Gs 8679 Opt

Unglaubliches YB-Verletzungspech ist Fluch und Segen zugleich

Im Prinzip hätte Gerardo Seoane allen Grund zu klagen: über das unglaubliche Verletzungspech vor allem, das den Young Boys seit Wochen, ja Monaten widerfährt. Doch der 40-Jährige geht damit ganz anders um. Er sucht und findet in dieser leidigen Situation auch viel Positives.

Die Tatsache, dass mit Mohamed Ali Camara und Sandro Lauper zwei gesetzte Defensivspieler beinahe ein Jahr lang ausfallen, im Mittelfeld Miralem Sulejmani, Vincent Sierro, Christopher Martins Pereira über Monate fehlen und nun auch noch Captain Fabian Lustenberger mehrere Wochen ausfällt, genauso wie im Angriff Marvin Spielmann, Guillaume Hoarau und Roger Assalé, ist für jeden Trainer ärgerlich – doch Gerardo Seoane trägt «sein» Schicksal mit Fassung.
«Kein Schweizer Klub kann Spieler wie Sulejmani und Hoarau eins zu eins ersetzen, doch der langen Verletztenliste, so ärgerlich wie sie ist, gewinne ich auch Positives ab. Die Spieler, welche übriggeblieben sind, werden gefordert und körperlich an ihre Grenzen gebracht. Sie profitieren von der Situation, sie werden gestärkt aus dieser Phase herauskommen, vor allem auch, weil das Programm mit Meisterschaft, Cup und Europa League sehr anspruchsvoll ist und kaum Zeit zum Regenerieren bleibt.» Während der YB-Trainer letzte Saison aus dem Vollen schöpfen und zwischendurch das eine oder andere Mal rotieren konnte, sind ihm derzeit die Hände gebunden, kann er nicht diesem oder jenem Spieler hin und wieder eine Pause gönnen.

Ein Punkt Rückstand statt elf Punkte Vorsprung
Im Vorjahr hatten die Young Boys nach zwölf Runden zwar schon einmal verloren (2:3 gegen Luzern in Runde 10), doch 31 Zähler auf dem Konto – elf mehr als der FC Basel zum gleichen Zeitpunkt aufwies. In dieser Saison blieb YB in zwölf Partien zwar ungeschlagen, hat mit 28 drei Punkte weniger verbucht. Basel dagegen verbesserte sich um sechs Zähler und liegt aktuell nur zwei Punkte hinter den Young Boys, was für die Gelb-Schwarzen aufgrund der Verletztenliste einen hervorragenden Leistungsausweis bedeutet.

Abgänge und Neuaufbau
Gerardo Seoane schätzt die Situation folgendermassen ein: «Einige verdienstvolle Spieler haben uns verlassen, junge und hoffnungsvolle Talente sind neu dazugestossen, dazu kommen die Ausfälle. Wir befinden uns in einem Umbruch und Neuanfang. Im Vorjahr war die Ausgangslage total anders. Wir verfügten über eine fertige Mannschaft, die sich auf höchstem Level bewegte und nach dem Meistertitel noch verstärkt wurde, weil es nicht so viele Abgänge wie erwartet gab.»
Was den härtesten Konkurrenten, den FC Basel, betrifft, sagt Seoane: «Basel hat in der zweiten Hälfte der letzten Saison die Stabilität zurückgewonnen und ist bedeutend gefestigter als noch vor einem Jahr.»

Topleistungen in der Europa League
Die Auslosung der Europa-LeagueGruppe bescherte den Young Boys nach dem ärgerlichen, weil vermeidbaren Ausscheiden in der Champions League-Barrage gegen Roter Stern Belgrad drei Gegner, deren Renommée mehr der Champions «Kein Schweizer Klub kann Spieler wie Sulejmani und Hoarau eins zu eins ersetzen.» Gerardo Seoane massgeschneidert: Die Mannschaft passt, die Jeans auch. Foto: Pius Koller League als der Europa League entspricht. FC Porto, Feyenoord Rotterdam, Glasgow Rangers – da hüpft das Herz des Fussballfreunds. «Von der Attraktivität her ist es eine geniale Gruppe», sagt Gerardo Seoane. Die bisherigen Leistungen stuft er so ein: «Gegen Porto war die zweite Hälfte sehr gut, die Rangers haben wir mit etwas Glück in der Schlussphase geschlagen und gegen Feyenoord auch die erhofften drei Punkte geholt.»
«In dieser Gruppe braucht es in jedem Spiel eine Topleistung, sonst gewinnt man keine Punkte. Entwicklungspotenzial besitzen wir vor allem bezüglich Konzentration in der Abwehr, denn auf diesem Niveau wird jeder Fehler sofort bestraft. Und weil man nicht pro Spiel zehn Topchancen erhält, muss man defensiv sehr stabil sein. Was die Weiterentwicklung unserer jungen Spieler betrifft, sind solche Partien genial.»

Und am Mittwoch nun der Cup
Um 20.15 Uhr trifft YB zuhause im Cup-Achtelfinal auf den FC Zürich und feiert der YB-Trainer Geburtstag. Im Gespräch wird klar, dass der Match gegen den FCZ für den Coach wichtiger ist als sein Wiegenfest.
«Der Meistertitel zählt mehr und reflektiert die konstante Arbeit während einer Saison, doch der Cup ist emotionaler. In jedem Jahr bringt der Cup unglaubliche Geschichten – die immer wieder vorkommenden Überraschungen sind das Reizvolle an diesem Wettbewerb, in dem wir in diesem Jahr grosse Ziele haben. Bereits am Mittwoch bietet sich eine gute Gelegenheit zur Revanche für den verlorenen Final im Frühling 2018.»

Pierre Benoit

Weitere Beiträge

Weitere Beiträge