
Meist nimmt man sie kaum wahr, so schnell flitzen sie an einem vorbei: Die rotgekleideten Velokuriere und Velokurierinnen vom Velokurier Bern. Franziska Mangold (30) ist eine von den roten Blitzen.
Immer wieder kommen während dem Gespräch mit dem Bärnerbär Velokuriere ins Hauptquartier des Berner Velokuriers am Dammweg 41 in der Lorraine. Sie beginnen ihre Schicht, essen Frühstück oder trinken schnell einen Kaffee zwischen zwei Touren. «Im Moment ist es aber sehr ruhig für unsere Verhältnisse, da Herbstferien sind», relativiert Franziska Mangold das rege Treiben in der Zentrale. Mangold (30), aufgewachsen in Solothurn, verheiratet, Mutter von einem Sohn (1), arbeitet seit drei Jahren als Velokurierin. «Nach der Schule habe ich eine Lehre als Schneiderin gemacht, danach die Meisterschule in München», beschreibt Mangold ihren Werdegang. Anschliessend habe sie zehn Jahre als Schneidermeisterin gearbeitet. Aber irgendwann habe sie gemerkt, dass sie dies nicht für immer machen kann und will. «Ich war schon immer gerne draussen unterwegs, das fehlte mir in meinem Job». Über einen Bekannten, der bereits als Velokurier arbeitete, sei sie hier gelandet. Nach einem Vorstellungsgespräch sei die Sache eigentlich klar gewesen – «Ja, das ist mein Traumjob», erinnert sich Mangold.
Zehn Stunden bei jedem Wetter unterwegs
An ihrer Arbeit schätze sie die frische Luft, die Unabhängigkeit und das absolute Freiheitsgefühl. «Als Velokurierin hat man eine ganz eigene Lebenseinstellung», so Mangold. Auch wenn die Schichten manchmal anstrengend sind, immerhin fahren die Kuriere und Kurierinnen bei jedem Wetter, zu jeder Jahreszeit und das täglich von sieben Uhr morgens bis neun Uhr abends. «Wer nicht einen Tag lang bei jedem Wetter mit dem Velo unterwegs sein kann, für den ist diese Arbeit nicht geeignet». Allen anderen kann Mangold ihren Job nur empfehlen. «Auch Frauen können genauso wie Männer Velokurierin sein», so Mangold. War ihr erster Job als Schneiderin eine Frauendomäne, so gibt es bei den Velokurieren einen höheren Männeranteil. «Aktuell sind wir 57 Kuriere, davon sind aber nur zehn Frauen», sagt Mangold und erklärt, wieso dieser Job auch für Frauen geeignet ist: Im Gegensatz zu vielen anderen Jobs gebe es bei ihnen Lohngleichheit und es herrsche eine sehr familiäre Atmosphäre. Die Velokurierszene in der Schweiz sei ganz allgemein gut vernetzt und man gehe sehr kollegial miteinander um, erzählt Mangold. Das sei etwas, was sie sehr schätze. Vor kurzem sei sie an der Velokurierschweizermeisterschaft gewesen. Teilgenommen habe sie dieses Jahr allerdings nicht. «Dafür wurde ich vor drei Jahren italienische Meisterin», sagt sie und lacht.
Die Liebe beim Velokurier gefunden
Mehrmals pro Woche ist Mangold für den Velokurier Bern unterwegs. Dabei hat sie schon einiges erlebt. «Vor kurzem etwa mussten wir für eine Kundin einen Koffer in Bern aus dem Zug holen, den sie vergessen hatte mitzunehmen, als sie in Lausanne ausstieg.» Anschliessend hätten sie den Koffer mit dem Zug wieder zurückgeschickt. Denn der Velokurier arbeitet nicht nur lokal in Bern – dank einer Zusammenarbeit mit Swissconnect und anderen Velokurieren können Pakete und Dokumente auch zwischen verschiedenen Städten mit dem Zug transportiert werden. Je nach Art der Sendung müssen die Velokuriere superschnell sein. Eillieferungen werden innerhalb von 29 Minuten abgeholt und ausgeliefert. Dabei sind sie schneller als jeder Autokurierdienst, unabhängig von Staus. Medizinische Notfälle oder eilige Dokumente bringen sie am schnellsten ans Ziel. Normale Sendungen werden innerhalb von 59 Minuten ausgeliefert. Was genau die Velokuriere dabei transportieren, weiss Mangold nicht. «Das wissen wir nur, wenn es darauf ankommt, wie wir damit umgehen müssen»
Neben ihrer Arbeit als Velokurierin kümmert sie sich mit viel Liebe um ihren einjährigen Sohn Finn. Wenn sie arbeitet, passt ihr Mann auf Finn auf, und umgekehrt. Nebst dem Velokurier arbeitet sie als selbständige Schneidermeisterin im eigenem Atelier. «Ganz aufgeben wollte ich meinen gelernten Beruf dann doch nicht». Als Velokurierin arbeiten will Mangold noch «solange ich kann». Und das sei hoffentlich noch sehr lange. Annina Häusli