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Schneller als mit dem E-Bike flitzt niemand durch die Stadt

In die Pedale treten, aber elektrisch: E-Bike-Experte Roger Achermann freut sich, dass immer mehr Berner aufs Velo umsatteln und erzählt, wie er mit dem E-Velo rumcruist.

«Ich habe dir also nicht die Mistpneu montiert», sagt Roger Achermann mit einem Augenzwinkern und übergibt seinem Kunden sein schneidiges Rennrad. Veloverliebt, direkt, humorvoll – so kennen und mögen die Stammkunden den Velomechaniker, der am Eigerplatz den Laden Bikeline betreibt und von allen nur Roger genannt wird. Kaum sind die ersten Frühlingstage angekündigt, rennen Velofans hier fast die Werkstatttür ein. Neue Reifen, Bremsen, Kette. Jetzt will jeder sein Rad fit machen. Roger nickt wissend – und legt mit seinem Team dieser Tage Extraschichten ein.

Freude ab der ersten Sekunde
Auch im Verkaufsraum läufts bzw. rollts gut – und das immer öfter mit einem elektronischen Helfer. Der Boom der E-Velos ist ungebrochen. Das merkt auch Roger: «50 Prozent des Umsatzes machen wir dank E-Bikes.» Wegen des Preises, sonst wäre er noch höher. Für unter 2000 Franken kann man in seinen Augen kein qualitativ gutes E-Bike kaufen. Den typischen E-Velo-Kunden gibt es laut Roger aber nicht. «Angefangen hat es mit den Müttern, die einen Kinderveloanhänger leichter ziehen wollten.» Dann kamen die Stadtpendler und alten Rad-Enthusiasten dazu, die eine Alternative zum Rennrad oder Mountainbike suchten. Jetzt begeistern E-Mountainbikes mit dicken Reifen junge Einsteiger. Allen gemein: die Freude am neuen leichten Fahrgefühl. Die lässt sich schon beim ersten Tritt in die Pedale kaum verbergen. «Die Leute drehen eine Runde und hören nicht mehr auf zu lächeln», beschreibt es der Velomech.

Der E-Bike-Selbstversuch
Wird also bald keiner mehr ein «normales» Velo fahren? Roger winkt ab: «Doch. Menschen, die ihre Wege mit purer Muskelkraft bezwingen wollen, wird es immer geben.» Früher liebte er das auch, unzählige Fotos von Rennen zieren seinen Kühlschrank. «Mit 13 kaufte ich mein erstes Rennrad.» 1986 kam dann ein Mountainbike dazu, damals eine Innovation. «Seitdem fahr ich nur noch Velo», sagt Roger. Obwohl die Zweiräder sein Job sind, ziehts ihn mindestens dreimal die Woche hobbymässig aufs Rad – am liebsten fährt er im Wald. Diesen Winter sattelte er zum ersten Mal komplett aufs E-Bike um. Ein Selbstversuch: «Ich wollte wissen, wie viel an Muskulatur und Kondition ich verliere, wenn ich nur noch E-Velo fahre.» Und? Er macht es spannend. «Gar nichts!» Die Erklärung ist einfach: man fahre weiter, öfter und länger. Die Anstrengung verteilt sich, der Pulsbereich ist optimal, schwere Anstiege scheut keiner mehr. «Ich habe in keinem Winter so viele Kilometer mit dem Velo gemacht wie in diesem», so Rogers Resümee. Pro Jahr fährt er durchschnittlich 10000 Kilometer.

Entspannt fahren statt rasen
Verleiten die schnellen E-Bikes denn nicht zum Rasen? Vehement schüttelt der Experte den Kopf: «Nein! Der Fahrer ist gefährlich, nicht das Velo.» Unverantwortliche Fahrer gebe es eben immer, 90 Prozent der E-Biker fahren in seinen Augen vernünftig. Beim E-Velo gehts ihm ums Cruisen, einfach entspannt Velofahren. Rogers Rat: «Nie in Eile aufs Velo steigen.» Und sich mit dem Gedanken trösten: Mit keinem anderen Verkehrsmittel kommt man in Bern schneller ans Ziel. Auch weil die Velowege meist abseits des Verkehrs laufen. «Wir sind eine Velostadt!», sagt er überzeugt. Als Verkäufer von Velos stören ihn nicht mal Bikesharing-Systeme, die mehrere Schweizer Städte nun eingeführt haben. «Die Leute probieren dadurch das Velofahren neu aus und überlegen sich schliesslich, eines zu kaufen.»

Das Bike sagt, wo es hakt
Im Markt macht sich also ein Wandel bemerkbar. Die schnellen E-Flitzer verlangten zuerst auch in Rogers Werkstatt ein Umdenken. Neben der Mechanik haben Velos nun ein Betriebssystem – inklusive Diagnosesoftware. «Wenn ich den PC ans Velo hänge, sagt es mir nun, wo der Fehler liegt. Ist doch praktisch.» Auch die Akkus werden besser, die Motoren brauchen immer weniger Strom. Der Velomech ist sich sicher: Der E-Boom wird anhalten und noch mehr Menschen aufs Rad bringen. «In zehn Jahren fahren wir alle E-Bike.»

Michèle Graf

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