32 Jahre lang war er Chef des Campings Eichholz. Und auch heute steht Beat Müller noch jeden Tag im Einsatz. In all der Zeit hat er einiges erlebt – Schönes und weniger Schönes. Darüber hat er nun ein Buch geschrieben.
Würde er nicht ein T-Shirt mit der Aufschrift und dem Wappen der Stadt Bern tragen, hielte man Beat Müller für einen der Gäste, die sich auf dem Campingplatz Eichholz tummeln. Braungebrannt, in Shorts und gut gelaunt begrüsst uns der langjährige Campingleiter. Dass er inmitten von Feriengästen arbeitet, stört ihn nicht, im Gegenteil: «Ich verspüre Genugtuung, wenn ich den Campeuren zu unvergesslichen Erlebnissen verhelfen kann», schildert er seine Gefühle. So sieht er sich denn nicht als «Bärner Held», sondern vielmehr als «Diener des Volkes».
Was er mit den Touristen teilt, ist der Ferienort, nicht aber das Ferien-Feeling. «Es ist bei mir fest eingeprägt, dass das Eichholz mein Arbeitsort ist. Wenn uns das gestört hätte, wären meine Frau und ich nicht so lange geblieben», blickt der Campingchef zurück. Schon allein diese Einstellung macht ihn zum Helden!
Zurzeit durchläuft er einen «Abschied auf Raten». Seine Frau Barbara ist seit einem Jahr pensioniert und lebt im gemeinsamen Haus im Diemtigtal. Beat selbst hat die Leitung des Campings zu Beginn dieser Saison bereits an seinen Nachfolger abgegeben und amtiert noch bis Ende November als dessen Stellvertreter. Danach ist Schluss. Ob er damit Mühe haben wird, kann er zum heutigen Zeitpunkt noch nicht schlüssig sagen. Er glaube nicht, orakelt der 63-Jährige.
«Lautstarke Diskussionen»
Bis vor einem Jahr, als das Ehepaar Müller das Camping noch gemeinsam leitete, wohnten die beiden auf dem Eichholz-Areal. «Bis 2008 noch in einer Wohnbaracke, welche miserabel isoliert und schlecht zu heizen war», erinnert sich Beat Müller. «Unsere Familie machte sich im Winter einen Spass daraus, wer es länger barfuss auf dem Fussboden aushielt! Aber unsere Kids waren nie krank.»
Privatsphäre war während all der Jahre klein geschrieben. Mitarbeitende und Campinggäste nahmen am Familienleben der Müllers teil, bekamen viel davon mit. «Vor allem während der Zeit, als sich unsere beiden Kinder in der Pubertät befanden, waren teils lautstarke, hörbare Diskussionen unvermeidbar», schmunzelt Müller.
Aber auch das Zusammenleben seiner Gäste blieb Müller nicht verborgen. Nicht selten musste er zur Schlichtung von Familienstreit einschreiten. «Die Leute sind es sich nicht gewohnt, eine gewisse Zeit auf engstem Raum zu funktionieren, nach dem vierten Tag eskaliert bei vielen Familien der Konflikt», erzählt er. «Eigentlich schade, denn sie verpassen eine einmalige Gelegenheit, sich zusammenzufinden und gemeinsam etwas zu kreieren.» Am auffälligsten verhalte sich aber die Altersgruppe zwischen 25 und 35 Jahren, stellt Müller fest. Diese Gäste seien oft noch ohne feste Beziehung und pflegten dann meist sehr ausgelassen Kontakte.
Die grösste Veränderung im Campingtourismus liege bei der Digitalisierung, konstatiert Beat Müller. Die erste Frage bei der Ankunft sei der WiFi-Code, vor 30 Jahren noch kein Thema. Auch die Nachtruhe habe sich nach hinten verschoben. «Früher traf man um 22 Uhr kaum jemanden mehr auf dem Areal, in den Zelten wurde bloss noch geflüstert. Heute haben wir das Reglement angepasst und die Nachtruhe auf 23 Uhr festgelegt.»
Auf den Hund gekommen
Nach Anekdoten befragt, verweist Beat Müller geschickt auf sein neues Buch «Zeit ist um», das an Weihnachten 2022 erscheint: «Meine Erlebnisse sind auf 256 Seiten festgehalten.» Dennoch verrät er uns eine der vielen Begegnungen.
Als die offene Drogenszene im Kocherpark vor 30 Jahren geräumt wurde, hielten sich viele Drogenabhängige im Eichholz auf. «Das war eine problematische Zeit. Die Diebstähle häuften sich, die armen Teufel schlitzten Zelte auf, nur um an ein Bier zu kommen», erinnert sich Beat Müller. «Einer der Drögeler, Role, musste wegen Delikten einige Monate hinter Gitter und fragte uns, ob wir in dieser Zeit seinen Hund in Obhut nehmen könnten. Wir waren gerade hundelos und sagten zu. Wir betreuten das Tier einen ganzen Sommer lang – auf Kosten des städtischen Sozialdienstes! Dem Hund ging es prächtig, er wurde verarztet und artgerecht gepflegt. Nachdem Role seine Strafe abgesessen hatte, holte er das Tier wieder bei uns ab. Einige Wochen später durchquerte ich spätabends die damalige Christoffelunterführung und stiess auf zahlreiche Drogenabhängige, die hier herumlungerten. Ganz hinten in der Ecke löste sich plötzlich ein Hund von seinem Herrchen, raste auf mich zu und sprang freudig an mir hoch. Es war unser Gasthund, der mich wiedererkannte. Ein bewegender Augenblick!»
Wo, wie und wann macht Beat Müller Ferien? «Unsere Ferienzeit war bisher immer von Oktober bis März», antwortet der Bald-Pensionär. «Nach Saisonende fuhren wir meist gen Süden, nach Südfrankreich oder Spanien.» Nie Campingurlaub? «Oh doch. Mit einem geliehenen VW-Bus tuckerten wir einst nach Spanien, dies mit zwei pubertierenden Kindern, einer Frau in den Wechseljahren und einem jungen Hund», lacht Beat Müller.
Peter Widmer