Für ihn war es ein spannendes Jahr: Regierungsratspräsident, Wechsel des Departements. Christoph Neuhaus über Mut, den Klimawandel und Grunzkühe.
Christoph Neuhaus: Daumen rauf oder runter fürs Jahr 2018?
Daumen rauf, ganz klar. Ich habe vielleicht nicht gerade Luftsprünge gemacht, habe aber in der Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion sehr gute 200 Tage als Regierungsratspräsident hinter mir, auch wenn das Amt sehr anspruchsvoll ist. Immerhin sind ja bald Ferien.
Sie beklagen sich also kaum.
Es nützt ja nichts. Ich bekomme sowieso kein Mitleid. Abgesehen davon lautet der neue Volkssport ja: «Lerne klagen ohne zu leiden». Da muss ich widerstehen: Ich kann ja nicht allen sagen, stets positiv zu bleiben, selbst breche ich beim ersten Gegenwind jedoch in Tränen aus.
Was bedeutet Ihnen der Titel des Regierungsratspräsidenten eigentlich?
Eine Alterserscheinung. Man muss eine bestimmte Zeit lang in diesem Amt verbracht und fast allen anderen gedient haben – dann rutscht man automatisch nach. Ganz generell ist die Teambildung spannend, um den Kanton Bern weiterzubringen. Wir diskutieren konstruktiv und «fighten» ab und zu, wobei mir aufgefallen ist, dass die grossen politischen Schlachten auf den Feldern der Vernehmlassungen geschlagen werden.
Sind Sie als Präsident auch der Chef?
Eine Frage, die die Medien immer gerne stellen, ich grinse dann jeweils auf den Stockzähnen (lacht). Wir bilden ein Kollektiv, niemand gibt besonders häufig den Tarif durch oder schweigt sechs Sitzungen lang.
Ein gewisses Selbstbewusstsein ist bei Mitgliedern einer Exekutive doch sehr wohl vorhanden?
Ja, natürlich, man muss medioker sein und wissen, was man will. Der Kanton Bern wird aber nicht von einer Einzelperson vorwärts gezogen. Wer besonders hoch springt, fällt danach umso tiefer. Wir kommen nur zu siebt, also gemeinsam vorwärts.
Wie ist die Stimmung im Gremium?
Gut, wirklich. Natürlich haben wir ab und zu Differenzen, aber insgesamt sind das alles tolle, motivierte Leute mit ihren unterschiedlichen Grundeinstellungen, die alle ihr Gutes beitragen.
Mit Ihnen als Amtsältesten.
Wobei ich immer betone, dass ich der Drittjüngste von allen bin. Nur Evi Allemann und Christoph Ammann sind noch jünger.
Merken Sie, dass Sie älter werden?
Ich brauche mehr Erholung. Der Kopf kann problemlos einen Marathon laufen, die Beine tun nach einem Grand Prix bereits weh (lacht).
Sonst aber alles im Schuss?
Ja, «chräschlig u zwäg».
Es gibt gelegentlich Kritik an Regierungsratsmitgliedern, sie würden zu viel Parteipolitik betreiben, wie etwa kürzlich bei Philippe Müller. Von Ihnen hört man in dieser Hinsicht wenig.
Ich sage Ursula Wyss meine Meinung lieber direkt, das nützt wohl mehr (lacht). Ich kommuniziere nicht über Zeitungen; Lösungen finde ich, indem ich mit den betreffenden Leuten rede.
Sie tauschen sich also häufig mit Ursula Wyss aus?
Immer wieder, ja.
Im «Bund» war kürzlich zu lesen: «Christoph Neuhaus ist mutiger geworden.»
Ich spotte immer: Auch wenn die Zeitung mal nicht recht hat, hat sie recht. Ich sage Dinge teilweise schon direkter, weil ich zu Beginn meiner Amtszeit am 1. April 2008 möglichst keine Fehler begehen und den Leuten nicht zu heftig auf die Füsse treten wollte. Ich bin als Exekutivpolitiker ja für 80 bis 90 Prozent der Bevölkerung zuständig, wobei immer ein paar Tausend verärgert sind, wenn ich etwas sage.
Ihre Höhe- und Tiefpunkte dieses Jahres?
Der 26. Juni, als ich zusammen mit Bundesrat Guy Parmelin die Mitholz-Bevölkerung informieren musste, dass im Stollen noch 3500 Tonnen Munition lagern, war hart. Es erschienen ja auch Personen, die die Explosion 1947 noch erlebt haben, als mehrere Menschen starben. Ich sage zwar immer: keine Panik. Aber trotzdem: Was machen mir mit all dem Material? Daneben gab es viele gute Erlebnisse mit Menschen, die Ballonfahrt im Rahmen des Gordon-Bennett-Cup gefiel mir sehr gut. Ich durfte im Bärnerbär sogar über Tamara Funiciello spotten und stellte dann frustriert fest, dass sie meine Aussagen nicht einmal gelesen hat (lacht).
Sie mussten im Sommer wegen der anhaltenden Trockenheit Ihre Schafe vom Gürbetal ins Berner Oberland umplatzieren.
Wir haben sie ausgelagert, stimmt. Das war übel: Wenn Sie übers Gras laufen und es knistert unter Ihren Füssen, stimmt etwas nicht mehr. Trockenheit und Bewässerung wird ein Thema bleiben.
In der SVP leugnen mehrere Exponenten den Klimawandel. Wie stehen Sie dazu?
Die Welt hat sich immer verändert. Ich fahre viel mit dem ÖV. Mein Arbeitsplatz hier in der Nähe des Rosengartens und mein Wohnort Belp lassen sich sehr gut mit dem Bus verbinden. Ausserdem treffe ich so meine Wähler.
Und das Auto?
Benutze ich etwa ein- bis zweimal pro Woche. Nach Biel nehme ich das Auto, weil man da mit dem ÖV nirgends hinkommt. Zürich oder Genf hingegen mit dem Auto macht keinen Sinn.
Was wünschen Sie sich fürs 2019 respektive für Ihre Amtszeit, die noch bis Ende Mai dauert?
Dass ich und meine Familie fit bleiben. Gesundheit ist das Wichtigste. Und dass es im Job weiterhin so gäbig läuft.
Was möchten Sie sonst noch loswerden?
Ich ziehe nächstes Jahr um, das tönt doch spannend (lacht). Von Belp nach Kaufdorf, in ein bestehendes altes Haus. Wir legen uns dann auch Pfaue zu, unser Sohn Ethan mag Vögel. Vielleicht dann noch Yaks, umgangssprachlich: Grunzkühe.
Yves Schott