Viel hat man von ihr in letzter Zeit nicht gehört. Seit Silvester, der Geburt ihres Sohnes, ist Sängerin Jaël hauptsächlich Mutter. Dem Bärnerbär erklärt die 38-Jährige, wie turbulent es in ihrem Leben derzeit zugeht.
Jaël, Sie haben erzählt, Sie hätten derzeit kaum eine ruhige Minute. Es scheint sehr anstrengend, Mutter zu sein.
Nun ja, wenn ich andere Babys sehe, merke ich, dass ich mit Eliah wohl nicht das einfachste Kind erwischt habe (lacht). Er ist schon ziemlich fordernd. Wobei mein Mann und ich eigentlich sehr relaxed sind, wir dachten uns: «Wir sind ja so unkompliziert, der Bub kann ja dann einfach ins Aufnahmestudio und an Konzerte mitkommen.» – So wie es auch geplant gewesen wäre. Und dann ist das Kind da, es nimmt keinen Nuggi, liegt in keinen Kinderwagen, muss immer herumgetragen und bespasst werden, schläft kaum, auch am Tag nicht. Das heisst, ich habe tagsüber keine Sekunde Pause. Ich kann mich nie hinlegen und zu Beginn war schon duschen oder kurz aufs WC gehen ein Problem … jetzt geht das zum Glück langsam besser …
Hoppla!
Tja, solche Kinder gibt es. Eliah ist ausserdem sehr sensibel: Wenn er denn mal schläft und plötzlich ein Hund bellt, ist er sofort wieder wach. All die Frauen, die ihr Kind irgendwohin mitnehmen und nebenbei plaudern und Kaffee trinken – das kann ich vergessen. Es ist nicht ganz so, wie man sich das vorgestellt hat. (lacht laut)
Da stellt sich unweigerlich die Frage: Wann haben Sie die letzte Nacht durchgeschlafen?
Durchgeschlafen habe ich bereits während der Schwangerschaft nicht mehr. Im Sommer war mir ausserdem noch zeitweise schlecht… sprich: Das muss etwa ein Jahr her sein.
Da überlegt man sich das mit dem Kinderkriegen doch nochmals!
Ich erzähle solche Geschichten meist nicht zu laut (lacht). Ich sehe es ja in meinem Rückbildungskurs-Grüpplein: Da machen die meisten Kinder, wenn sie müde werden, einfach die Äuglein zu. Nur einer schreit, bevor er einschläft, wenn er überhaupt schläft … und das wär dann meiner. (lacht)
Ein Kind stellt auch die Beziehung auf eine Belastungsprobe?
Auf jeden Fall, ja. Man hat viel weniger Zeit, sich miteinander auszutauschen. Wir sind ja aber doch schon 13 Jahre zusammen, ich habe bereits ein Jahr in London gewohnt, mein Mann ein halbes Jahr in Amsterdam. Gleichzeitig waren wir vier Monate lang in Südostasien backpacken, mein Job als Musikerin ist für jemand anderen sowieso nicht wahnsinnig einfach. Ich sehe es so: Entweder schweisst dich die Situation als Paar noch mehr zusammen oder es rupft dich auseinander. Klar denken wir manchmal: «Oh Gott, was haben wir uns da eingebrockt?» Und dann lächelt Eliah und ich spüre, hier ist gerade die grösste Liebe der Welt. (lacht)
Ehrliche Worte.
Ich denke, es wäre gelogen, wenn man behaupten würde, dass wir uns noch nie beim Gedanken erwischt hätten: «Haben wir uns das wirklich gut überlegt?» Denn es geht wirklich ans Lebendige. Früher sagten mir Eltern häufig, sie würden ihr Kind nie mehr hergeben. Und dann bin ich um 4 Uhr morgens todkaputt, mein Kind nuckelt zum siebten Mal an meinen wunden Brustwarzen, dann kannst du nicht mehr überzeugt sagen: «Ich würde ihn nicht mehr hergeben!» Da muss man auch einfach sich selber und seinem Partner mal ehrlich sagen dürfen: «Hey, jetzt nervt der Kleine grad extrem und bringt mich an meine Grenzen.»
Um sich auszutauschen.
