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«Wir müssen das Ruder herumreissen.»

Saskia Rebsamen (18) hat die Stossrichtung der Klimabewegung in der Schweiz mitgeprägt. Im Gespräch erzählt sie warum die Klimajugend bewusst friedlich und nicht radikal auftritt.

Auf ihrer Jacke stecken drei Protestknöpfe: ein Violetter der an den Frauenstreik erinnert und zwei Grüne, die von Klimastreiks stammen. Die 18-jährige Saskia Rebsamen ist engagiert, sie sitzt im Vorstand für die Jungen Grünen Kanton Bern und arbeitet für das Grüne Bündnis. Im Gespräch formuliert sie rasch und druckreif wie eine gestandene Politikerin. «Wir sind solidarisch, ökologisch, feministisch und pazifistisch», fasst sie das Parteiprogramm zusammen. Politisiert hat Rebsamen den Klimawandel. Sie hat die Stossrichtung der Klimabewegung in der Schweiz mitgeprägt und war bei vielen wichtigen Sitzungen mit dabei. «Am Anfang stand die Frage im Raum, ob wir konkrete realpolitische Lösungen vorschlagen wollen oder ob wir vor allem Aufmerksamkeit erzeugen und Druck aufbauen wollen.» Rebsamens Aktivismus braucht Zeit. Sie liess sich öfters von ihrem Gymnasium dispensieren und wenn es nicht anders ging schwänzte sie auch mal. «Mein Klassenlehrer war tolerant, aber am Ende musste ich schon schauen, dass ich nicht zu viele Absenzen hatte», führt sie aus. Vom Schulsystem hält die Maturandin nicht allzu viel. «Man lernt nicht, was man später als mündige Bürgerin wissen sollte», so die frisch gebackene Maturandin, die ihre Maturaarbeit über das Thema «Urban Gardening» geschrieben hat.

Kein Fleisch beim Apéro
Rebsamen entspricht in vielem dem Bild, das man von ihrer Generation im Allgemeinen und den Klimastreikenden im Speziellen hat. Anders als die Jugendbewegungen der 68er-Generation oder jene in den Achtzigerjahren verzichten die Klimastreikenden auf Radikalität und Gewalt, wirken pragmatisch bis brav. «Das friedliche Vorgehen ist eine bewusste Entscheidung, weil wir eine breite Bewegung schaffen wollen», erklärt Rebsamen. Die Eltern sind kein Feindbild, sondern marschieren oft gleich selber mit an den Klimastreiks. Rebsamens Mutter sass für die Grünen im Grossen Gemeinderat von Worb. «Klar, hat sie mich geprägt», so die Jungpolitikerin. Bei den Grünen fühlt sie sich am richtigen Ort, weil ihr der Umweltaspekt wichtig ist und «weil ich manches bei anderen linken Parteien wie der SP inkonsequent finde», wie sie sagt. «Wir haben keine so grosse Abgrenzung zur Mutterpartei, wie dies bei der JUSO zur SP der Fall ist.» Die Jungen Grünen empfindet sie in manchen Dingen als noch etwas bewusster. «Wir haben die Mutterpartei etwa schon darauf aufmerksam gemacht, dass es besser wäre, beim Apéro kein Fleisch zu servieren.»

Das Ruder rumreissen
Rebsamen selbst ist Vegetarierin und kann sich auch vorstellen, irgendwann ganz auf tierische Produkte zu verzichten. Wann ist sie zuletzt geflogen? «Ich bin vor etwa drei Jahren nach Griechenland geflogen», sagt sie. Ob die Forderungen der Klimastreikenden nicht anmassend oder gar heuchlerisch seien, kontert sie routiniert. «Es geht vielmehr darum politische Rahmenbedingungen zu schaffen, statt den einzelnen Menschen einzuschränken.» Sie sieht, das Problem eher beim Schweizer Finanzsektor als bei den Bürgerinnen und Bürgern und wird konkret: «Die Politik muss beschliessen, dass Banken nicht mehr in klimaschädliche Projekte investieren dürfen.» Doch was haben die Streiks bisher gebracht? «Das Thema ist auf dem Tisch, das ist ein erster Schritt», so Rebsamen. «Das CO2 -Gesetz ist vielleicht etwas griffiger geworden. Aber wird sind noch lange nicht am Ziel.» Manche sagen es sei eh schon zu spät, um die Wirkungen des Klimawandels aufzuhalten. Doch Rebsamen glaubt daran, dass wir die Chance nützen müssen, das Ruder noch herum zu reissen. «Was wäre die Alternative?», fragt sie rhetorisch. Feminismus und Ökologie sind längst Teil der Popkultur geworden und werden von der Werbewirtschaft vereinnahmt. Rebsamen ist sich dessen bewusst meint aber: «Greenwashing ist natürlich zu verurteilen. Wenn hingegen Einzelpersonen sich aufgrund des «Hypes» plötzlich für Themen wie Feminismus oder Ökologie interessieren, finde ich das positiv.»

Helen Lagger

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