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Vor der Kamera statt auf der Kanzel

Der Berner Pfarrer Ruedi Heim gehört zum neuen Team des Worts zum Sonntag. In maximal vier Sendeminuten möchte er die Menschen zünftig inspirieren und zum Nachdenken bringen – eine Herausforderung.

Diesen Freitag wird Ruedi Heim nervös im Zug nach Zürich sitzen. «Kurz vor dem Leutschenbach und in der Maske werde ich wahrscheinlich unendlich aufgeregt sein», sagt der katholische Priester und lacht. Diese Woche kommt der Pfarrer der Berner Pfarreien St. Antonius und St. Mauritius zu seinem ersten Einsatz als Sprecher beim Wort zum Sonntag (Ausstrahlung 19.11.). Seinen Wirkort in der Kirche kurz mal gegen das TV-Studio zu tauschen, ist für den Domherrn des Standes Bern eine spannende Erfahrung. «Bei einer Predigt nutze ich viel meine Gestik. Ich spüre das Feed-back der Gemeinde, merke, wenn einer die Stirn runzelt, gleich abhängt oder es gerade spannend findet. Im Studio fehlen mir diese Reaktionen.»

Die Casting-Einladung hatte ihn im Februar beim Skifahren glatt überrumpelt: «Ich sass auf dem Sessellift, als der Anruf reinkam.» Heim schmunzelt. Er rechnete sich keine grossen Chancen aus, doch Runde um Runde kam der erfahrene Theologe weiter. Er überzeugte mit seiner Redegewandtheit und Präsenz, aber auch einer gewissen Lockerheit. Im Sommer war das Team gefunden. Die Zusammensetzung bildet die konfessionellen Verhältnisse ab – jeweils zwei Personen aus der reformierten und aus der römisch-katholischen Kirche, ein Christkatholik – und trägt einer Verjüngung Rechnung. «Ich
bin nun der Älteste im Team», gibt Heim zu. Im September paukte man dann drei Tage intensiv an Auftrittskompetenz. Denn in maximal vier Minuten eine Botschaft rüberzubringen ist laut Heim ziemlich anspruchsvoll.

Kirche im Wandel der Zeit
Die Sendung läuft seit 1954 im Programm. Ist sie noch zeitgemäss? «Wenn ich die Einschaltquoten höre, dann absolut», sagt Heim selbst ein wenig überrascht. Über 300 000 Menschen schalten gezielt ein, weitere schauen im SRF Player.

In Heims Grundbotschaft ist es ihm wichtig zu betonen, dass alle Menschen gleich an Würde und Wert sind, in jedem Alter. «Und das Paradies können wir uns nicht selbst schaffen, es ist ein Geschenk.» Das gilt zeitlos, auch wenn die Kirche im Wandel begriffen ist. Wie kann sie denn wieder attraktiver werden? Heim überlegt kurz. «Wenn sie ihre Kernbotschaften vermitteln kann. Wir müssen eine Sprache finden, die verstanden wird.» Kirche darf weder ein Museum noch eine gemeinnützige Organisation werden, die sich zu Aktuellem äussert. «Dann bräuchten wir sie nicht mehr.» Ökologie, Bildung, Gesundheitswesen – hier könnte die Kirche viel beitragen, denkt Heim. Als einer der 18 Domherren des Bistums Basel ist es auch seine Aufgabe, mit der Politik in Dialog zu treten.

Heim macht seinen Job mit Leidenschaft, da überrascht es, dass Priester zu werden nicht sein erster Plan war. Der junge Thurgauer versuchte sich zunächst in einem Medizinstudium, erfolglos. «Dann war die Frage, ob ich weiterstudiere. Ich ging für Theologie nach Fribourg. Meine Eltern haben mich immer unterstützt.» Anschliessend eröffnete ihm sein fünfjähriges Studium in Rom einen neuen und weiteren Horizont. «Ich machte zum ersten Mal die Erfahrung, wie es ist, ein Ausländer zu sein. Ich lernte, dass meine vielleicht verwöhnte Schweizer Sicht der Dinge nicht alles ist. In Rom kommt die Welt zusammen.» Diese Zeit prägte ihn sehr. 1997 wurde er in Rom zum Priester geweiht. Später war Heim Bischofsvikar, seit 2018 ist er Leitender Priester des Pastoralraums Region Bern.

Viel Arbeit, wenig Freizeit. Wenn er mal nicht im Dienst ist, vertieft sich der Pfarrer gern in Bücher: Biografien, Romane, Historisches – er verschlingt alles. «Und ich mag es, stundenlang mit meinen Freunden zu plaudern, gerne auch bei einem Bier.»

Michèle Graf

Ruedi Heim (54) stammt aus Oberwil TG, wohnt in Bümpliz und ist römisch-katholischer Pfarrer. Ausserdem arbeitet er als
Armeeseelsorger und wird ab sofort ca. einmal pro Monat im SRF das Wort zum Sonntag sprechen.

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