Rolandzoss

Sogar Rapperin Steff la Cheffe hat er schon inspiriert

An seinen Konzerten lässt er Bäume pflanzen, Kinder betitelt er als «letzte Urvölker der Welt». Ist Roland Zoss schräg? Sagen wir: unkonventionell. Dass die Botschaften seiner Lieder nicht immer ankommen, macht dem Berner nichts aus.

Stillstand durch Corona? Das ist nicht seins. Denn der Berner Liedermacher Roland Zoss, gefühlt sein Leben lang auf Achse, vermisst 2020 mehr als Reisen und Auftritte. «Mir fehlt die Begegnung mit den Menschen, die leuchtenden Kinderaugen im Publikum. Gleich nach meinem Baumlieder-Tourstart im März kam der Lockdown. Aber ich hatte schon härtere Jahre in meinem Leben.»
Doch er bleibt zweckoptimistisch: «Wir denken jetzt wieder mehr darüber nach, was im Leben wichtig ist. Das war schon immer mein Thema. Es gibt nur zwei Wege: den des Herzens oder den der zerstörerischen Jagd nach Karriere und Geld.» Sagt es und setzt sich in Bewegung. Ein kurzer Spaziergang hinter seinem Haus in Mittelhäusern führt zu seinem Lieblingsplatz, einem kleinen schwedischen Häuschen. Der Weide davor hat er auf seinem letzten Album auch ein Lied gewidmet.

Baumlieder für Klimademos
Songs über Bäume? Warum nicht? Statt um Top-Ten-Hits geht es Zoss in seinem Schaffen stets darum, denen eine Stimme zu geben, die sonst nie an erster Stelle kommen: «Der Natur, den Tieren und Kindern.»
So ist er betroffen, dass Corona das virulente Thema Klimakrise vom Tisch gefegt hat. Er findet, seine Baumlieder würden doch wunderbar zu den Klimaschutz-Demos passen. Dass man für menschliche Bauprojekte rodet, ist für ihn unverständlich. Seine Konzerte verbindet er deshalb auch mit Pflanzaktionen. «Bäume sind die grössten Lebewesen der Erde, wir sollten ihnen respektvoller begegnen. Ich will durch meine Lieder die Empathie mit ihnen stärken, ihre Geschichten erzählen.» Schon deutet er auf einen Kastanienbaum in der Ferne, der ihn auch zu einem Song über Jahreszeiten inspirierte. «Ich bin eben der Urtyp, zurück zur Natur.»
Obwohl der Liedermacher aus einer Eisenbahner-Familie stammt und seine Karriere ganz konventionell als Postbeamter startete, zog er sich schon mit 25 Jahren auf eine kleine Insel vor Sizilien zurück. Dort baute er an seinem Paradies in einer ehemaligen Ruine, lernte viel von einem Einsiedler, schrieb eine Erzählung.
Trotz Inselleben ist Zoss aber nie ein Aussteiger geworden; er arbeitet, um seine Träume leben zu können. Er fühlt sich in beiden Welten, der Schweiz und im Süden, zuhause: «Ich bin ein Nicht-Einsteiger.» Nach Spät-Hippietum in den ersten Jahren lädt er jetzt befreundete Künstler auf die Insel ein. Steff la Cheffe schrieb dort zuletzt an ihrem Naturalbum.

«Auch Kinder sind weise»
Ob Bar-Smalltalk mit Cat Stevens, Fast-Begegnung mit Idol Leonard Cohen oder Konzert mit Kris Kristofferson in L.A. – Zoss ist ein Füllhorn an Anekdoten. Gerade vertont er diese Erinnerungen auch als Hörbuch mit Musik. Als junger Bursche ging er, der Swiss Guy, nach Kalifornien, reiste in seinem Leben durch über 50 Länder.
Scheinbar immer im Gepäck: Fortuna. «Glückliche Zufälle passieren mir andauernd», resümiert er und erzählt, wie er an einem Strand in Sydney mal eines Nachmittags eine schöne Frau aus der Ferne bewunderte. «Am nächsten Tag bummelte ich durch Downtown und hörte auf einmal eine tolle Stimme singen. Ich folgte ihr in einen Laden und traf tatsächlich die Frau vom Strand wieder. Wie unwahrscheinlich war das denn! Schicksal. Das liebe ich: Die besten Dinge sind immer Zufall.»
So kann er für seine Musikprojekte immer wieder namhafte Musiker aus aller Welt gewinnen. Ob israelischer Kinderliederstar, spanische Sängerin oder Kinderchor aus Mosambik. Der Mann verbindet. Seine Musik lässt sich in keine Schublade stecken: Kindermusik auf Berndeutsch, Erwachsenen-Rockmusik, Weltmusik, Literatur anspruchsvoll vertont. Jede Tour, jede Kooperation ist ein «grosses Abenteuer».
Dass die Zuhörer wahrscheinlich seine Botschaft hinter den Liedern nicht immer verstehen, stört den Sänger nicht. Er findet: «Auch Kinder sind weise. Mein Sohn fragte als Kind einmal: ‹Papa, warum sind die wichtigsten Dinge unsichtbar?› Er meinte Luft, Gesundheit, Liebe. Das ist doch philosophisch. Kinder sind die letzten Ur-Völker der Schweiz. Sie wissen, wie man im Moment lebt.» Auch mit fast 70 versucht Zoss mit dieser kindlichen Faszination durch die Welt zu schreiten – egal ob hinter seiner Haustür oder in fernen Ländern.

Michèle Graf

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