Die aufstrebende Berner Jazz- Sängerin und Komponistin Rosetta Bachofner (26) erzählt bei einem Abendessen von ihren Träumen, singt über das Schicksal und spielt auf ihrem Kontrabass, den sie liebevoll «Giovanni» nennt.
Die Hitze sei nicht gut für Giovanni, verrät Rosetta Bachofner. Die Sängerin meint damit ihren Kontrabass, dem sie diesen Übernamen verpasst hat. Sie stimmt das Instrument an diesem sehr warmen Abend dann doch und spielt spontan ein selbstgeschriebenes Stück. Einnehmend ruhig und melancholisch singt sie in die laue Sommernacht hinaus. «Growing» handelt vom Schicksal, von Träumen und dem eigenen Wachsen an Schwierigkeiten. Im Restaurant Da Rina am Eigerplatz sprechen wir über ihre Träume als Künstlerin. Jene von Bachofner scheinen gerade wahr zu werden.
Kurzerhand Finnisch gelernt
Auf Facebook entdeckte sie einen Aufruf der FSAOE (Film Scoring Academy of Europe), wo sich junge Talente für einen Studiengang in Filmkomposition bewerben konnten. Sie bewarb sich und wurde als einzige Schweizerin, als einzige Frau und als einzige Jazzerin gemeinsam mit nur 22 anderen Solisten, welche global engagiert werden, in Sofia aufgenommen. Im August wird die junge Künstlerin für ein Jahr in die bulgarische Hauptstadt gehen und mit dem dortigen Sinfonieorchester und Filmemachern zusammenarbeiten. Ziel ist es, Filmmusik zu komponieren – gemeinsam mit Grössen aus Hollywood wie etwa Andy Hill, dem ehemaligen Vizepräsidenten von Walt Disney. «Es war ein Schock», fasst sie ihre Reaktion zusammen, als sie erfuhr, dass sie dabei ist. Bereits lernt sie fleissig Bulgarisch, um sich dort akklimatisieren zu können. Bachofner hat nicht nur für Musik – sie spielt nebst Kontrabass auch Klavier – sondern auch für Sprachen ein Gehör. Als Brotjobs unterrichtete sie an einer Sprachschule Deutsch und Französisch, spielte Orgel in Gottesdiensten, kellnerte, trat als Musikerin auf und war als Gesangslehrerin tätig. Bevor sie in Bern studierte, lernte sie kurzerhand Finnisch, als sie sich auf die Aufnahmeprüfung bei der Sibelius Akademie in Helsinki vorbereitete. «Finnisch klingt ähnlich wie Berndeutsch», erklärt Bachofner, die von Vatersseite auch Wurzeln im Kosovo hat. «Ich singe manchmal auf Albanisch und lasse mich von der ungeraden Metrik der Balkanmusik inspirieren.»
Aufgewachsen ist sie bei der Mutter, mit der sie in einer modernen WG in Köniz wohne, wie sie sagt. «Meine Mutter arbeitet im Denner an der Kasse. Wenn ich irgendwo ein Konzert gebe, rührt sie mächtig die Werbetrommel. Ohne ihre Unterstützung wäre mein Weg überhaupt nicht möglich!» Mittlerweile spielt Bachofner im In- und Ausland und wird rege gebucht. Eben ist sie am Jazzfestival in Brienz und am Blue Balls Festival in Luzern aufgetreten.
Roter Lippenstift und falsche Wimpern
Sie habe schon als kleines Kind gern gesungen, erinnert sich Bachofner. Aufgewachsen sei sie mit Elvis Presley. «Meine Mutter ist der grösste Elvis-Fan, den man sich vorstellen kann.» Auch Big Bands und Frank Sinatra hätten in ihrem Elternhaus einen wichtigen Stellenwert gehabt. Als Jugendliche bekam Bachofner oft Soloparts in den jeweiligen Schülerbands. Eine Kollegin schickte schliesslich ein Demotape von ihr an die Sibelius Akademie. Dort erkannte man, dass sie sich als Jazzerin eignen würde. Die Aufnahmeprüfung schaffte sie damals zwar nicht, doch sie wusste nun, dass sie Richtung Jazz gehen würde. «Ich habe es probiert und bin gescheitert», sagt sie schlicht. Sie begann schliesslich, an der Hochschule der Künste in Bern zu studieren und schloss diese mit einem Bachelordiplom in Jazzgesang ab.
Als Jazzerin spiele man in verschiedenen Formationen, mal zu zweit, mal mit Big Band. Ihr eigens gegründetes Orchester Filou meets Flair liegt ihr besonders am Herzen. Wenn Bachofner auftritt, trägt sie meist lange Kleider, roten Lippenstift und falsche Wimpern. Doch eine Diva sei sie nicht, verrät sie augenzwinkernd. Eher ein «Gschpürmi-Mensch». Sie glaube daran, dass man Menschen aus einem bestimmten Grund treffe und habe ein feines Gespür für deren Schwingungen.
Ihre selbst geschriebenen Songs fallen ihr zu. «Wenn ich nachdenken muss, gehe ich spazieren.» Einmal sei sie nachts über die Kirchenfeldbrücke gegangen und habe einen Mann im Trenchcoat gekreuzt. «Er hat mich fasziniert. Das Bild ist mir geblieben.» Prompt entstand ein Song daraus, «Straying Soul» – was auf Deutsch streunende Seele heisst – war geboren und gehört fortan zum festen Repertoire der Künstlerin. Eigentliche Vorbilder habe sie konkret keine. Aber natürlich verehre sie Sängerin Ella Fitzgerald; für ihre Kunst und dafür, wie sie ihr Leben bewältigt habe. Sich selbst sieht Bachofner zukünftig als etablierte Sängerin und Komponistin, die von ihrer Kunst leben kann. Bulgarien sieht sie als eine weitere Etappe beim Griff nach den Sternen.
Helen Lagger