Zibelegring 3

«Schnee am Zibelemärit wird ein selteneres Bild»

Thomas Stocker will die globale Erwärmung eindämmen. Mit wissenschaftlichen Fakten. Seine Arbeit als Klimaforscher macht ihn zum bekanntesten Forscher der Schweiz. Im Gespräch mit dem Bärnerbär äussert sich der frisch gekürte Oberzibelegring auch über Bern und die Zwiebeln – nur positiv, versteht sich.

Bissige Kälte, tanzende Schneeflocken oder Schneematsch. So haben wir Berner den Zibelemärit wettertechnisch in Erinnerung. Wirds das künftig noch geben?
Ja, aber weniger oft. Denn es wird immer wärmer. Schnee am Zibelemärit wird ein selteneres Bild.

Wenn die Menscheit sich so gut und rasch wie irgend möglich von den fossilen Brennstoffen trennt und auf die erneuerbaren Energien setzt, wird sich die Erde um weniger als zwei Grad erwärmen. So steht es im Pariser Abkommen, das Vertreter von 196 Ländern vor drei Jahren unterzeichnet haben. Gilt diese Rechnung noch immer?
Ja, die Menschheit kann dieses Ziel weiterhin erreichen. Für die Schweiz aber ist bereits jetzt klar, dass die Erwärmung gegen drei Grad betragen wird.

Sie sind seit Jahrzehnten ein international renommierter Klimaforscher und kennen deshalb auch das Verhalten derjenigen, die den Einfluss der Menschen auf die Erwärmung des Klimas in Frage stellen oder gar leugnen. Hand aufs Herz: Bleiben Sie optimistisch? Schaffen wir das?
Die Wissenschaft weist bereits seit über 60 Jahren auf das Problem der Klimaerwärmung hin. Wir werden nicht aufhören zu kommunizieren und zu argumentieren. Ich bin davon überzeugt, dass die Realität uns hilft. Der mediterrane Hitzesommer in der Schweiz und die Waldbrände in Kalifornien sind zwei Beispiele, die zeigen, dass der Klimawandel uns alle erreicht. Zu Hause, am Arbeitsplatz und in der Freizeit. Der Mensch glaubt primär das, was er am eigenen Leib erfährt. Deshalb werden künftig immer mehr Bürgerinnen und Bürger Massnahmen zum Schutze des Klimas einfordern und entsprechend abstimmen. Daneben muss auch eigenverantwortlicher gehandelt werden. Zum Beispiel bei der Wahl des Verkehrsmittels, des nächsten Ferienziels oder der Heizung zu Hause.

Sie glauben an die Vernunft der Menschen?
Jein. Es ist wie beim Strassenverkehr: Da sorgen Geschwindigkeitsbegrenzungen für Ordnung und Sicherheit. Die meisten Verkehrsteilnehmer halten sich daran. Ein Regulativ der Gemeinschaft aber ist unabdingbar. Das gilt auch in Bezug auf das Klima.

Sie schauen mittels Analyse von Eisbohrkernen aus Grönland bis zu 800 000 Jahre in die Vergangenheit. Weshalb ist der Blick in vergangene Erdzeitalter wichtig, um die Gegenwart und die Zukunft des Klimas verstehen zu können?
Wir erfahren so, wie das Klima natürlich funktioniert hat. Dabei lernen wir immer wieder Neues, Überraschendes hinzu. Die Analyse von Eisproben aus Grönland hat gezeigt, dass in der Vergangenheit das Klima je nach Konstellation viel schneller gekippt ist, als wir das bisher angenommen haben. Das Klima ist also nicht träge, sondern kann durch Eingriffe wie der unverminderte Ausstoss von Treibhausgasen Kapriolen schlagen. Diese Erkenntnis hilft uns weiter.

Bleiben wir global, kehren aber thematisch zum Zibelemärit zurück: Welches sind die wichtigsten Zwiebelproduzenten der Welt?
Ganz klar China und Indien. Insbesondere die indische Küche basiert auf der Zwiebel.

Sie sind offenbar auch ein Zwiebel-Kenner …
Ich koche und esse halt gerne Zwiebeln und bin beeindruckt, dass das in rohem Zustand ziemlich wuchtige Gemüse in gekochter Form plötzlich lieblich und sogar etwas süsslich wird. Ich achte darauf, dass ich stets Zwiebeln aus dem Seeland kaufe. Leider ist dies nicht das ganze Jahr möglich. Ich verstehe die Gründe der Grossverteiler nicht, die Zwiebeln aus Neuseeland einfliegen. Denn die Zwiebel kann einfach gelagert und während des ganzen Jahrs verkauft werden.

Was bedeutet es Ihnen, zum Oberzibelegring 2018 gewählt worden zu sein?
Das ist für mich eine ganz spezielle Freude und Ehre. Umso mehr, da ich ja ein gebürtiger Zürcher bin…

Was wollen Sie während ihres Amtsjahrs der sogenannten Zibeliade bewegen?
Ich will den Geist von Bern in die Welt hinaustragen und für die gesamte Hauptstadtregion auch ein wenig PR machen. Denn in und um Bern wird viel Herausragendes und Innovatives geleistet. So ist Bern übrigens auch der Geburtsort der Schweizer Klimaforschung.

Sie könnten auf der gesamten Welt arbeiten. Bleiben Sie bis zu Ihrer Pensionierung der Universität Bern treu? Sie feiern 2019 Ihren 60. Geburtstag…
Aber sicher doch. Als Klimaforscher bin ich international an vielen Orten tätig. Aber meine Basis ist und bleibt Bern. Versprochen!

Dominik Rothenbühler

Weitere Beiträge

Weitere Beiträge