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Vom Vater den Jazz und von Jimmy Page den Rock

Er ist erst 23 Jahre alt und zählt bereits zu den ganz grossen Gitarristen des Landes. Der Berner David Friedli spielt mit seiner Band am 44. Jazzfestival Bern während einer Woche auf der Zeltbühne.

Bern, Hotel Innere Enge – der Bärnerbär trifft Jimmy Page. Gemach, gemach, geschätzte Leserinnen und Leser, der Autor dieser Zeilen befindet sich nicht etwa im Rausch, obwohl dieser Zustand in jene Epoche, als der legendäre Led-Zeppelin-Gitarrist musikalisch durchstartete, durchaus passen würde. Doch im Folgenden geht es um David Friedli. Aber eben auch ein wenig um Jimmy Page. David Friedli wirkt wie aus der Zeit gefallen. Denn bei einem erst 23 Jahre jungen Mann erwartet man Rap statt Rock, Kurzhaar statt Hippiefrisur und eben: Bushido statt Page. «Ich hätte gerne in den 60er-Jahren in England gelebt und mit Eric Clapton, Jeff Beck und Jimmy Page zusammen Gitarre gespielt. Das war eine andere Zeit, in der vieles neu war. Heute ist es viel schwerer, etwas Neues zu entwickeln», sagt David Friedli.

Jimmy Page war Wegweiser
Doch er hat sich musikalisch entwickelt. Und wie! Friedli absolvierte das Gymnasium mit Schwerpunktfach Musik und vor zwei Jahren schloss er den Bachelor of Arts an der Hochschule der Künste Bern ab, mit Hauptfach E-Gitarre bei Dozent Tomas Sauter, einem genialen und vielseitigen Gitarristen und ModernJazz-Komponisten. Im September 2019 wird Friedli seinen Master in Composition & Theory am selben Ort abschliessen. Vor sieben Jahren gewann der damals 17-jährige den Förderpreis für junge Jazztalente der Swiss Jazz School Bern und mit knapp zwanzig komponierte er die Musik für den an den Jugendfilmtagen ausgezeichneten Film «Du bist raus» von David Oesch. Am Anfang seines musikalischen Weges steht die allererste CD, die sich David Friedli in seiner Kindheit bewusst angehört hat. Led Zeppelin, «Physical Graffiti» – die CD wurde Friedlis Wegweiser. Vom Spiel des obgenannten Leadgitarristen Jimmy Page war er vom ersten Ton an fasziniert.

Berner Rocker der anderen Art
Bald darauf wollte der kleine David Gitarre erlernen, zuerst klassisch auf Nylonsaiten, doch «da war ich eine Niete», so Friedli. Deshalb galt seine Leidenschaft schon früh der Stahlsaiten-«Klampfe». «Eigentlich habe ich die meiste Zeit damit verbracht, autodidaktisch meinen Heroes wie Page oder Hendrix abzuschauen und nachzuspielen», meint Friedli. Sein Top-Held hätte daran alle Freude gehabt: «Ich dachte immer, das Gute am Gitarrespielen ist, dass sie es uns in der Schule nicht gelernt haben», erinnerte sich Jimmy Page in einem Interview an seine Jugendzeit. Heute gleicht David Friedli dem jungen Jimmy Page aufs Haar, im wahrsten Sinne des Wortes, und wer Musikerkollegen fragt, bekommt zu hören, dass Friedlis Gitarrenspiel ebenso genial sei wie jenes seines Vorbildes. Und er ist gefragt: Am kommenden 44. Jazzfestival Bern spielt Friedli eine Woche lang jeden Abend im Zelt in der Inneren Enge mit seiner Band Forlorn Elm, die Arno Troxler in den höchsten Tönen lobte: «Berner Rock der anderen Art: instrumental, vielseitig und jenseits von Trends. Das Trio hat das Händchen für eine Musik, die sich vieler Quellen bedient und so eingängig wie eigenständig den Weg ins Ohr findet», sagte der Schweizer Jazzpapst und Organisator des Jazzfestival Willisau.

«Ich hätte gerne in den 60er-Jahren gelebt und mit Jimmy Page und Co. Gitarre gespielt.»

Vater ist JazzPianist
Im Jazz liegt David Friedlis genetischer Ursprung. Sein Vater ist der Berner Anwalt und Pianist Peter «Pesche» Friedli, den der Sohnemann im höchsten Masse bewundert: «Ich finde, dass mein Vater der bessere Musiker ist als ich, in Anbetracht der Tatsache, dass er hauptberuflich auf ganz andere Art sein Geld verdient und trotzdem so toll spielt», sagt David Friedli, der froh darüber ist, dass er selber von der Musik leben kann, wenn auch nicht fürstlich: «Als Musiker isst man manchmal hartes und manchmal weiches Brot.» David Friedli ist stets motiviert, Neues auszuprobieren. Das macht er mit seiner zweiten ständigen eigenen Band DUS. Zusammen mit dem Bündner Sänger Gino Carigiet arrangiert er Bündner Volkslieder neu, komponiert von der Natur inspirierte Songs und produziert Pophits, welche in die rätoromanische Sprache übersetzt werden. So wurde DUS mit der rätoromanischen Version des Lo & Leduc-Knüllers «079» national bekannt. Zurzeit spielt Friedli zwei neue Alben ein, hinzu kommen Gastauftritte (u.a. in Barcelona) und Projekte mit Django Bates, Jessanna sowie Frost & Fog. David Friedlis Agenda hat kaum weisse Flecken. «Berufsmusiker müssen einen langen Atem haben», betont er. Sollte dieser lange Atem einmal nicht über eine musikalische Durststrecke oder Krise hinweghelfen, kann sich David Friedli an die erste CD seiner Kindheit halten. Denn wie sagte doch Jimmy Page: «Wann immer ich mich wirklich deprimiert fühlte, fing ich einfach an, alle meine alten Platten, die ich als Kind gespielt habe, aufzulegen. Die Musik ist das Einzige, die für mich immer da war. Sie hat mich nicht im Stich gelassen.»

Matthias Mast

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