Staus auf Autobahnen sind ihr fremd. Ihre Anwaltskanzlei in Bern steuert Manuela Gebert oft mit ihrer selbst gebauten Kleinmaschine an. Ein teurer Spass, der erst noch dem Klima schadet? Beides halte sich in Grenzen, sagt die Juristin.
Pilotinnen sind keine Seltenheit mehr, aber nach wie vor eine Minderheit. Manuela Gebert ist eine dieser «Exotinnen». Sie hebt jährlich über fünfzig Mal ab, oft um von ihrem Wohnort in der Albula-Region an den Arbeitsort Bern zu «pendeln». Mit einem eigenen Flugzeug. Doch was in den Weiten der USA oder Australiens nichts Ungewöhnliches ist, sorgt hierzulande doch eher für Erstaunen.
Wie kamen Sie zur Fliegerei?
Ein Kindheitstraum wurde wahr dank eines Klienten, der Fluglehrer war und mich spontan zum Fliegen motivierte. Vor neun Jahren begann ich mit der Ausbildung und seit sieben Jahren habe ich die Sichtfluglizenz.
Sichtfluglizenz?
Anders als beim Instrumentenfug kann ich nur aufsteigen, wenn Mindestsichtweiten gegeben sind, ich zu Wolken Abstand halten kann, sie nicht durchfiegen muss, also immer landschaftliche Anhaltspunkte erkenne.
Sie fliegen etwa mal montags aus dem Bündnerland nach Bern und freitags wieder zurück – ein sehr teures Vergnügen.
Sicher ist Fliegen aufwendiger als Tischtennis, doch die Kosten werden gewaltig überschätzt. Nehmen wir die Anschaffung des Flugzeugs: Meine zweisitzige Maschine, eine Cherry BX2, ist ein Eigenbauflugzeug. Baulizenz und Material sind etwa in der Höhe eines VW Golf. Der Rest ist persönlicher Arbeitsaufwand – wir haben das Flugzeug selbst gebaut. Die Flugkosten sind ebenfalls überschaubar. Für einen Flug ins Tessin, wo ich auch beruflich tätig bin, verbrauche ich zwölf Liter Bleifrei 95, also weniger als für die gleiche Strecke mit einem Auto. So gesehen ist alles relativ. Aber ich nehme oft den Zug nach Bern, reise dann pro Weg etwa vier Stunden. Wenn ich fliege, sind es inklusive Zugverbindung von Reichenbach nach Bern weniger als zwei Stunden. Der Zeitgewinn ist ein willkommener Zusatznutzen – wichtiger ist mir die Freude am Fliegen. Tempo, Beschleunigung, die Freiheit in der Luft, die Welt aus der Vogelschau, das begeistert mich.
Eine fliegende Familie
Überhaupt die Mobilität – Manuela Gebert hat dazu ein entspanntes Verhältnis. Sie und ihr Mann fahren je einen Smart, im Winter einen SUV. Beide sind Motorradfahrer, wobei Manuelas 650er BMW im Tessin stationiert ist. Vor allem wegen des hohen Verkehrsaufkommens dort, mit dem Töff sei sie wendiger und rascher am Ziel. Nico, der 24-jährige Sohn, hat auch bereits die Pilotenlizenz. In der Freizeit fliegt er nicht nur, sondern – er ist Maschinenbauer – baut auch selbst Kleinflugzeuge, bereits zwei an der Zahl. Und Laura, 25, habe ebenfalls die Absicht, dereinst im Cockpit zu sitzen.
Wenn wir von Mobilität reden, dann kommt automatisch das Klima aufs Tapet. Fliegen gilt auch nicht als besonders klimafreundlich, oder?
Ach, wissen Sie, alles, was man tut, hat irgendwelche Auswirkungen. Fliegen ist meine Leidenschaft, ich mag das gar nicht gross erklären. Wie erwähnt: Die Schadstoffbelastung hält sich dabei in Grenzen.
Sie hinterfragen Mobilität und ihre Auswirkungen nicht?
Natürlich! Gesellschaftlich werden wir manches überdenken müssen, etwa: Muss das Pendeln immer zu bestimmten Zeiten stattfinden? Wie könnte man, ohne Verlust an Lebensqualität, die Spitzen brechen? Muss man wirklich um 8 Uhr im Büro sein? Ist jeder Personentransport nötig? Im Homeoffice haben wir gelernt, dass via Videokonferenz nicht alle, aber viele Wege vermeidbar sind.
Nicht alle?
Videokonferenzen sind praktisch, doch haben sie Schattenseiten. Meine Erfahrung ist, dass Wege zu einem Meeting sehr positiv sind. Ich bin auch Fussgängerin durch und durch. Wenn ich zu Fuss eine halbe Stunde zu einem Sitzungstermin gehe, ordne ich in dieser Zeit meine Gedanken, bereite mich innerlich besser vor. Manchmal muss man eben zueinander reisen.
Zurück zum Fliegen: Sie sind Präsidentin der Fluggruppe Reichenbach – wie kam es dazu?
Ich war seit zwei Jahren im Club, als ich 2019 fürs Präsidium angefragt wurde. Ich übernehme gerne Verantwortung und stelle meine Kommunikations- und Organisationskompetenz gerne zur Verfügung. Die Fluggruppe besteht seit 60 Jahren und verfügt über zwei Kleinflugzeuge, welche den Mitgliedern zur Verfügung stehen. Wir leiden etwas an Überalterung, deshalb würde ich mich auf Nachwuchs freuen.
Ab wann kann man Fliegen lernen?
Es gibt, anders als beim Autofahren, für den Lehrausweis keine Altersgrenze nach unten, theoretisch könnten schon 10-Jährige (lacht). Eine Fluglizenz kann man bereits mit 17 erhalten.
Letzte Frage: Wohin möchten Sie gerne mal selbst fliegen?
Sicher nach Süden. Elba ist ein Ziel, oder zu den Kanaren.
Lahor Jakrlin