Sommer, Sonne, Aarebaden: Für die meisten Bernerinnen und Berner gehört das kühle Bad im Fluss einfach dazu. Doch das Gewässer birgt Gefahren. Wie man diese klug umschifft, erklärt Thomas Wälti von der SLRG.
«Aber ein paar Minuten können wir noch ins Wasser, oder?» Die Badenden am Ufer der Aare sind verwundert, als sie an ihrer Lieblingsstelle Thomas Wälti treffen. Sein Revers mit dem Abzeichen weist ihn als Mitglied der Schweizerischen Lebensrettungs-Gesellschaft SLRG aus. Zugegeben, ideal ist das Badewetter an diesem Abend nicht; ein Gewitter zieht auf. Wälti lächelt dennoch und scherzt mit den Leuten: «Wir vom SLRG sind ja für Badeverbot in allen Flüssen und Seen.» Natürlich nicht, würde das den passionierten Schwimmer selbst auch hart treffen. Als waschechter Berner liebt er das Gefühl, in der erfrischenden Aare zu treiben. «Am liebsten gehe ich beim Marzili ins Wasser.»
Schwimmhilfen sind nicht generell schlecht, aber …
Seit 22 Jahren engagiert Wälti sich bei der SLRG, der Organisation, die sich für Sicherheit am, im und auf dem Wasser einsetzt. Er absolvierte schon als Jugendlicher verschiedene Kurse, lernte unter anderem, wie man Menschen im Wasser rettet, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen, nahm an Rettungsschwimmer-Wettkämpfen teil. Obwohl das Wasser sein Element ist, nimmt er das Schwimmen in Flüssen und Seen nicht auf die leichte Schulter: «Das Wasser ist uns Menschen nicht so wohlgesinnt.»
Trotz aller Präventionskampagnen und Schutzmassnahmen ertrinken jährlich etwa 46 Menschen in der Schweiz. Am meisten Unfälle passieren im Alter von 25 bis 44 Jahren, in Seen und Flüsse etwa gleich viele. «2022 war das Wetter schon im Frühsommer sehr heiss, so dass es viele an und in die Gewässer zog. Leider gab es so schon einige Todesfälle», weiss Wälti. «Wir vom SLRG sagen immer, in ein Fliessgewässer gehören nur gute und geübte Schwimmer. Denn die Aare hat Kraft.» Wer nicht über das nötige Wissen und die notwendige Vorbereitung verfügt, kann in Gefahr geraten. Für den sicheren Aareschwumm existieren einfache Verhaltensregeln (siehe Infokasten). Ausserdem rät Wälti dazu, nur die Strecken zu schwimmen, die man kennt und vorher Schwimmverbote zu checken. «Nicht einfach blindlinks reinstürzen.» Wenn die Aare trüb ist, kann viel Schwemmholz darin sein, das birgt Verletzungsrisiken.
Schwimmhilfen lehnt er nicht generell ab, sagt jedoch: «Sie gehören nicht ins tiefe Wasser, denn sie sind nicht sicher.» Ein Kind mit Schwimmflügel in die Aare zu lassen, wäre also hochriskant. «Kleine Kinder ertrinken in der Regel lautlos. Und sehr schnell, in etwa zehn bis 20 Sekunden», weiss der Experte. Wann der Nachwuchs für das erste
Bad im Fluss bereit ist, müssen Eltern anhand der Fähigkeiten abschätzen können. Der SLRG bietet in seinen Jugendbrevetkursen auch ein begleitetes Aareschwimmen an. Andere Kurse sind für Lehrpersonen und allgemein Interessierte gedacht. Das Ziel der SLRG: jeder Schwimmer – ein Rettungsschwimmer.
Das Wichtigste: Nur ja nicht in Panik geraten!
Doch was ist zu tun, wenn man unerwartet einen Krampf im Wasser bekommt? «Als Erstes sollte man auf jeden Fall versuchen, sich bemerkbar zu machen, sobald man merkt, dass man sich nicht mehr selbstständig über Wasser halten kann oder nicht mehr ans Ufer kommt.» Vor allem sei es wichtig, das früh genug und ohne falsche Scheu zu tun. «Sonst ist es irgendwann zu spät.» Nicht in Panik zu geraten, sei immer das Wichtigste.
Ob beim Bad im See oder im Fluss: Sich und die eigenen Fähigkeiten und Grenzen einschätzen zu können, ist laut Wälti elementar. «Hätte ich zur Not genug Kraft in den Armen, mich auch so ans Ufer bringen zu können? Und im See muss ich bedenken: Schwimme ich 100 Meter raus, muss ich die auch wieder zurückschaffen.» Gerade wenn der Körper auskühlt, können Muskeln verkrampfen, die Schwimmbewegung fällt schwerer. Deshalb rät Wälti bei Wassertemperaturen unter 15 Grad zu einer einfachen Faustregel: Pro Gradanzahl höchstens eine Minute Badezeit. «Natürlich gibt es Menschen, die darin trainiert sind. Doch der Körper kühlt im Wasser viermal schneller aus als an der Luft.»
Auch Wälti hat schon Menschen in Notsituationen gerettet, kurz vorm Ertrinken waren sie dabei allerdings nie. «Durch die Ausbildung sind wir geschult darin, Gefahren und jemanden in Not rechtzeitig zu erkennen. Ich weiss, wie und wann ich helfen muss.» Er erinnert sich zum Beispiel an Einsätze während des Gigathlons vor ein paar Jahren. «Es gab Athleten, die im Fluss kurzzeitig überfordert waren und in Panik die Orientierung verloren. Wir waren an verschiedenen Posten positioniert und konnten dann schnell Hilfe leisten.» Bei solchen Grossevents wird der SRLG oft um Hilfe bei der Streckensicherung gebeten, ebenso beispielsweise beim Marzili-Movie.
Neben den Baderegeln gibt die SLRG auch Flussregeln fürs Aareböötlen heraus. Wälti ist froh, dass hier die Regeln gesetzlich verschärft wurden. Man muss Rettungswesten nun mitführen. «Wir würden es natürlich begrüssen, wenn die Menschen sie auch tragen. Passieren kann immer was. Ob durch Überhitzung, Paddel an den Kopf bekommen oder das Boot kippt unerwartet.» Wem die Weste zu heiss ist, kann auch die Modelle ausprobieren, die sich beim Sturz ins Wasser durch Gas aufblasen. Dann steht dem Aarevergnügen wirklich nichts mehr im Wege.
Michèle Graf