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Warum er sich die «Kugel» geben würde

Musiker, Stadtführer und Fasnächtler: Ohne Marc «Cuco» Dietrich wäre die Stadt um eine Attraktion ärmer. Mit seiner Bern­begeisterung steckt er auch andere an.

«Also früher, wenn man durch diese Gassen hier spaziert ist, sagte man: ‹Mir gö ga rohre.› Denn die Spittel-, Markt-, Kram- und Gerechtigkeitsgasse wurden ‹das Rohr› genannt.» Geschichten davon, wie Bern früher war und heute ist, könnte Kultberner Marcel «Cuco» Dietrich stundenlang erzählen. Der weithin bekannte Musiker und Beizer legt gleich ein Kuriosum aus den 60ern nach: «Am Loeb-Egge ging noch der komplette Verkehr durch, gestern wie heute ein Treffpunkt für ganz Bern. Dort gab es einen Pfeiler mit einem Telefon ohne Wählscheibe. Man konnte nur anrufen und irgend jemand nahm ab. Der schrie dann über den Platz: ‹Isch d’Hirzbrunner Trixle da?› – ‹Ja!› – ‹Di Alt chunnt de e halb Stund später.›»

Dietrich ist ein Anekdoten-Füllhorn, setzt schon zur nächsten Story an. Doch dann unterbricht er selbst: «Also, ich will aber nicht von der Vergangenheit reden. Ich bin schon noch von heute. Früher war nicht alles besser.» Zwar seien die Leute loyal gegenüber ihrem Arbeitgeber gewesen, lebten traditionelle Werte stärker. Aber er geniesse es auch, dass Bern offener und diverser geworden ist. Das freiere Leben kommt dem Tausendsassa entgegen. Um aufzuzählen, was er alles im Leben gemacht habe, bräuchte er sieben Stunden, schätzt Dietrich und lacht wieder.

Von Tiefschlägen und etlichen Engagements
Die Kurzfassung: Als Sohn einer Neuenburgerin und eines Oberländers wuchs er in Liebefeld und Köniz bilingue auf. Er spricht die Berner Mundart genauso geschmeidig wie «le français». In seiner geliebten Heimatstadt hat er 1968 seine Musikkarriere als Teil der Band Peter, Sue & Marc gestartet, danach besass er eine Weinhandlung («Eine gute Idee, aber kam leider nicht gut»), machte Karriere bei DRS1 und Radio Basilik, war für Sicherheit bei einer Bank zuständig, versuchte sich in Immobilienverwaltung. Einige Projekte scheiterten. Zeitweise war Dietrich gar arbeitslos.

Das Berner Original nimmt diese Tiefschläge heute mit Humor: «Ich habe immer viele Ideen. Man sagt ja, dass von zehn eine Erfolg haben wird. Und so ist es auch.» Seit 2012 ist er als Musicaldarsteller gefragt. Alles begann mit der Rolle eines «Stammtischkollegen und Säufers» in «Alperose». Etliche Engagements, die ihm auf den Leib geschrieben waren, folgten.

Ein weiterer Erfolg ist auch seine «Zunft zur füfte Jahreszyt», deren Altstadtkeller das Herzstück der Bärner Fasnacht ist. Seit der Wiederbelebung in den 80ern ist Dietrich begeistert dabei, gründete auch eine Guggenmusik. «Fasnacht ist ein Virus, den hat man oder nicht. Fasnacht kann man nicht lernen.» Monatlich gibt es hier im «Fasnachtschäller» Konzerte, wöchentlich Apéros. Er deutet an die Wand voller Plakate und Erinnerungsstücke. «Es läuft einfach ‹huere› schön», resümiert Dietrich seine heutige Situation. Er macht ganz schön viele Jobs für einen, der sich auf seinen Visitenkarten als eidgenössisch-diplomierter Pensionär vorstellt. Dieses Jahr wird Dietrich 75 Jahre «jung». Dem Dreivierteljahrhundert sieht er gelassen entgegen. Eine kleine Party mit Freunden, mehr schwebt ihm nicht vor.

Bern verlassen, um an einem anderen Ort zu leben? Vehementes Kopfschütteln: «Wenn ich hier wegziehen müsste, gäbe ich mir die Kugel», zwinkert Dietrich. «Also, die Rocher-Kugel.» Was genau ihn zum Berner Original macht, sollen seiner Meinung nach die anderen bestimmen. Er beugt sich vor und raunt: «Ich sehe mich als relativ normal, aber mit Hang zum Spinnen.» Gag platziert, alles lacht.

Wegwerfen ist ein No-Go
Die gute Laune vergeht dem Original einzig beim Thema Littering. «Ich störe mich an der Gesellschaft, die alles wegwirft. Manche Leute sind wohl mit dem Schnellzug durch die Kinderstube gerast. Dosen und Papierli einfach auf den Boden schiessen, das ist ein No-Go!» Anstatt darüber zu lamentieren, wurde er 2005 kurzum aktiv. Ausgestattet mit Greifzange und Warnweste mit der Aufschrift «Cuco für es subers Bärn» ging er in den Gassen Müll sammeln, kam mit Passanten ins Gespräch. Als Anerkennung gab ihm das Tiefbauamt der Stadt gar einen befristeten Arbeitsvertrag.

Wer so um den Erhalt seiner Heimat bedacht ist, ist auch ein guter Botschafter. Seit zehn Jahren arbeitet Dietrich als Stadtführer und zeigt Berns Wahrzeichen. Besondere Freude hat er aber an unbekannteren Bijous. «Ich gehe mit den Leuten auch zur ‹Spysi› oder ‹Zum Äusseren Stand›. Das Haus ist nicht nur für Bern, sondern für die ganze Schweiz bedeutsam. 1848 wurde dort die Bundesverfassung aufgesetzt, es wurde im Haus auch der Ständerat gewählt.» Die Altstadt ist sein Berner Lieblingsort. «Aber auch in den anderen Quartieren gibt es wunderschöne ‹Eggeli›. Berns Stadtbild ist wunderbar rustikal und dazu müssen wir Sorge tragen, sonst geht alles den Bach runter», findet er. Ein perfekter Tag in der Bärenstadt beginnt für ihn mit «Uspfuuse» und dann «Käfele» im Pyri am Kornhausplatz. Dann ein bisschen einkaufen und ein gespritzter Rosé zu Mittag, danach geht’s in den Zunft-Keller, um etwas vorzubereiten. Und zum Znacht? Mit Suure Mocke und Bärner Platte könne man ihn kriegen. Seine geliebte Ehefrau Trixi kocht ihm auch «Härdöpfustock» mit Fleischkügeli. «Farblich langweilig ‹wi ne More›, aber ‹huere guet›.»

Michèle Graf

PERSÖNLICH

Marcel «Cuco» Dietrich wurde am 26.9.1948 in Bern geboren, sein Heimatort ist Leissigen. Er wohnt mit seiner Frau in der Nähe des Kursaals. Cuco Dietrich hatte als Teil des Trios Peter, Sue und Marc zahlreiche Musikhits. Sein Sohn Bruno macht ebenfalls Musik.

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