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«Als Kind war der Sport für mich nicht so wichtig»

Es war die Saison der Sportstadt Bern: Erstmals seit 60 Jahren haben die Young Boys und der SC Bern gleichzeitig die Meisterschaft gewonnen.

Die beiden Klubs haben unterschiedliche Geschichten geschrieben, sind sich aber in vielerlei Hinsicht ähnlich. So wie YB-Goalie David von Ballmoos (24) und SCB-Verteidiger Beat Gerber (37).

Beat Gerber, David von Ballmoos, Sie sind beide Schweizer Meister mit Stadtberner Klubs geworden. Wie gut kommt das eigentlich in Ihrer Heimat, im Emmental, an?
David von Ballmoos: Sehr gut. Im Fussball ist es nicht so, dass man der Stadt Bern etwas entgegenzusetzen hätte. Darum entscheiden sich viele Leute im Emmental zwischen Thun und YB. Und zwischen diesen beiden Vereinen ist die Rivalität nicht allzu erbittert

Beat Gerber: Bei uns ist das anders, vor allem weil wir direkt gegen Langnau spielen – diese Rivalität gibt es immer noch. Dennoch: Sind in Langnau die Playoffs zu Ende gegangen, freuen sich die Emmentaler mit uns, wenn wir die Zürcher oder Zuger besiegen.

War das früher anders?
Gerber: Als ich vor 16 Jahren aus Langnau hierhergekommen bin, musste ich mir dies oder das anhören. Aber mit der Zeit hat das abgenommen. Ich selbst weiss immer noch sehr gut, woher ich komme und wo ich gelernt habe, Eishockey zu spielen. Wobei ich jetzt der Genauigkeit halber anfügen muss, dass ich aus Unterlangenegg stamme – einem Ort, der zwar an der Grenze des Emmentals liegt, aber noch zum Oberland gehört.

David von Ballmoos, hatten Sie vor 16 Jahren mitbekommen, dass Beat Gerber von Langnau nach Bern wechselte?
Von Ballmoos: (Lacht) Vor 16 Jahren habe ich mich für anderes interessiert. Für mich war als Kind der Sport allgemein nicht so wichtig.

Kein Sport? Was haben Sie denn gemacht?
Von Ballmoos: Zuhause auf dem Bauernhof mitgeholfen. So bin ich aufgewachsen. Es hat sich immer alles um die Landwirtschaft gedreht und dasselbe galt für meine Freunde. Wir waren Bauernkinder. Es war schön, aber hart. Ich möchte diese Zeit keinesfalls missen. Gerber: Ich war zwar nicht Bauer, aber Handwerker. Mein Vater hatte seinen eigenen Schreinerbetrieb, in dem ich viel Zeit verbracht habe und in dem ich später auch die Lehre machen konnte. Rückblickend war das die härteste Zeit meines Lebens.

Wie sind Sie zum Sport gekommen?
Von Ballmoos: Durch einen Freund in der 3. Klasse. Ich hatte in der Schule Mühe, ruhig zu sitzen, also hat mir die Lehrerin empfohlen, ihn mal zu begleiten. Beim Fussball konnte ich mich austoben, was mir in der Schule geholfen hat, mich besser zu konzentrieren. Bereits in der 6. Klasse wusste ich, welchen Beruf ich erlernen wollte: Landmaschinenmechaniker.

Im Rahmen einer Sportschule?
Von Ballmoos: Nein, nein, es war eine reguläre Lehre. Wobei ich glücklicherweise einen verständnisvollen Lehrmeister hatte. Aber ich musste lernen, diszipliniert zu sein.

Wäre das heute noch denkbar?
Gerber: Zumindest bei uns im Eishockey gibt es kaum mehr Junge, die einen handwerklichen Beruf ergreifen. Mir hat es aber gutgetan, am Morgen früh aufzustehen und körperlich zu arbeiten, nachdem ich am Abend spät ins Bett gekommen war.
Von Ballmoos: Auch bei uns geht der Trend in Richtung Büro-Jobs und Sportschulen. Die zeitliche und körperliche Belastung wird für die Jungen immer grösser, darum verstehe ich das. Aber wenn einer heute noch einen handwerklichen Beruf erlernen will, kann er das immer noch tun. Meistens sind es solche Typen, die es durchziehen.

