Sie ist seit bald einem Jahr im Amt. Dem Bärnerbär verrät Evi Allemann (40), wie streng es ist, Regierungsrätin zu sein und ob sie ihre Kinder an Klimademos schicken würde.

Sie sind nun seit fast einem Jahr Mitglied des Berner Regierungsrats. Fägts?
«Fäge» ist vielleicht etwas salopp, aber ja, ich erfülle diese Aufgabe sehr gerne.

Konkret?
Es ist ein politisch hochspannendes Amt. Auf der einen Seite tragen wir als Regierungsratsgremium Verantwortung für den Kanton Bern und sind gemeinsam gefordert, unseren Kanton in einem nicht einfachen Umfeld vorwärtszubringen. Auf der anderen Seite trage ich Verantwortung für meine Direktion. Auch hier stellen sich sehr spannende Fragen, die es zusammen mit meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu lösen gilt. Ich gehe jeden Mittwochmorgen gerne in die Regierungssitzung, was einiges über unser zwischenmenschlich gutes Klima aussagt.

Was ist denn nun «besser»: ihre frühere Tätigkeit als Nationalrätin oder die jetzige Funktion?
Die beiden Aufgaben lassen sich nicht direkt vergleichen. Ich habe den Nationalrat auch mit einem weinenden Auge verlassen. Manchmal vermisse ich das parlamentarische Arbeiten. Dafür war ich thematisch viel eingegrenzter, nun habe ich mehr Spielraum und trage direkt Verantwortung. Ich darf mit sehr guten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zusammenarbeiten, darf sie führen und habe Gelegenheit, meine Anliegen und meinen Stil in die Direktion einzubringen.

Zu Beginn hiess es: Die Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion ist die unbeliebteste von allen. Und jemand wie Evi Allemann mag sowas schon gar nicht.
Wirklich? (lacht) Im Gegenteil, ich liebe es hier. Diese Direktion ist unglaublich vielfältig. In allen Bereichen stellen sich sehr interessante Aufgaben. Von Kirchenfragen bis zur Raumplanung, die inhaltlich an das anknüpft, womit ich mich vorher auf nationaler Ebene beschäftigt habe, nämlich die Siedlungs- und Verkehrspolitik.

Und sonst?
Soziale Themen im Amt für Sozialversicherungen, im Jugendamt oder bei den KESB. Stichwort: Prämienverbilligungen, Kindesschutzmassnahmen. Zukunftsfragen also. Dazu kommen der Link zur inzwischen unabhängigen Justiz oder Dienstleistungen für Wirtschaft und Gesellschaft, welche etwa im Handelsregisteramt oder in den Grundbuchämtern erbracht werden.

Ihr grösster Erfolg und Ihre grösste Niederlage als SP-Regierungsrätin?
Aktuell ist mein grösster Erfolg sicherlich die Prämienverbilligungen für Familien: 30 Millionen Franken jährlich ab 2021 – an diese Aufstockung hätte ich vor drei Monaten selber noch nicht geglaubt. Ein grosser Erfolg, den aber der Gesamtregierungsrat trägt und nicht ich alleine zu verantworten habe.

Nochmals: keine grössere Niederlage erlitten?
Bislang nicht, aber warten wirs ab! Ich bin erst seit etwas mehr als zehn Monaten im Amt. Die Situation, dass der Grosse Rat in einem Geschäft in eine ganz andere Richtung gehen möchte als ich, wird früh genug eintreffen (lacht).

Ihre Arbeitstage dürften seit dem Sommer länger geworden sein. Früher Teil eines Milizsystems, sind Sie jetzt Berufspolitikerin einer Exekutive.
Ja, die Tage sind intensiver geworden. Dennoch gehe ich morgens meist erst zwischen 7 und 8 Uhr aus dem Haus, denn ich möchte vorher noch meine beiden Kinder sehen. Abends verbringe ich häufig Zeit beim Znacht mit ihnen. Aber es kommt oft vor, dass ich nochmals ins Büro gehe, wenn sie schlafen.

«Ich muss die Freizeit bewusst planen. Einfach so plötzlich frei hat man nie.»

Schlafen Sie genug?
Ja! Meistens sogar gut. Ich kann mich örtlich gut abgrenzen, weil ich meine Regierungsakten im Büro habe. Ich trenne ziemlich klar zwischen meiner politischen Tätigkeit und den Kindern zu Hause.

Also alles im Lot, gerade was die vielzitierte Work-Life-Balance anbetrifft?
Ja … (zögert) … wobei Sie merken, dass ich das nicht mit grosser Überzeugung sage. Ich muss die Freizeitoasen bewusst planen – einfach so plötzlich frei hat man nie. Es geht darum, bewusst loslassen zu können. Zum Glück habe ich keinen Kontrollfimmel (lacht). Insgesamt will ich aber überhaupt nicht jammern.

Sie haben für Ihren Kaffee im Büro einen Milchschäumer anschaffen lassen. Woran sieht man sonst noch, dass Evi Allemann hier ihres Amtes waltet?
Ein angenehmes Arbeitsklima hat auf die Arbeitsqualität einen grossen Einfluss – dazu gehören auch kleine Dinge wie guter Kaffee oder warmes Licht. Meine Türe steht meistens offen. Ausserdem probiere ich, Probleme sofort anzusprechen, wenn sie auftauchen. Und: Ich suche den Dialog mit Direktbetroffenen – sei das die Bevölkerung oder Behördenvertreter.

Apropos: Würden Sie Ihre Kinder an die Klimademos schicken, wenn sie ein wenig älter wären?
Wenn sie sich dereinst politisch engagieren, würde mich das sehr freuen und stolz machen. Ich dränge aber nicht, das muss aus eigenem Antrieb passieren. Wofür sie sich engagieren, wird aber ihr alleiniger Entscheid sein.

Die Kinder werden also nicht enterbt, falls Sie mal der FDP beitreten?
Sicher nicht (lacht). Hauptsache, sie würden sich in einer Partei engagieren, die für eine liberale und offene Gesellschaft und einen funktionierenden Rechtsstaat steht. Davon gibts zum Glück mehrere.

Yves Schott