Von Bern aus in die weite Welt: 79 Länder bereist und noch so viele auf der Bucketlist. Karin Fankhauser und Raphael Odermatt sind echte Weltenbummler. Heute hat das Paar seine Töchter mit ihrer Reiselust angesteckt.
Viele Bernerinnen und Berner finden, dass ihre Heimatstadt der schönste Ort der Welt ist. Andere hingegen suchen die Schönheit in der Ferne. Raphael Odermatt und seine Partnerin Karin Fankhauser sind seit fast 25 Jahren weltweit unterwegs. Das Paar zeichnet seine Erlebnisse im Blog «Grosse Ferien» auf, postet dort tausende Fotos von Wildtieren, Megacities, Ruinen und Traumstränden. Gibt es denn einen Unterschied zwischen Reisen und Ferien? Fankhauser überlegt: «Ja, das haben wir gemerkt als wir ein Jahr durch Australien, China und Südostasien gereist sind. Es waren 15 Länder. Da brauchten wir zwischendurch eine Woche Tauchferien. Ferien bedeutet für mich, an einem Ort zu bleiben und sich verwöhnen zu lassen. Nach dem vielen Umherreisen und Koffer packen einfach mal eine Woche entspannen. Ohne schon den nächsten Tag zu organisieren», ergänzt Odermatt.
79 Länder hat Odermatt inzwischen bereist, bei Fankhauser sind es sogar ein paar mehr. Genau gezählt hat sie nie. «Ich war Flight Attendant, da kommt was zusammen.» Nach der Schulzeit war beiden klar: Einfach in der Heimat bleiben ist langweilig, wir wollen die Ferne. Die ersten Reisen führten zum Traumziel Asien. «Inzwischen hat sich das geändert», sagt Odermatt, der heute von Namibia und Botswana schwärmt. Es sind die Weite und die Freiheit, die ihn anziehen. «Das genaue Gegenteil des vollen Asiens. Dort ist man nie allein, in Namibia ist man immer allein», so Fankhauser. Ausser es kommt nachts ein Elefant zu Besuch. So passiert auf der letzten Safari, als das Paar mit seinen mittlerweile zwei Töchtern im Dachzelt ihres Jeeps schlummerte. Genüsslich verspeiste der Dickhäuter direkt neben dem Fahrzeug Blätter eines Baumes und brummte vor sich her. «Aber er interessierte sich nicht für uns Menschen», winkt Odermatt ab.
Fremde Sitten, Naturgefahren, Sprachbarrieren: Die Reisefamilie begegnet allem mit Respekt und Gelassenheit. «Irgendjemand spricht immer Englisch und sonst geht es mit Händen und Füssen. Raphael kann sich zum Glück in Asien die Schriftzeichen gut merken», so Fankhauser. So sorglos wie in jungen Jahren ist das weitgereiste Paar heute aber nicht mehr. Die Verantwortung für den Nachwuchs und auch Corona habe sie vorsichtiger werden lassen, geben sie zu. «Wenn nichts passiert, ist man als Mama und Papa der Held, aber wenn etwas ist, muss man sich hinterher anhören, wie kann man nur.»
Reisen als Stundenplan
Wäre es nicht aufgrund der Kinder Zeit, beim Reisen kürzerzutreten? Familienfreundliche Ferien im All-inclusive Ressort am Mittelmeer? Fankhauser lacht und schüttelt den Kopf. «Das Reisen war vor den Kindern ein ganz wichtiger Teil unseres Lebens. Und uns war klar, dass wir diesen nicht einfach aufgeben möchten.» Warum auch? Für die Familie überwiegen die Vorteile klar die Nachteile. «Als Familie einfach aus dem Alltag weg zu sein und gemeinsam eine intensive Zeit zu haben, ist so wertvoll.» Vor wenigen Wochen sind sie aus Panama und Costa Rica zurückgekehrt. Da Melia und Anina nun zur Schule gehen, unterrichteten ihre Eltern sie in diesen Wochen unterwegs. «Jeden Tag haben wir etwas über die Tiere oder Vulkane gelernt. Jetzt nehmen sie die Erlebnisse bewusster wahr, stellen viele Fragen. Reisen bildet uns alle», sagt die Mutter. Wenn Sonne und Pool locken sei es zwar schwerer sich zu konzentrieren, aber die Familie fand einen Weg. Ausser diesem Schulprogramm machen die Odermatt-Fankhausers aber keine explizierten Kinderaktivitäten. Ob Tempelbesichtigung, Museumsbesuch, Wanderung oder Safari: Mama und Papa gestalten das Programm, Anina und Melia ziehen mit. Ein Zugeständnis gibt es aber doch. Obwohl der Papa am liebsten inmitten der Savanne schlafen würde, steuert die Familie nun umzäunte Camping-Areale für die Nacht an. Und wenn Hotel, dann mit Pool. Die planerischen Aspekte sind wichtiger geworden, auch um Zeit und Geld zu sparen. Fankhauser sorgt für die Reiseapotheke, während Odermatt die Technik im Griff hat. Ein USB-Ladegerät ist für ihn das wichtigste Utensil. «Aber man sollte auch nicht zu sehr überlegen. Vertrauen haben und einfach losgehen.»
Gefahren und Fernweh
Die Abenteurer klopfen auf Holz: Bisher mussten sie nie eine Reise aufgrund von Krankheit oder gefährlichen Situationen abbrechen. In Indonesien reiste das Paar auf einem Busdach inklusive Kopfeinzieh-Manövern mit, auf einer Bergstrecke schlief der Fahrer fast ein, in Indien waren fensterlose Schlafwagen mehr als abenteuerlich. In Malaysia unternahmen das Paar eine Höhlenexpedition mit Einheimischen. «Nur die Hälfte der Taschenlampen funktionierte. Die Höhle wurde immer enger, am Ende mussten wir durch Fledermaus-Kot waten.» Auch ein eindrückliches Erlebnis.
Beklaut wurde Fankhauser nur ein einziges Mal. Sie lacht: «In Bern im Fastfoodrestaurant.» Allerdings gibt sie zu, dass ihre Kinder das Talent hätten, ausgerechnet vor Abflug krank zu werden. Heute kann die Familie über einen schiefgegangenen Ausflug nach Pompei bei 35 Grad lachen. «Das war für kleine Kinder im Buggy wirklich nichts.»
Trotz Klimakrise möchte die Familie auf weite Reisen nicht verzichten. «Wir versuchen dafür im Alltag nachhaltig zu leben. Ich esse zum Beispiel kein Fleisch mehr», sagt Odermatt. Jetzt wird auch öfter mal in der Schweiz gecampt, vorzugsweise auf Bauernhöfen, die man über die Plattform Nomady finden kann. Flüge kompensieren sie, wenn möglich, über Spenden an Umweltschutzprojekte. «Früher war man ein coole Cheib, wenn man so grosse Reisen machte. Jetzt hinterfragt man sich mehr. Wir fliegen noch einmal pro Jahr», sagt Fankhauser. Ganz oben auf ihrer Wunschliste steht Iran, bei ihrem Partner ist es Südamerika. Die Sehnsucht nach der Ferne lässt sie nicht mehr los.
Michèle Graf
PERSÖNLICH
Raphael Odermatt (47) und Karin Fankhauser (45) wohnen mit ihren Kindern Melia (8) und Anina (10) in Bern. Der Software Architect und die Fachspezialistin Pricing sind Reiseenthusiasten und dokumentieren ihre Trips seit 15 Jahren auf dem Blog grosseferien.ch.