Vg 9439

Eine Bernerin ist die grösste Schweizer OL-Hoffnung

Neunmal Gold und zweimal Silber holte die 21-jährige Bernerin als Juniorin an Welt- und Europameisterschaften – seit einem Jahr ist sie auch bei den Aktiven angekommen und eine heisse Medaillenanwärterin.

Zweimal Silber und einmal Bronze erlief sich die derzeit schnellste Schweizer Orientierungsläuferin an ihrer ersten WM bei den Aktiven in Norwegen – klar, dass dies Appetit auf mehr macht.
Nicht nur Appetit, sondern auch Erinnerungen weckt dieses beeindruckende Erfolgs-Palmarès der Bernerin, die kürzlich vom Kanton als erfolgreichste Sportlerin des Jahres ausgezeichnet wurde. Sie lächelt, noch ehe die Frage gestellt ist, im Wissen, was jetzt kommt. «Nein, alle Vergleiche mit Simone Niggli-Luder wären fehl am Platz. Was sie erreicht hat, wird wohl niemals mehr erreicht werden», sagt ihre Vornamensvetterin Simona Aebersold.
Derzeit ist die Schwedin Tove Alexandersson bei den OL-Frauen das Mass aller Dinge, sie ist die «femme à battre». Die Frau aus dem Norden wird sich nächstes Jahr allerdings vorsehen müssen, ihr erwächst aus dem Bernbiet harte Konkurrenz von einer jungen Läuferin, die schon vor der Heim-WM 2023 in Flims/Laax weiteres Edelmetall erlaufen will.

«Siebenmal in der Woche …
…möcht ich ausgehn», tönte der Ohrwurm Vico Torrianis Ende der Fünfzigerjahre aus den Musikboxen quer durch die Schweiz. Nun, auch für Simona Aebersold gilt «Siebenmal in der Woche», doch für sie steht nicht so oft ausgehen, sondern stehen Trainingstage auf dem Programm. Zwei Mal OL-Training, zweimal Intervall, Kartenstudium, Krafttraining, Stretching, Regeneration und Massage, dazu die Wettkämpfe ergibt neun bis zwölf OL-Termine wöchentlich. Logisch, dass das Studium der Sportwissenschaften an der Uni Bern, wo sie im fünften Semester steht, derzeit ein bisschen zu kurz kommt.

Sie mags gerne schwierig
Simona Aebersold kam als Tochter des dreifachen OL-Staffel-Weltmeisters Christian Aebersold schon in frühester Jugend mit diesem Sport in Kontakt. «OL bietet immer etwas Neues, man weiss vor keinem Rennen, was auf uns Läuferinnen zukommt und welche Entscheidungen es zu treffen gilt. Es wird nie langweilig», sagt die Bernerin, die vor allem auch beim Kartenlesen von der Erfahrung ihres Vaters profitiert. Dass neben den starken Nerven auch andere Fähigkeiten gefragt sind, um an der internationalen Spitze mithalten zu können, ist klar.
Kopf oder Beine, was ist wichtiger? Auch hier ist Simona Aebersold nicht um eine spontane Antwort verlegen. «Beides ist gleich wichtig. Man muss schnell rennen, aber das Tempo dem Schwierigkeitsgrad anpassen. Rennt man zu schnell, passieren Fehler und das kostet Zeit.»
Simona Aebersold will sich in der Routenwahl bis im kommenden Frühling weiter verbessern, doch schon heute liebt sie schwierige Strecken und läuft deshalb gerne zum Beispiel in Norwegen, wo man sich im Wald die schnellste Route ohne viele hilfreiche Wege suchen muss, das Gelände anders als hierzulande ist.

Die grosse Konkurrenz
Zwischendurch zieht es Simona Aebersold weg von ihrem gewohnten Trainingsumfeld mit dem Nationalkader in Bern. Beim polysportiven Klub Tampereen Pyrintö ist sie Mitglied und läuft für den Verein Staffelwettbewerbe – eine ideale Vorbereitung für zahlreichen Wettkämpfe, die im hohen Norden stattfinden. «Die Konkurrenz ist auch hier sehr gross und sicher ideal, um sich leistungsmässig zu steigern», sagt die Bernerin, die es sogar geschafft hat, sich in der an sich nicht lernbaren finnischen Sprache mit ihren Teamkolleginnen zu verständigen.

«OL ist cool»
Spricht Simona Aebersold über Orientierungslaufen, glänzen ihre Augen. «OL ist ganz einfach cool, eine Sportart wie keine andere, in der immer neue Aufgaben warten. Man befindet sich in der Natur, kann diese im Training auch einmal bewundern.» Doch das klappt wirklich nur, wenn es nicht um Sekunden geht. «Da sehe ich auch zwischendurch ein Eichhörnchen, doch im Rennen bin ich so sehr fokussiert, dass ich nicht einmal meine Freunde und Kollegen wahrnehme, wenn sie mich unterwegs anfeuern.»
Obwohl Simona Aebersold oft als OL-«Botschafterin» in Schulen unterwegs ist und sich die Schüler für diesen Sport durchaus begeistern lassen, fehlt es in ihrem Sport an Nachwuchs. «Das ist sehr schade, denn bei meinen Besuchen sind alle immer sehr interessiert und finden den Sport spannend.» Wohin sie dann verschwinden, gibt Simona Aebersold bedeutend grössere Rätsel auf als die Karten, die ihr beim Start in die Hand gedrückt werden.
Pierre Benoit

Weitere Beiträge

Weitere Beiträge