Zuerst gaben ihm nur die wenigsten eine Chance

Der Bäredräck-Preis 2017 geht an Christoph Hoigné. Der La-Cappella-Gründer musste hart um seine Anerkennung kämpfen.

Bärnerbär: Gratulation zum 33. Bäredräck-Preis. Was war Ihre erste Reaktion, als Sie die erfreuliche Nachricht von der Jury des 1985 gegründeten Bärentrusts erhielten?
33, eine schöne Schnapszahl. Aber herrje – ist das nicht die Preisverleihung, die am Zibelemä- rit so furchtbar früh am Morgen stattfindet?

Sie reihen sich ein in eine Liste prominenter Namen, die zum Teil bei Ihnen aufgetreten sind, darunter Massimo Rocchi, Heidi Maria Glössner oder Heinz Däpp. Wie fühlt sich das an?
Sehr gut, ich fühle mich in bester Gesellschaft.

1998 gründeten Sie La Cappella. Was gab die Initialzündung, die Methodisten-Kapelle im Breitenrainquartier in ein Kleintheater zu verwandeln?
Es war ein glücklicher Zufall. Das Haus mit seinem schlichten Art-Deco-Saal zog mich vom ersten Augenblick an in seinen Bann. Der Raum hat eine intime Atmosphäre, bietet aber trotzdem Platz für an die 180 Leute. Hier Künstlern wie Cés Keiser und Margrit Läubli oder den Berner Troubadours Auftrittsmöglichkeiten zu geben, die ich seit meiner Kindheit von Schallplatten her kannte, war ein Traum – der in dieser früheren Kirche in Erfüllung ging.

Die Auswahl an Künstlern und Musikern ist breit und reicht von amü- santer Unterhaltung bis zu intellektuell anspruchsvollen Darbietungen. Auf wen blicken Sie mit besonderer Freude zurück?
Es gab unzählige Sternstunden an den rund 4000 Veranstaltungen, die hier schon über die Bühne gegangen sind. Am schönsten sind die Begegnungen. Etwa von Franz Hohler und Büne Huber, Pedro Lenz und Peter Bichsel, Uta Köbernick und Manuel Stahlberger, Knuth und Tucek sowie Andreas Thiel. Wohlige Hühnerhaut bekomme ich bei meinen «Titanic-Künstlern» – sie zeigen dem Publikum nur die Spitze des Eisbergs ihres Könnens, aber lassen darunter ein ganzes Universum erahnen

Die Anfänge waren harzig, es gab Einsprachen eines Anwohners wegen Lärmemissionen und Sie mussten aufwändige Schallschutzmassnahmen ergreifen. Was hat Sie damals angetrieben weiterzumachen?
Es gab kein Zurück mehr. Ich hätte sonst meinen grossen Traum aufgeben müssen – und den Glauben daran, dass das Gute sich am Ende durchsetzt.

Die Stadt Bern subventioniert 20 städtische Kulturinstitutionen. Mit ihr, der Regionalkonferenz Bern Mittelland und dem Kanton hat La Cappella einen gemeinsamen Leistungsvertrag. War es ein harter Kampf, als Kulturbetrieb anerkannt zu werden?
Ja. Alle Anfragen um dauerhafte Unterstützung wurden abgeschmettert, bis das Stadtparlament am 11.September 2008 für die Cappella das Kulturbudget um genau den Betrag erhöhte, den die Cappella seither bekommt. Der Kuchen ist gewachsen, kein anderer Kulturbetrieb büsste auch nur einen Franken ein.

Stichwort Bundesmillion: Ist es in einer Zeit, in der sogar der Bund nachdenkt, hohe Geldsummen im Bereich der Kultur einzusparen, härter geworden, Subventionen zu erhalten?
Bestimmt. Was mir Kummer macht, ist die aktuelle politische Grosswetterlage, in der Bildung, Entwicklungszusammenarbeit und Kultur zusammengestrichen werden. Der Rohstoff unseres Landes ist Esprit – und dieser Geist braucht Nahrung!

Im La Cappella tritt das Who is Who der in- wie ausländischen Kabarettund Kleinkunstszene auf. Wurde die Möglichkeit für Auftritte in Bern von Anfang an rege genutzt?
In der Szene hat sich ab 1999 rasch herumgesprochen, dass es mit der Cappella einen neuen Ort für Chanson und Kabarett gibt. Seit jeher haben wir viel mehr Anfragen als Auftrittsmöglichkeiten und von Jahr zu Jahr gibt es mehr Künstler, die gerne wiederkommen wollen.

Sie sind einer der wenigen Kulturbetriebe, der sich hinter den Satiriker Andreas Thiel gestellt hat, der vielerorts wegen seiner Islam-Kritik keine Auftrittsmöglichkeiten mehr erhält.
Andreas Thiel tritt seit 17 Jahren regelmässig bei uns auf, er hat mehrere seiner Programme auf der Cappella-Bühne entwickelt und ausgefeilt. Unsere politischen Ansichten sind oft nicht deckungsgleich. Dass ihm seit dem unsäglichen Koran-Artikel und der entgleisten «Schawinski»-Talkshow so viel Hass und Intoleranz entgegenschlägt, finde ich traurig und würdelos.

Gibt es Grenzen in der Kleinkunst?
Ja, entscheidend für die Auswahl sind handwerkliches Können, Geschmack und Originalität. Der Zauber der NahKunst liegt in der Authentizität.

Sie küren seit 2017 den Cappella-Künstler des Jahres. Den Anfang macht das Basler Geschwisterpaar Sibylle & Michael Birkenmeier. Was macht richtig gutes Kabarett aus?
Es geht um Unterhaltung mit Haltung. Wer hinsteht und mit Witz und Verve für seine Überzeugungen weibelt, überzeugt. Sibylle und Michael Birkenmeier haben ihr ganzes Leben dem Kabarett gewidmet. Sie sind kreative musikalische Wortakrobaten, hinterfragen bissig die Mächtigen und versprühen eine tiefe Liebe zu der eigentümlichen Spezies Mensch.

Sie sind Vater von fünf Kindern und wurden letztes Jahr 50. Muss man sich bei einer Tätigkeit, die pro Jahr über 200 Vorstellungen auf den Weg bringt, bewusst ausklinken?
Meine Kinder kennen nichts anderes – ihr Papa ist abends nie zu Hause. Aber er ist tagsüber da und hat auch am Nachmittag Zeit, eine Runde Schach oder Ping-Pong zu spielen. Kurze Auszeiten gönne ich mir regelmässig. Heuer war ich in Kairo, Kambodscha, Tunesien und in der Toskana.

20 Jahre La Cappella. Auf welche Künstler freuen Sie sich im 2018?
Auf alle, die mich vergessen lassen, dass ich mit einer schweren Kamera hinten im Saal stehe und gebannt zuhöre, wie sie die Welt mit Hirn und Herz und ihren skurrilen Gedankengängen betrachten

Peter Wäch

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