Skywork-CEO Martin Inäbnit – «Zwei Flight Attendants standen tränenüberströmt im Büro»

Die Zeichen standen auf Grounding. Doch die Berner Fluggesellschaft Skywork schaffte die Kehrtwende. Mit dem Bärnerbär spricht CEO Martin Inäbnit über seine Rolle als Psychologe und Klumpen im Hals.

Martin Inäbnit, was haben Sie sich eigentlich kulinarisch gegönnt, als feststand, dass Skywork gerettet ist?
Ich weiss noch, dass ich im Restaurant Puccini in Belp Znacht gegessen habe. Was es war, habe ich allerdings nicht mehr genau im Kopf. Vermutlich brauchte ich Kalorien, also wohl irgendetwas mit Teigwaren (schmunzelt).

Sie schlafen grundsätzlich nicht so viel. War es während der turbulenten Tage im Oktober noch weniger?
Nein, lustigerweise eher umgekehrt. Normalerweise wache ich etwa um 4 Uhr morgens auf, bin dann etwa eine Stunde lang im Halbschlaf. Das ist meine Art von Ideen-Tank. Obwohl ich um diese Uhrzeit grundsätzlich gar keine Lust habe aufzustehen und auch kein Morgenmensch bin.

Mitte Oktober wurde bekannt, dass das Bundesamt für Zivilluftfahrt BAZL die Betriebsbewilligung für Ihre Airline auf Ende Monat befristet. Das muss ein Schock gewesen sein.
Nein, wir waren vorbereitet, die Konsequenzen seit Monaten bekannt. Jede Airline muss diese Finanzierungsnachweise erbringen. Es war also nicht so, dass uns das BAZL an jenem Montagnachmittag einen Brief zustellte und ich dachte: «Huch, was ist denn das?»

Der Kanton Bern bot keine finanzielle Unterstützung an. Fühlten Sie sich im Stich gelassen?
Mir ist klar, dass der Kanton nicht einfach so über seinen Schatten springen kann. Es ging ja nicht nur um Skywork. Es ging um einen Gesamtschaden: Tourismus, Industrie, die gesamte Wertschöpfungskette … und am Schluss wohl um einen dreistelligen Millionenbetrag.

Nochmals: Sind Sie dem Kanton böse?
Wir sind nicht böse, weil ich die Gesetzeslage kenne. Störend ist aber der Faktor, dass wir hier eine Funktion erfüllen, von der Politik, Industrie und Tourismus immer wieder betonen, wie wichtig sie sei. Und jetzt, da alles geregelt ist, lehnen sich alle wieder zurück.

Haben Sie je daran gedacht, alles hinzuschmeissen?
Ich bin Unternehmer. Andere hätten vielleicht früher aufgegeben, mein Vokabular ist ein anderes.

Es braucht aber eine positive Grundhaltung, um solche Situationen zu meistern.
Ich möchte mich jetzt nicht selber analysieren. Aber ja, natürlich braucht es ein Positive Thinking, aber ein nüchternes. Tagträumerei bringt gar nichts. Das Wichtigste ist, dass man einen klaren Kopf behält. Ähnlich wie bei einem Notfall im Flugzeug.

Ein Wort zu den Medien, die Sie teilweise heftig kritisierten.
Ich habe gelernt, mir ein dickeres Fell zuzulegen. Diesmal war die Berichterstattung – im Gegensatz zu früher und obwohl der Fall viel schwerwiegender war – wohlwollender. Mühe habe ich mit Journalisten, die Gerüchte weiterverbreiteten, dass wir die Situation absichtlich hätten eskalieren lassen, um so Aufmerksamkeit zu generieren. Solche Dinge nerven mich, dass völlig unbedarft irgendwelcher Blödsinn in die Welt hinausposaunt wird.

Gab es Situationen, in denen Sie sich dachten: «Das hätte ich besser machen können?»
(lacht) Die gibt es jeden Tag. In diesem Bereich habe ich eine komplett andere Auffassung als andere, sogenannt moderne Unternehmensführer, die primär an die eigenen Aktionäre und sekundär an ihr Portfolio denken. Was da abläuft, widert mich teilweise an. Natürlich mussten wir in den letzten drei Jahren immer wieder erkennen, dass wir Fehler gemacht haben. Experience comes from bad experience.

Und was haben Sie aus der jetzigen Situation gelernt?
Bei der einen oder anderen Verhandlung hätte man vielleicht früher sagen können: «Komm, wir brechen ab, das ist sinnlos.» Auf der anderen Seite musste ich ja alles probieren, um eine Lösung zu finden.

Verraten Sie uns konkret, was Sie hätten besser machen können.
Ich gebe Ihnen ein nicht reales Beispiel: Nehmen wir an, wir verhandeln mit einer grossen Schweizer Bank. Diese signalisiert, sie schaue, was sie machen liesse. Trotzdem verläuft das Ganze nach ein paar Wochen im Sand. Nun kann man sich fragen: Haben wir etwas falsch gemacht? Haben wir die Zeit falsch investiert? Das ist extrem schwierig zu sagen.

Haben Sie sich überlegt, was Sie tun, wenn alle Stricke reissen?
Ich wäre ein schlechter Unternehmer, wenn ich den Worst Case nicht im Fokus hätte. Und das Worst-Case-Szenario war: die Bilanz zu deponieren. Das war alles parat. Was meine Person anbetrifft: Klar hätte der eine oder andere probiert, mich juristisch zu belangen. Aber so ist das nun mal im Leben. Am meisten leid getan hätte es mir aber vor allem für die Mitarbeiter dieses Unternehmens.

Mussten Sie Angestellte trösten?
Zwei Flight Attendants standen tränenüberströmt in den Büroräumlichkeiten. Was übrigens völlig nachvollziehbar ist. Eine Arbeit, die man gerne macht, vielleicht bald nicht mehr ausüben zu können – das macht weh. Da muss man aufhören, der knallharte Unternehmer zu sein, da sind Gefühl und Herz gefragt.

Hand aufs Herz: Haben Sie auch eine Träne vergossen?
Hätte ich, wenn es mit uns kein gutes Ende genommen hätte. Ich flog als Pilot nach dem vorläufigen Grounding frühmorgens die erste Verbindung nach Hamburg. Dann machte ich meine Durchsage an die Passagiere: Mitten in der Ansage merkte ich, dass ich völlig emotional war. Ich konnte fast nicht weiterreden. Von den Gästen an Bord hat das wohl niemand bemerkt. Aber ja, ich hatte ein kleines Klümpchen im Hals.

Hatten all die Turbulenzen auch ihr Gutes?
Möglicherweise ja. Vielleicht kann man die Leute jetzt aufrütteln und sagen: Seid ihr euch bewusst, was all das Geschehene bedeutet? Um es nochmals klar zu sagen: Eine Berner Airline, so nett das klingt, wird es in Bern alleine nicht geben. Das ist kommerziell nicht möglich. Also brauchen wir Leute, die uns unterstützen.

Ihre Erkenntnis aus der Geschichte?
In der Krise lernt man die wahren Freunde kennen. Und die anderen.

Yves Schott

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