Ja, es gibt Momente, da denke ich, dass ich noch nie in meinem Leben so stark an meine körperlichen und psychischen Grenzen gekommen bin. Es ist doch so: Wenn du kein Kind hast und Eltern erzählen dir, dass ihr Kind gerade zum ersten Mal eine Rassel in die Hand genommen hat, denkst du: «Ja, und? Bravo, er hat eine Rassel gehalten, toll!» (lacht) Jetzt weiss ich, was sie meinen. Es ist ja eigentlich ein Wunder, dieses kleine Wesen, das da in mir war, jetzt meine Muttermilch trinkt und wächst. Das zu beobachten, ist wahnsinnig faszinierend. Da ist es doch nebensächlich, ob ich meine Scheibe jetzt aufnehme oder später. Wenn ich dann andere Mütter höre, die ihr Kind dringend abstillen müssen, damit sie sofort wieder arbeiten gehen können, dann frage ich mich, ob sie mit dem Kinderkriegen nicht besser noch etwas zugewartet hätten.
Das ist nicht zuletzt eine finanzielle Frage. Ihr beide könnt euch das natürlich leisten.
Wir sind nicht reich (lacht). Und wir spüren schon, dass ich derzeit keine Jobangebote annehmen kann. Ich verdiene dieses Jahr praktisch nichts und mein Mann ist Grafiker und nicht Millionärssohn.
Der Tagesablauf ist also ziemlich durchorchestriert. Bleibt da überhaupt noch Zeit für eine Stunde Sport oder Ähnliches?
Am Mittwoch und am Wochenende habe ich eine Stunde Zeit, um im Fitness zu trainieren. Sonst bleibt nicht viel Freiraum übrig, weil Eliah abends nur einschläft, wenn ich nebendran liege. Manchmal stehe ich dann nochmals auf, bin aber schon im Pischi, trinke eine Tasse Tee, lese etwas oder klage meinem Mann mein Leid. (lacht) Fortgehen liegt nicht drin, aber ich hatte in meinem Leben so viel Ausgang, alleine durch meinen Job – ich vermisse das nicht so. Der Zeitpunkt hat in dem Sinn gepasst, noch vor fünf Jahren hätte mich das wohl viel mehr gestresst.
Gar kein Stress, alles easy?
Was mich stresst: Ich darf jetzt endlich am Montreux Jazz Festival singen, nach zwanzig Jahren auf der Bühne. Für mich der Ritterschlag. Bloss: Das Konzert fängt um viertel nach 9 an, mein Sohn schläft aber nur so zwischen 8 und halb 11 an meiner Brust ein. Milch abpumpen haben wir schon probiert, aber das nimmt er nicht. Ich hoffe, ich kriege es hin, dass er vorher einschläft, aber was wenn nicht, oder er wieder aufwacht? Wenn ich dann auf der Bühne stehe und befürchten muss, dass er im Backstage-Bereich zwei Stunden lang durchschreit, ist das nicht so lässig … Deshalb singe ich dieses Jahr nur drei Konzerte, die Studio-Session habe ich verschoben.
Ihr neues Album wäre parat?
Die Songs sind fertig, ja. Wir haben alles vorbereitet, bis Eliah zur Welt kam. Ich dachte: «Gut, ich bin dann drei Monate lang ‹Vollzeit-Mama›, mein neues Album erscheint und wir gehen auf Tour.» Nun ist es halt so, dass wir im Herbst/Winter tageweise im Studio sind und das Album halt ein Jahr später rauskommt. Wenn mir das beim ersten Album passiert wäre, hätte mich das wohl viel mehr «guslet». Aber mein Kind hat erste Priorität, meine Karriere fällt deswegen nicht in sich zusammen, ich hoffe, dass ich nicht so schnell in Vergessenheit gerate. (lacht)
Tatsächlich hat man schon seit Längerem nichts mehr von Ihnen gehört. Sie scheinen sich bewusst zurückgezogen zu haben.
Teils teils. Mittlerweile kann ich hier und da wieder ein Stündchen raus, vorher war ich aber doch ziemlich am Anschlag. Jetzt sollte es einfacher werden. Natürlich erhielt ich ein paar Anfragen, aber hauptsächlich auf das Kind bezogen. Und musikalisch hatte ich ja gar nicht viel zu erzählen.
Sie sind 38. Soll Eliah ein Einzelkind bleiben?
Huh, da wird mir gleich heiss. (lacht) Hmm…(überlegt lange) das weiss ich nicht so recht. Wir waren eigentlich immer der Meinung, dass eines reicht. Dadurch, dass er mich ziemlich fordert, habe ich sowieso nicht das Gefühl, dass ich jetzt gerade ein zweites möchte. Lustigerweise kann ich es mir aber doch besser als frü- her vorstellen, dass da vielleicht noch eins kommt. Und falls es bei Eliah bleibt, ist das auch gut. Ich dachte ja schliesslich lange, dass ich gar keine Kinder will.