Seit gut zwei Wochen findet das Leben fast ausschliesslich zuhause statt. Kein Ausgang, kein Drink in der Bar und kein Kino. Single-Frau Nathalie (28) erzählt, wie sich das Dating in Zeiten der Isolation verändert.

Von einem Tag auf den anderen ist alles anders. Kein Fübi mit Freunden, kein Yoga nach der Arbeit und kein Ausgang am Wochenende. Gerade für Singles kann der plötzliche Entzug sozialer Kontakte frustrierend sein. Nathalie ist 28, seit einem Jahr Single und lebt in einer Zweizimmerwohnung im Breitenrain. Sie liebt es, Leute kennenzulernen, die Nacht durchzutanzen und mit Freunden Spass zu haben. «Seit gut zwei Wochen habe ich kaum Kontakt zu Menschen, ich arbeite zuhause und sehe meine Freunde nur über Facetime – da kann einem schon die Decke auf den Kopf fallen», sagt die Bernerin. Aber nicht nur die Freunde fehlen ihr, auch das Kennenlernen von anderen Singles, das Flirten, die Vorfreude, während man sich für ein erstes Date zurecht macht. «Der Shutdown bedeutet für uns Singles auch, dass wir keine neuen Leute kennenlernen können, das Dating steht ganz plötzlich still.» Die ersten Tage in Isolation waren noch aufregend: Brot backen, Fotoalben der letzten Ferien gestalten oder das Buch lesen, das schon seit Jahren ungelesen im Regal steht. Nach ein paar Tagen ist aber auch bei Nathalie die Langeweile eingezogen: «Irgendwann hat man einfach keine Lust mehr auf das Alleinsein.»

«Das ist irgendwie aufregend»
Dass das Leben auch ohne physischen Kontakt funktioniert, haben wir in Bern in den letzten zwei Wochen gesehen. Internet sei Dank finden Meetings und Spieleabende plötzlich virtuell statt. Das Essen vom Lieblings – Asiaten wird jetzt nach Hause geliefert und das Bier von der lokalen Brauerei bestellen wir online. Wieso also nicht auch im virtuellen Raum Leute kennenlernen und sich online daten? «Früher war Online-Dating für mich nie eine Option, aber wenn das Kennenlernen von Leuten in der realen Welt nicht mehr geht, ist das eine super Alternative.» Das Bedürfnis, Männer kennenzulernen und zu flirten, hat Nathalie auch während des Lockdowns. Also hat sich die Bernerin auf der Casual-Dating-Plattform thecasuallounge.ch ein Profil erstellt. «Ich war gespannt, wie das wird, aber die ersten virtuellen Flirtversuche sind ganz gut gelaufen», schmunzelt die Blondine. «Eigentlich ist es wie in der Offline-Welt: Man spricht sich an, plaudert, flirtet und merkt schnell, ob man sich sympathisch ist oder nicht.» Auf der Plattform werden einem passende Profile vorgeschlagen, chatten kann man nur, wenn das beide wollen. Und nach den ersten Online-Dating-Versuchen hat Nathalie sogar bereits Vorteile gegenüber dem physischen Dating festgestellt: «Irgendwie ist es spannend, wenn man sich über längere Zeit kennenlernen kann, es ist aufregend und man stellt sich vor, wie das erste richtige Date aussehen wird.» Auch für Sexualität gibt es beim Online-Dating viel Raum. «Mit einem meiner Dates habe ich mich super verstanden. Irgendwann kam dann das Thema Sex auf und wir haben uns über Fantasien ausgetauscht – so kann Intimität auch aufregend sein.»

Nachfrage im Online-Dating gestiegen
Dass Nathalie nicht alleine ist mit dem Bedürfnis, trotz Social Distancing Leute kennenzulernen, bestätigt Heinz Laumann, Gründer der Online-Dating-Plattform TheCasualLounge: «Wir beobachten derzeit einen enormen Zuwachs an weiblichen Usern auf unserer Plattform. Sie suchen zwischen Job, Homeschooling und Haushalt etwas Abwechslung und können so trotz räumlicher Isolation Männer kennenlernen und Dates für die Zukunft planen – quasi Safe Dating.» Auch Sexualität könne digital ausgelebt werden, ist Laumann überzeugt: «Dafür muss man sich nicht treffen, das kann auch mit Telefonsex, erotischen Chats oder dem Austausch von Bildern aufregend sein». Obwohl Online-Flirten Spass macht und eine willkommene Abwechslung im aktuellen Alltag ist, freut sich Nathalie auf die Rückkehr zur Normalität: «Ich bin froh, dass gerade in dieser Zeit dank dem Internet so viel möglich ist und ich interessante Männer kennenlernen kann, aber ich freue mich auch auf den Moment, wo ich meine neuen Bekanntschaften physisch kennenlernen kann.»

Annina Steffen