Der 2016 in Bern gegründete Verein Change Moments bringt in gelungenen Aktionen vor allem im Raum Bern Menschen zum Staunen und begeistert sie mit Wertschätzung. Stefan Pfister, Glücksbringer und Gründer des Vereins, erzählt, wie kurze Momente Grosses bewirken können.
«Es ist so schön, wenn einmal etwas zurückkommt», sagt der verdutzte städtische Putzarbeiter auf der Kleinen Schanze in Bern, als junge Leute vor ihm einen Tisch aufstellen und ihn auffordern, sich zum «Zmörgele» zu setzen. Seine Kollegin kanns auch noch nicht so recht glauben: «Wir sind doch zum Putzen da», leistet sie erst noch geringen Widerstand. Aber dann lässt auch sie sich überzeugen und setzt sich gemütlich hin. Während dieser Zeit reinigt ein knappes Dutzend der Helferinnen und Helfer die Parkwege und die Aarbergergasse, wo die Aktion zu gleicher Zeit ebenfalls stattfindet. Das war im Frühsommer dieses Jahres. Es sind Freiwillige von Change Moments, die Menschen seit fünf Jahren bis heute mit rund dreissig Überraschungsaktionen beglückten. Meist werden die Glücksmomente mit versteckter Kamera verewigt. «Ich kriege jedesmal Gänsehaut, wenn ich an die einzelnen Aktionen und die Reaktionen der Betroffenen zurückdenke», sagt Vereinsgründer Stefan Pfister bewegt. Er steht bei den «Überfällen» auch immer an vorderster Front. Die Idee, Menschen mehr Wertschätzung entgegenzubringen, kam ihm 2016. «Wir gehen mit Wertschätzung allgemein sehr zurückhaltend um, der Alltag lässt sie uns leider oft vergessen. Dabei habe ich gemerkt, dass sie bei den Menschen sehr viel auslöst.»
«Es kann alle treffen»
Gleichzeitig wuchs in ihm die Leidenschaft für die versteckte Kamera, womit die Aktionen grösstenteils festgehalten werden. «Unser Ziel ist es, mit den Wertschätzungs-Aktionen andere Menschen zu inspirieren, der Anerkennung im Alltag wieder mehr Aufmerksamkeit zu verleihen. Worte des Lobes, kleinere Gesten reichen meist schon», sagt Stefan Pfister engagiert. Welche Berufsgruppe wird bei den Aktionen von Change Moments bevorzugt? Die Antwort von Stefan Pfister kommt mit Lichtgeschwindigkeit: «Wir kennen keine Grenzen. Jeder Mensch verdient es, Wertschätzung zu erhalten!» So fragten die Überraschungs-Exponenten von Change Moments beispielsweise Menschen auf einer Park-Bank, was sie denn lieber hätten, Pizza oder Salatteller. «Nannten sie Pizza, stellten wir einen Tisch vor ihnen auf und servierten Pizza», illustriert Stefan Pfister, «Sie sehen, es kann alle treffen.» Das Schwierigste sei stets, auf welche Art die verschiedensten Menschen überrascht werden könnten, erzählt Pfister. Der Überraschungseffekt müsse in jedem Fall zwingend vorhanden sein. «Wenn wir eine bestimmte Berufsgruppe im Visier haben, orientieren wir vorher den Arbeitgeber, ermahnen ihn aber, vorher nichts zu verraten.» Gab es auch schon Widerstände, werden doch die Arbeitnehmenden eine Weile von der Arbeit abgehalten? «Nein, mir ist bis jetzt kein einziger Fall bekannt», antwortet «Wertschätzer» Pfister. Im Gegenteil, einige Vorgesetzte nähmen die Idee dankbar auf und setzten sie in ihrem Unternehmen um – wenn auch in weniger spektakulärer Form. «Wir hatten sogar mal die Rückmeldung eines Ehemannes, der seiner Frau am folgenden Tag Blumen überreichte», lacht Stefan Pfister.
Einfach Zeit schenken
Nicht jedesmal ist eine Aktion mit Verpflegung verbunden, wenn auch diese Form sehr beliebt sei, wie Stefan Pfister erläutert. «In einem Berner Coiffeur-Salon bezahlten wir beispielsweise zum Voraus drei Coiffeur-Termine. Auf diese Weise erhielten die Mitarbeitenden freie Zeit. Wir holten sie dann mit der Stretch-Limousine ab und sie durften die Znüni-Pause in einem Restaurant verbringen». Aber auch an die Überraschungsaktion für die Lastwagenchauffeure erinnert sich Stefan Pfister gerne. «An einer Autobahn-Raststätte empfingen wir die ankommenden schweren Brummer mit einem grossen Banner mit der Aufschrift ‹Liebe LKW-Fahrer, ohne euch geht nichts!› Wir organisierten einen Koch, der auf dem Platz grillierte. Dann stellten wir einen weiss gedeckten Tisch auf und die Chauffeure tafelten gediegen ein währschaftes FleischMenü. Einer der Chauffeure habe sich nachträglich schriftlich bei Change Moments mit folgenden Worten bedankt: «Jetzt arbeite ich seit 30 Jahren im Beruf und noch nie sagte mir jemand ‹Merci›!» Worte, die nachdenklich stimmen… Finanziert werden die Aktionen durch Spenden. Am Anfang bezahlten die Freiwilligen von Change Moments alles aus der eigenen Tasche, hatten sie doch zu Beginn ihrer Tätigkeiten noch keinen Leistungsausweis vorzulegen. Das hat sich zwischenzeitlich aber geändert (siehe auch Videos auf der Website). Welche Menschen dürfen sich an der nächsten Aktion überraschen lassen? «Sie findet Mitte August statt», gibt sich Stefan Pfister zugeknöpft. Mehr ist ihm nicht zu entlocken. Verständlich, sonst wäre es ja auch keine Überraschung mehr.
Peter Widmer