Voneinander lernen, Spass haben, sich begegnen. Einbis zweimal im Monat treffen sich Kinder der Kita Wombat mit Bewohnerinnen und Bewohnern des Domicil Egelmoos. Das besondere Generationenprojekt bringt oft beide Seiten zum Staunen.
«Goal!» Ein Schuss, ein Treffer. Oskar Giger strahlt. Gerade hat er einen Wachsmalstift zielsicher in die Hände von Elli (4) geschossen. Dass heute mit der Gruppe der Kita Wombat eigentlich Malen auf dem Programm steht, lässt der Senior gern kurz ausser Acht. Der Bewohner des Domicil Egelmoos in Bern hat auch mit 94 Jahren den Buben in sich bewahrt. Und so wird locker über den Tisch gepasst.
Dann fragen die Kids schon …
Seit 2005 setzt die Kita Wombat nun schon auf intergenerative Aktivitäten, den Austausch mit dem Egelmoos gibt es seit zwei Jahren. Die Initiantinnen, Standortleiterin Laura Indri und Domicil-Aktivierungsfachfrau Nadine Krähenbühl, erzählen von Spaziergängen, Backen und Fasnachtsumzug. Heute sind Lea (3), Elli, Mara (beide 2) und Johanna (3) dabei. Trotz oder gerade wegen der Jahrzehnte an Altersunterschied profitieren alle: «Die Kinder lernen Respekt und blühen auf, genau so die Senioren», erzählt Laura Indri. «Sie geniessen es, dass die Kinder so viel Lebendigkeit hier hineinbringen», ergänzt Nadine Krähenbühl. Die Kinder haben kaum Vorurteile und nehmen die Senioren so, wie sie sind. Die älteren Menschen können manches nicht mehr, die kleinen Kinder manches noch nicht. Das gleicht sich aus. «Sitzt jemand im Rollstuhl, fragen die Kids schon. Nach einer kurzen Erklärung ist für sie alles ok und weiter gehts», sagt Krähenbühl. Gerade sitzt Lea grübelnd vor ihrem weissen Papier. Ein Einhorn will sie malen, aber das Haus, das Johanna Stucki (86) neben ihr gerade so eifrig zeichnet, gefällt ihr noch besser. «Na, was malst du?», beugt sich die Dame zu ihr herüber. «Soll ich dir ein grosses Haus zeichnen?» Lea nickt sofort und schaut neugierig über die Tischkante. «Dann malst du noch die Fenster?» «Ja!», jubelt Lea. Frau Stucki, die vor fünf Jahren aus dem Emmental ins Egelmoos zog, geniesst die Malstunde. Sie mag die Aktivitäten im Haus, bewohnt ein hübsches Zimmer. «Das ist jetzt mein Zuhause», sagt sie zum Domicil. Ihren Alltag haben die Kinder bei einer Führung auch schon kennengelernt. Dass die Senioren, anders als sie aus der Kita, nicht abends in ein anderes Zuhause gehen, fanden sie erstmal ungewöhnlich.
Am Nachmittag noch tanzen
Blaue Berggipfel, Sonne und Blumenwiese komplettieren nun Stuckis Kunstwerk. Die Seniorin schmunzelt: «Ich konnte nie gut zeichnen. Ich bin froh, dass man erkennen kann, was das sein soll.» Elli schaut sich die Berge gleich ab, dazu malt sie noch einen Regenbogen. Es ist dieses Wir-Gefühl, nach dem die ganze Gruppe strebt. Zum Ende der Malstunde kommt Oskar Giger in Fahrt und skizziert ein Bauernhaus. Er hat viele Enkelkinder, an diesem Nachmittag will er noch tanzen. Doch zuerst rollt er das Papier und schaut ebenso wie Elli hindurch. Jetzt sind sie zwei Piraten. Krähenbühl und Indri beobachten die Szene erfreut. Indri weiss: «Das ist typisch. Wir planen immer ein Programm, aber meistens brauchen wir es nicht. Bei den Kindern und Senioren läufts oft ganz von allein.»
Michèle Graf