Slide Bb Schuhmacherei Bozan 3

Wie aus einem Asylbewerber ein Bärner Gwärbler wurde

An der Thunstrasse steht ein kleiner Laden für hochwertige Strassen- und Businessschuhe sowie Schuhreparaturen. Sein Inhaber kam erst vor zehn Jahren auf abenteuerlichen Wegen aus dem türkischen Kurdengebiet in die Schweiz.

Bozan Aslan ist in Şanliurfa, eine an Syrien grenzenden Stadt in der Türkei, aufgewachsen. Aslan absolvierte das Gymnasium und bestand die Zulassungsprüfung fürs Sozialpädagogikstudium. Dann begannen die Probleme. Wie unzählige kurdische Kommilitonen geriet er ins Visier der Justiz, erlebte Willkür und sagte sich 2010: Ich muss gehen. Mehrere tausend Franken sollte die Flucht kosten, gesammelt durch Familie und Freunde. Er flog zunächst nach Albanien. Von da an ging es, von Schleppern organisiert, über Montenegro, Serbien, Ungarn und Österreich in die Schweiz. Aslan kam ins Asylzentrum in Crissier VD. «Eine schwere Zeit», erinnert er sich. «Wir alle dort hätten gern gearbeitet, egal was, in Restaurants oder auf dem Bau. Doch wir durften nicht.» Endlich, nach Monaten, erhielt der damals 24-Jährige eine Arbeitserlaubnis und begann in einer kleinen Schuhmacher-Werkstatt eine Ausbildung. Dabei entdeckte er seine Liebe zur Qualität und zum Besten, was Schuhwerk ausmacht: zu rahmengenähten Schuhen. Sowie, bei einem Ausflug nach Bern, eine andere Liebe. Hier lernte er eine gleichaltrige türkisch-schweizerische Doppelbürgerin kennen: Elif. Das Paar – sie ist ursprünglich Türkin – verliebte sich, nationale Empfindungen wurden überwunden, sie heirateten. Er suchte Arbeit in Bern und erfuhr zufällig, dass der Schuhreparaturladen Bircher an der Thunstrasse eine Nachfolge suchte. Aslan griff zu. Er nahm in der Familie und bei Freunden Darlehen auf, verschuldete sich.

Aus alt mach neu

Aslan machte sich mit Elan an die Arbeit. Die Schuhreparatur führte er weiter, investierte aber jeden verdienten Franken in ein Sortiment rahmengenähter Qualitätsschuhe: «Barker» aus England, die türkische Marke «Sepol» und für Frauen «Calpierre» aus Italien. Der Start war steinig, doch ab 2015 begann er die Früchte seines Tuns zu ernten. Er beglich alle Schulden und schuf sich eine treue Kundschaft aus dem Kirchenfeld und weiter östlich von Trambenutzern der Linien 7, 8 und dem Blauen Bähnli. Sie alle sehen sein Schaufenster jeden Tag. «Auch Stapi Alec von Graffenried trägt meine Sepol-Schuhe», sagt der Kleinunternehmer und nennt nicht ohne Stolz weitere bekannte Kunden, etwa den ehemaligen Chef Armee und Swiss-VR André Blattmann sowie Securitas-Chef Samuel Spreng. Hauptgeschäft bleibe die Reparatur: «Gerade teure Schuhe benötigen von Zeit zu Zeit einen Totalservice», sagt Aslan. Dieser lohne sich, wie man auf seinem Facebook-Profil sehen kann: «Ich mache aus alten Schuhen quasi neue. Mit dem Vorteil, dass sie perfekt eingelaufen sind und wieder jahrelang Freude machen.»

Corona, der grosse Einschnitt

Mit seiner guten Arbeit und fröhlichen Art wurde aus dem Asylbewerber ein begeisterter Berner. «Integration heisst, die alte Mentalität in der alten Heimat zu lassen und sich auf die des Gastlandes einzulassen. Dann lebt man als Immigrant gut und glücklich.» Mit dem ersten Lockdown kams zum brutalen Halt. Zwar erhielt die Schuhmacherei via Härtefallregelung eine Finanzhilfe, diese reichte aber nur für die Miete. Die Lebenshaltungskosten wurden durch Elif, sie hat eine 50-Prozent-Stelle bei der BLS, und einen kleinen Corona-Kredit bestritten. Der Sommer brachte zwar eine gewisse Normalität, doch seit dem Lockdown im Herbst herrschen erneut harte Zeiten. Einen Antrag auf Härtefallgelder hat er gestellt, die Antwort steht allerdings aus.

Lahor Jakrlin

Weitere Beiträge

Weitere Beiträge