In sechster Generation führen die Geschwister Nina und Samuel Klötzli die Messerschmiede Klötzli in Burgdorf und Bern. Das Jubiläum feiern sie mit einem hauseigenen Museum und zeigen ihren ganz eigenen Weg zwischen Tradition und Zukunft.
Anfangs war ihnen kaum bewusst, welch ein Schatz im Keller ruht. Wenn die Geschwister Nina und Samuel Klötzli das Haus ihrer Grosseltern in der Mühlegasse in Burgdorf als Kinder betraten, stand da eben viel «altes Zeug», es roch nach Metall und Schleifmittel, eine schwere Holztür verschloss den Keller. «Wir hatten immer etwas Angst, dort hineinzugehen», gibt Samuel Klötzli heute lachend zu. Jetzt stehen die beiden öfter staunend in dem kleinen Haus von 1715, das neu umgebaut als Museum dient. In mühevoller Arbeit sortierten sie alles. Alte Schränke und Dokumente sind nun sorgfältig aufgearbeitet und in der Werkstatt zeigt ein Film die Arbeit in der Schmiede in den 60ern. «Wir haben hier viel Kleinwerkzeug gefunden, das aus Respekt einfach nicht weggeworfen wurde. Wie diese Instrumente eines Eichmeisters von 1885», sagt Samuel. Und Nina fand zahllose Metallstempel bekannter Hotels, die man zur Prägung der Tafelmesser nutzte. Heute dienen diese Überbleibsel der Ausstellung, die so auch eine kleine Zeitreise ermöglicht.
Ein wahres Sammelsurium
In der oberen Etage zeigt sich in Vitrinen die vielfältige Klötzli-Sammlung. Armeemesser, Scheren, Küchenmesser, Bestecksets, Jagdmesser, Zigarrenschneider. Samuel deutet auf die ersten Modelle, die teilweise kunstvoll verziert sind: «Leider haben unsere Vorfahren nicht alles aufgehoben, eher die Besonderheiten.» Wie ein Multifunktionsmesser mit einem winzigen Korkenzieher für Medizinfläschchen oder eines zum Anspitzen von Schreibfedern. Früher ein Alltagsgeschäft: Rasiermesser. «Als Gillette vor über 100 Jahren die Wegwerfklinge erfand, war dieses Business von einem auf den anderen Tag passé», so Samuel. Nur ein Beispiel dafür, wie seine Vorfahren immer wieder neue Herausforderungen meistern mussten. In den letzten Jahrzehnten verdrängte günstigere Konkurrenz aus dem Ausland viel, der Burgdorfer Traditionsbetrieb musste kämpfen. Doch heute ist die Trendwende da: «Die Menschen wollen Nachhaltigkeit. Sie kaufen sich lieber ein gutes Messer, das lebenslang hält», freut sich Nina. Auch der Schleifservice ist gefragt, man schätzt das lokale Handwerk. Zu den Kunden zählen kleine Pfadfinder genauso wie Profiköche und nähende Grosis. Die Aussichten sähen besser aus als noch vor 25 Jahren, bilanzieren die Geschwister, die ihr Unternehmen im Premiumbereich mit Kleinstserien und immer neuen Ideen wie einem Bushcraft- oder Schoggi-Messer positionieren können. Ausbildungsplätze bei ihnen sind heiss begehrt.
Ein Schicksal wie auf Messers Schneide
Dabei sah es für die erste Generation anfangs nicht nach einer Erfolgsgeschichte aus. Als Johann Ulrich Klötzli 1820 als eines von elf Geschwistern geboren wird, ist die Familie arm. Dank der Intervention eines Pfarrers darf der junge Mann, der sonst in eine Armenanstalt gekommen wäre, eine Lehre bei Messerschmiedmeister Burri in Burgdorf anfangen. Nach Wanderjahren kann er die Schmiede übernehmen, viele Generationen folgen. Manche kennen Nina und Samuel nur von Gemälden und Fotos. Allen gemein: ihre Reiselust. So gingen die jungen Klötzlis als Lehrlinge noch auf Wanderschaft, bildeten sich in halb Europa weiter. Ihre Reisetagebücher im Museum zeugen davon. Nina arbeitete in England, Frankreich, Australien und eine Weile auf einer Jacht im Mittelmeer. Und auch Samuel zog es in exotische Länder, er trampte durch Südamerika. «Dass wir mal das Familiengeschäft übernehmen, stand eigentlich nie zur Debatte», erinnert Nina sich. Doch faszinierte das Familiengeschäft die Quereinsteiger immer mehr. Sieben Jahre liessen sie sich mit dem Generationenwechsel Zeit. Seit ihr Vater H.P. Klötzli die Werkstatt in den 80ern zügelte, ist aus der Schmiede ein moderner Betrieb geworden, bekannt für seine Klappmesser und Käsebohrer. Doch vieles ist seit 175 Jahren unverändert. Nina deutet auf den Schleifblock, der früher mit Wasserkraft angetrieben wurden. Erst ab 1945 wurde die Werkstatt elektrifiziert. «Viele Maschinen nutzen wir heute noch. Die Arbeitsvorgänge, die man für ein gutes Messer braucht, sind gleich geblieben.» Sie weiss, wovon sie spricht: Nina Klötzli ist die erste Frau der Familie, die den Beruf der Messerschmiedin erlernte: «Aber Frauen haben im Unternehmen immer eine Rolle gespielt.» Sie halfen im Verkauf und der Buchhaltung, leiteten den Haushalt mit Lehrlingen. Teilweise lebten im Mehrgenerationenhaus in der Mühlegasse zehn Personen. Mit dem neuen Museum wollen die Geschwister Klötzli jetzt nicht nur den reichen «Kellerschatz», den sie in den letzten Monaten neu entdeckt haben, allen Menschen zugänglich machen, sondern auch die Faszination für die scharfen Messer in die Zukunft tragen.
Michèle Graf