten nur so wimmelt? Wohl kaum! Marc Hauser ist da anders: «Obwohl ich Höhenangst habe, steige ich oft in luftiger Höhe aus einem Flugzeug und stürze mich in die Tiefe.» Schon fast Wahnsinn, wenn man bedenkt, dass Menschen mit einer solchen Phobie gar nicht in die Tiefe schauen können, ohne dass ihnen schlecht wird. Doch der 47-Jährige ist einer, der Dinge angeht und anpackt. Kein Spinner, kein Aufschneider; nein, ein Realist, der versucht, aus jeder Situation das Beste zu machen. Auch deshalb hält er heute den Geschwindigkeits-Weltrekord im Fallschirmspringen mit 304 Kilometern pro Stunde relativ zum Boden. Der schnellste Mensch der Welt, ein Berner. Auch darauf muss man erst einmal kommen.
Von Natur aus ein Angsthase
«Es ist der uralte Traum vom Fliegen: Mit gestreckten Armen und Beinen fliege ich vorwärts, über ganze Städte hinweg. Dazu springe ich aus 4000 Metern aus dem Flugzeug und fliege kopfüber wie ein Düsenjäger schräg nach unten», erklärt Hauser. Mit seinen über 300 Sachen würde er während des Speed-Flugs sogar ein landendes Passagierflugzeug überholen. «Das ist ein unglaublich intensives Gefühl. Es braucht keine Flügel dazu, nur einen Fallschirm», sagt Hauser. Diesen öffnet er nach knapp einer Minute im freien Fall und landet damit sanft auf der Erde. Für den Weltrekordhalter immer wieder echtes «Superheldengefühl». «Dabei bin ich von Natur aus doch ein riesiger Angsthase», lacht der Adrenalin-Liebhaber. Dieser Nervenkitzel aber ist noch nicht genug. Hauser will mehr. Er möchte mit dem Jetstream surfen. Geht es nach dem Unternehmer, so saust er irgendwann zwischen Mai und Juli in Australien als erster Mensch von einem Heissluftballon in rund 10 000 Metern Höhe in den Jetstream hinein und erreicht mithilfe des extrem starken Windes eine Horizontalgeschwindigkeit von mehreren hundert Kilometern pro Stunde. Dabei wird Hauser mit Temperaturen von rund minus 50 Grad konfrontiert sein.
Der Höllenritt
Trotz seiner Hö- henangst ist der Doppelmeter-Mann kein Verrückter. «Ein Spinner würde einfach in den Ballon eisteigen, nach oben fahren und bei 10 km wieder aussteigen», erklärt Hauser. Er aber hat seinen Höllenritt akribisch bis ins letzte Detail vorbereitet. So sass er schon in einer Kältekammer bei minus 60 Grad. «Da hatte ich nach über 20 Minuten das Gefühl, dass mir meine Nase abfriert. Wir wollten mit diesem Experiment sichergehen, dass die Sauerstoff-Anlage auch bei diesen Temperaturen garantiert funktioniert», erklärt Hauser. Er habe noch Tage danach gefroren und gefröstelt. Nun laufen die Vorbereitungen und schon bald gehts ab nach Australien. «Da müssen noch Bewilligungen eingeholt und viele kleine Dinge erledigt werden.» Hauser hat in der Vergangenheit sein Gewicht absichtlich um 12 Kilo erhöht. «Nun wiege ich konstant 110 Kilogramm und kann so schneller fliegen.» Doch bis er aussteigen kann, muss er nach oben. Bereits eine Stunde vor dem Einstieg in den Ballon atmet er reinen Sauerstoff ein. Dieses Prozedere dauert dann während des ganzen Aufstiegs an. Damit er aber auch beim Flug nicht auf Sauerstoff verzichten muss, hat er sich etwas Spezielles einfallen lassen. Der Sauerstoff wird mit einem Schlauch direkt in den Mund geleitet, der Ausstoss gelangt durch eine Öffnung wieder nach draussen. «Bei ersten Tests ist die Öffnung noch eingefroren, doch dank meiner Körperwärme ist sie schliesslich eisfrei geblieben.» Da es auf dieser Höhe eisig kalt ist, braucht Hauser spezielle Kleidung. «Alles in allem trage ich sieben Schichten Kleider auf mir.» Das Schönste sei, so der Extremsportler, der Ausstieg aus dem Ballon. «Da hast du nichts um dich und einen vollen Rundblick.» Dann gehe es im 45-Grad-Winkel nach unten. «Du merkst aber nicht, dass die Erde näherkommt.» Nach zwei Minuten freiem Fall öffnet er den Fallschirm. Er hat also nicht viel Zeit, um das Ganze zu geniessen und sich auf die Landung vorzubereiten. «Bei der Landung habe ich immer ein bisschen Mühe», vergleicht sich Hauser mit einem Albatros. Dem Vogel gelingen die Landungen ja auch nicht immer tadellos.
Markus Jutzi