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Multitalent Jérôme Humm: «Ich bin ein Mensch voller Tatendrang»

Seitdem Jungstar Jérôme Humm mit 17 den Krebs besiegt hat, lebt er seine Kreativität in all ihren Facetten aus.

Wie kommt es, dass beim grössten Schweizer Hiphop-Festival eine Bühne den Namen «Rap City» trägt?
Das Openair Frauenfeld hat uns kontaktiert, weil es zwar legendär ist und das Organisationskomitee über viel Knowhow und gute Kontakte verfügt, aber nicht mehr der gleichen Generation angehört wie die meisten der 150 000 Fans. Für die Jugend und Dynamik, die wir einbringen, erhalten wir diese Bühne als Plattform, um auf die 5. Ausgabe unseres «Rap City»-Festivals am 18. November im Zürcher Hallenstadion aufmerksam machen zu können.

Welches ist Ihr Input in Frauenfeld?
Wir haben das OK bei der Zusammenstellung des Programms auf der «Rap City»-Bühne sowie in Sachen Bühnenbild und Afterpartys beraten. Besonders freut uns, dass es auf unseren Vorschlag hin Pashanim und Shek Wes engagiert hat.

«Rap City» schreibt in Zeiten, die für andere Veranstalter besonders schwierig sind, eine erstaunliche Erfolgsgeschichte.
Corona war auch für uns eine grosse Herausforderung. Nachdem das Publikum in den ersten drei Jahren von 600 auf 3500 Leute angestiegen war, fiel es zweimal aus. Als wir 2022 trotzdem wagten, das Hallenstadion zu buchen, sagte man uns, das würde uns ruinieren. Zwei Wochen vor der Durchführung zog der Vorverkauf aber noch so stark an, dass «Rap City» fast voll wurde. Das hatten wir sicher unserer treuen Fanbase zu verdanken.

Womit sind Sie sonst noch beschäftigt?
Momentan muss ich mich auf die im August beginnenden Dreharbeiten der dritten Staffel «Neumatt» vorbereiten, bei der meine Rolle noch ausgebaut wurde.

Wie würden Sie die Figur des Bauernsohns Lorenz beschreiben?
In der ersten Staffel war er eine sehr unsichere Person mit geringem Selbstbewusstsein, in der sich viele Emotionen aufgestaut hatten. In der Fortsetzung sieht man, wie viel Verantwortung auf ihm lastet, als er den Hof übernehmen muss, er eine Freundin hat und weitere Erfahrungen macht, die zum Erwachsenwerden gehören. Er wandelt sich dabei von jemand, den man für einen Autisten halten konnte, zu einem Menschen, der einfach etwas langsamer ist.

Was für Rückmeldungen haben Sie auf «Neumatt» erhalten?
Ich war überrascht, dass eine Fernsehserie, die ursprünglich nur für das SRF-Publikum konzipiert war, von Netflix gekauft und in 190 Ländern angeboten wurde. Besonders viele Reaktionen kamen aus Südamerika. Ob man sich dort besonders für die Themen LSBTIQ, Landwirtschaft und Schweiz interessiert? Ich habe mich auch gefreut, als mir jemand, der mich kennt, schrieb, Lorenz wäre ja gar nicht ich. Ich hätte einen ganz anderen Charakter!

Was für einen Charakter haben Sie denn?
Das ist eine schwierige Frage. Ich weiss es selbst nicht ganz. Ich bin ein Mensch voller Tatendrang, habe sehr viele Projekte und schon vieles ausprobiert. Ich versuche einfach das Maximum aus meinem Leben herauszuholen, solange ich noch jung bin.

In welchem Umfeld sind Sie aufgewachsen?
In einem Vorort von Bern, mit der besten Familie, die man sich vorstellen kann. Meine Eltern haben mich immer super unterstützt. Ich wurde in meiner Kindheit sehr gefördert und lernte ziemlich schnell viele Sportarten und Sprachen. In der Schule beschränkte ich mich jedoch aufs Nötigste, was man heute noch ab und zu an der Rechtschreibung merkt. (Lacht). Ich schleppe aber keinen Albtraum mit mir herum, den ich als Künstler verarbeiten könnte.

Haben Sie eigentlich eine Schauspielschule absolviert?
Nein, aber ich habe Intensivkurse in New York und Los Angeles besucht, aus denen ich viel mitnehmen konnte, und mit guten Coaches Rollenvorbereitungen gemacht.

Wann hat Sie die Musik gepackt?
Die ältere Schwester meines besten Freundes rappte und liess im Auto Eminem und Sido laufen, deren Alben ich dann ebenfalls rauf und runter hörte. Mit 12 schleppte ich meinen Vater ins Hallenstadion zu Jay-Z und Kanye West. Er war aber gar nicht begeistert! (Lacht) Als ich mit 17 schwer krank wurde und ich einen letzten Wunsch äussern durfte, weil es für mich gar nicht gut aussah, entschied ich mich für einen Backstage-Besuch bei Rapper 50 Cent. Glücklicherweise schlug die Chemotherapie dann so gut an, dass die vorgesehene Bestrahlung nicht mehr nötig war.

Wie hat Sie diese existenzielle Erfahrung geprägt?
Nur schon, dass ich mich nie aufgegeben und die siebenmonatige Chemo durchgestanden habe, machte mich stolz und veränderte meine Lebenseinstellung in vielerlei Hinsicht. Nach dem halbjährigen Praktikum bei einer Filmproduktionsgesellschaft gründete ich meine eigene Firma, um meiner Kreativität freien Lauf lassen zu können. Ich habe lieber mehr Spass als mehr Geld. Ich lancierte zuerst eine Kleidermarke, begann Konzerte zu organisieren und lebe mittlerweile von «Rap City».

Sind Sie jemand, der dauernd eine neue Herausforderung braucht?
Nein, nicht unbedingt, ich habe nur an so vielen Sachen Freude. Ich wäre jedoch überfordert, wenn ich überall die Hauptverantwortung tragen müsste.

Welches ist Ihre Kernkompetenz?
Mich nennen Sie «Plug» (Stecker), weil ich jemand bin, der Leute vernetzt und Investoren überzeugen kann. So habe ich auch die zusätzlichen Mittel beschafft, dass mein Kollege und ich auf Bali ein Hostel mit 72 Betten und einem Restaurant bauen konnten, das er nun führt.

Wohnen Sie immer noch in Bern?
Ja, aber ich weiss nicht, wie lange noch. Es zieht mich wieder nach Zürich, weil ich mir damit jede Woche zehn Stunden pendeln sparen könnte. Aber: Bern ist Liebe und Bern ist Leben.

Reinhold Hönle

PERSÖNLICH

Jérôme Humm wurde am 13. Juni 1999 in Bern geboren. 2012 erhielt er durch seine Leistung in «Les Misérables», das seine Gotte als Freilichttheater inszenierte, seine erste Fernsehrolle in einem «Tatort». Es folgten die Filme «Recycling Lily» und «Amateur Teens» sowie die TV-Serien «Seitentriebe» und «Neumatt», einem Beziehungsdrama, das auch vom Stadt-Land-Graben handelt. Humm ist Mitorganisator und Mitbesitzer des Hiphop-Festivals «Rap City», das am 18. November im Zürcher Hallenstadion stattfinden wird.

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