Marina Bolzli lebt mit ihrer Familie auf dem Land. Sie hat Hühner, baut Salat und Gemüse an und weiss auch, wie man selber Kosmetik herstellt. Als Journalistin hatte die 40-Jährige regelmässig über Selbstversorgung berichtet.
Marina Bolzli serviert selbst gemachte Muffins in Formen, die man wiederverwenden kann, wie ihr sechsjähriger Sohn dem Gast mitteilt. Wir sind in Zimlisberg und trinken Kaffee auf einer schönen Terrasse. Vogelgezwitscher ist hier das dominierende Geräusch. Im Garten steht ein alter Pflug, das Keramikgeschirr stammt von Bolzlis Grossmutter und der lange Holztisch gehörte den Eltern von Bolzlis Mann, der in Zimlisberg aufgewachsen ist. «Wir kaufen fast nichts neu», erklärt Bolzli. Das habe aber nicht nur ökologische, sondern auch ästhetische Gründe. «Ich liebe es, in Brockenhäusern zu stöbern und schöne Dinge zu entdecken.» Das Thema Nachhaltigkeit hat Bolzli schon früh interessiert. Ihre Eltern hatten ein Mähdrescher- und Lastwagenunternehmen, das mittlerweile ihre Geschwister weiterführen. Obwohl sie auf dem Land aufgewachsen ist, zog es sie zuerst in die Stadt, nach Bern, Krakau und St. Petersburg, wo sie studierte und zur Autorin wurde. 2009 publizierte sie mit «Nachhernachher» ihr erstes Buch. «In Petersburg konnte ich nicht joggen gehen, weil es so viel Smog gab», erinnert sie sich. «Ich hatte danach ein sehr grosses Bedürfnis nach Natur.» Gemeinsam mit ihrem Mann, den sie in einer Berner Studentenwohnung kennengelernt hatte, baute sie in Zimlisberg ein sogenanntes Hochstandhaus um. «Früher wohnte hier der Melker», erklärt sie. Das Haus und der damit verbundene Lebensstil wurde für die Autorin und Journalistin eine grosse Inspiration. Sie schrieb gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen der «Berner Zeitung» einen Gartenblog und hatte eine Kolumne bei «Lebenslust Emmental» sowie später bei der BZ. Was ist Permakultur? Wie macht man aus Roggenmehl Shampoo? Was sind die Tücken des nachhaltigen Lebens? Bolzli gibt Tipps und bleibt dabei stets selbstkritisch. Dogmatik liegt ihr fern. «Ich lebe so, weil es mir Spass macht, aber es gibt Leute, die viel nachhaltiger leben als wir», sagt sie.
«Jede Pflanze hat etwas Gutes»
Was die Selbstversorgung angehe, kann sie viele Tipps liefern, die auch für Städterinnen und Städter umsetzbar sind. In ihrem Garten wachsen nicht nur Salat und Gemüse, sondern auch jede Menge Wildkräuter und Unkräuter, die bewusst für die Insekten wachsen. Die achtjährige Tochter hat Brennnesseln stehen lassen, weil das die einzige Nahrung fürs Tagpfauenauge sei, wie sie in der Schule erfahren hat. «Jede Pflanze hat etwas Gutes», lautet Bolzlis Credo, die Brennnesseln auch in der Küche verwendet. Aus Löwenzahn-Knospen macht sie Kapern, die sie zum Raclette serviert. Milch holt Bolzli beim Bauern um die Ecke. Und: «Joghurt herstellen ist ganz einfach, man kocht Milch auf und impft diese mit Naturjoghurt.»
Salat in Plastik verpackt? Nie!
Bolzli geht fast nie einkaufen und produziert wenig Abfall. «Es ist einfach schön, zu wissen, wo die Produkte herkommen.» Wenn sie doch mal in den Supermarkt geht, hat sie Mühe, etwas zu kaufen. «Salat in Plastik abgepackt ekelt mich.» Der Garten hat momentan Pause. «In den Monaten Februar bis April gibt er nicht viel her», meint Bolzli. «Unsere Vorratskammer ist bald leer gegessen.» Selbstversorgung scheint ein ewiger Kreislauf aus Säen, ernten und verbrauchen zu sein. In Bolzlis Bauernschrank findet man durchs ganze Jahr eingemachtes Ratatouille, getrocknete Pilze, Apfelmus, Sugo und selbstgemachtes Ketchup. «Bald ernten kann man den Spinat», verrät sie. Eier hat sie täglich frische, denn Bolzli betreibt ein Altersheim für Legehennen. Acht Hühner – die geschlachtet worden wären, wenn Bolzli sie nicht adoptiert hätte – und der «Güggel» namens Franz von Hahn gehören zu ihrem Hühnerhof. Bolzlis wichtigste Tipps für ein ökologischeres Leben? Selber machen statt kaufen und wenn möglich tauschen. Kosmetik – wie etwa Deo oder eine Mundspülung – stellt sie unter anderem aus Natron oder Zitronensäure her. Eine Freundin liefert ihr Olivenöl aus Italien, während Bolzli ihr Honig vermacht. Ja, Bienen gibt es auch. Ihr Mann kümmert sich um diese. Und als ihr Bub sich an einer Brennnessel die Finger verbrennt, bricht Bolzli ein wenig von der Aloe-Vera-Pflanze, die auf dem Fensterbrett steht, ab. «Das kühlt.» Helen Lagger