Alexandra Staub (44) arbeitet zurzeit als Contact-Tracerin. Eigentlich ist sie diplomierte Reiseberaterin – nun klärt sie Corona-Erkrankte auf. Und versucht, Ihnen etwas die Angst vor dem Virus zu nehmen.
«Es geht vor allem darum, infizier-ten Personen Anweisungen zur Isolation zu geben und über das weitere Vorgehen zu informieren», sagt Alexandra Staub. Seit Anfang November letzten Jahres arbeitet die Kauffrau im Tracing Center, im Auftrag des Kantonsarztamtes Bern. Ihr bisheriger Job beim Schweizer Tourismus Verband (STV) fiel nicht Corona zum Opfer, sondern einer Umstrukturierung. Sie zögerte nicht lange, als eine Freundin sie auf eine offene Stelle als Contact Tracerin aufmerksam machte. «Ich habe mich beworben und hatte sofort Arbeit», sodie Mutter eines dreizehnjährigen Mädchens.
Nach einer Schulung, in der über das Virus aufgeklärt wurde und man die Tracerinnen und Tracer über ihre Aufgaben informiert hat, konn-te sie loslegen. Angerufen werden sowohl sogenannte Index Personen – solche, die sich mit Corona infiziert haben – sowie die Kontakt Personen, die mit Infizierten engen Kontakt hatten. Bei unserem Besuch im Center – der genaue Standort soll anonym bleiben – ist auch Gundekar Giebel (60), der Kommunikationschef der Gesundheits Sozial und Integrationsdirektion, mit dabei. «Wir tracen bereits seit März», erklärt er. «Im Moment sind 150 Personen im Center beschäftigt. Wir wollen aber möglichst rasch auf 200 aufstocken.»
Beschimpfungen gibt es nie
Zur Überbrückung unterstützen auch Leute von der Kantonspolizei das Tracing Center. «Wenn es um Kontakt mit den Bürgern und um Deeskalation geht, haben diese viel Erfahrung», so Giebel. Doch Alexandra Staub hat bisher kaum schlechte Erfahrungen gemacht. «Normalerweise sind die Leute dankbar, wenn wir sie kontaktieren und informieren», sagt sie. «Es sind Fälle von Beschimpfungen in anderen Kantonen bekannt geworden, in Bern bisher nicht», führt Giebel aus. Am Anfang jeder Schicht gibt es ein Briefing, die Tracerinnen und Tracer werden via Infokanäle und verschiedene Tools über die neusten Beschlüsse und Massnahmen informiert. Danach gilt es, Anrufe zu tätigen. Zehn bis fünfzehn sind es pro Tag. «Die Gespräche dauern im Schnitt eine halbe Stunde. Manchmal länger», erklärt Staub. Sie greift zum Hörer und spricht mit einer an Corona erkrankten Person. «Wie geht es Ihnen?», ist ihre erste Frage. Die Person am anderen Ende der Leitung berichtet ausführlich. Staub fragt nach den Symptomen, der Wohn-situation sowie den Kontakten und trägt diese in ein Programm ein.
Kurz zum Briefkasten geht nicht
Es besteht eine enge Zusammen-arbeit mit dem Epidemiologischen Dienst (EPI), der Einsicht in die erfragten Daten hat. Staub gibt auch praktische Tipps, zum Beispiel, dass eine Seiten oder Bauchlage besser für die Lunge sei, oder dass sie trotz Isolation etwas Bewegung empfehle. «Wichtig ist auch, die Kontaktpersonen zu erfassen, damit sich diese in Quarantäne begeben, um so die Infektionskette zu unterbrechen.» Kontaktpersonen müssen in Quaran-täne, wenn sie ohne Maske länger als 15 Minuten bei einem Abstand unter 1,5 Metern mit einer infizierten Person zusammen waren. «Es ist wichtig, den Leuten zu vermitteln, dass man während der Isolation nicht schnell in die Waschküche oder zum Briefkasten gehen darf», meint Staub. «Ich selbst habe im Umgang mit dem Virus viel gelernt. Etwa, dass es auf Oberflächen lange überlebt, was zu so genannten Schmierinfektionen führen kann.»
Staub selbst hat keine Angst vor dem Virus, Respekt hingegen schon. Ihren Job empfindet sie als sinnvoll, die Kolleginnen und Kollegen als «super Leute». «Wir müssen die Menschen abholen und Ängste auffangen», so Staub. Eine Kollegin von ihr hat es so formuliert: «Man geht mit den Leuten auf eine Zeitreise. Zehn Tage zurück, um her-auszufinden mit wem sie alles zusammen waren.» Es ist ein grosser Aufwand, um Ansteckungsherde ausfindig zu machen und damit einer grösseren Verbreitung zuvorzukommen, damit das Gesundheitssystem nicht überlastet wird.
Ärgert man sich da nicht, über Ewiggestrige, die das Virus verharmlosen oder gar verleugnen? «Wut empfinden wir nicht, aber Unverständnis haben wir», sagen Giebel und Staub unisono.
Helen Lagger