Typen, die beissen können.
Von Ballmoos: Ich selbst habe gar nichts anderes gekannt. Ich musste immer auf dem Hof mithelfen, auch als ich schon bei YB gespielt habe.

Was macht einen Emmentaler aus?
Von Ballmoos: Seine Werte und seine bodenständige und ruhige Art.
Gerber: Richtig. Aufs Eishockey bezogen, kann man anfügen, dass er zäh und willensstark ist.

Innerkantonale Rivalitäten gelten als normal. Gibt es umgekehrt auch Solidarität?
Von Ballmoos: Also ich war im Cupfinal klar für den FC Thun. Für mich als YB-Spieler ist dieser Verein wie ein kleiner Bruder und auch die Fans sehen das Verhältnis nicht so erbittert. Es mag an der Konstellation und der klaren Rollenteilung liegen – die Begegnungen mit Basel oder Zürich sind wesentlich brisanter. Gleichzeitig gibt es grosse Sympathien für diesen kleinen Klub, der sich Jahr für Jahr mit einem kleinen Budget durchschlägt, stets gute Spieler holt und diese als noch bessere Spieler verkauft. Davon profitieren wir, davon profitiert die ganze Liga.

Nun trennen den SCB und YB nur ein paar Meter, konkret sogar nur die Papiermühlestrasse. Verfolgt man sich da gegenseitig?
Gerber: Das hängt vom Sportinteresse des Einzelnen ab. Ich selbst interessiere mich allgemein für Sport und drücke immer den Bernern die Daumen. Insofern hatte ich in den letzten Jahren viel Spass. Vor allem auch dank YB. Dieses Jahr war ich sicher drei, vier Mal im Stade de Suisse. Aber ich war auch beim FC Thun und an anderen Sportanlässen.
Von Ballmoos: Bei uns ist es ähnlich. Manch einer nutzt die Gelegenheit, sich von Zeit zu Zeit einen SCB-Match anzuschauen. Auch ich war in der letzten Saison das eine oder andere Mal dort.

In Bern ist das Interesse am Sport sehr gross. Sowohl der SCB als auch YB haben die höchsten Zuschauerschnitte ihrer Ligen. Woher kommt das?
Von Ballmoos: Grundsätzlich wäre das vielerorts möglich – sofern die Voraussetzungen stimmen. Es braucht die Infrastruktur und den Erfolg. Das Interesse an uns würde merklich abnehmen, würden wir gegen den Abstieg spielen würden. Auch der SCB wird seine Halle nicht füllen können, wenn er die Playoffs verpasst. Dazu muss man Spektakel bieten – also schönen Fussball, respektive attraktives Eishockey.

Wie steht es um Ihre eigenen Fussball- und Eishockeykünste?
Gerber: (Lacht) Wenn man die Profis sieht, darf ich kaum von Fussball sprechen. Aber im Sommertraining spiele ich schon gerne. Und wir spielen auch immer One-Touch zum Aufwärmen vor unseren Spielen.
Von Ballmoos: Ich selber habe in der Schule ein wenig Eishockey gespielt. Aber das war es dann ich kann knapp einmal Schlittschuhlaufen. Mit der Mannschaft haben wir noch nie etwas in diese Richtung gemacht. Das kommt daher, dass einige unserer Spieler aus Kulturen kommen, in denen es gar kein Eishockey gibt.

Ein gutes Stichwort: Im Fussball sind die Teams multikultureller geprägt als im Eishockey mit seiner Ausländerbegrenzung. Wie entsteht innerhalb eines Teams eine Hierarchie?
Von Ballmoos:
Das ist ein Prozess, der sich bis zu einem gewissen Grad von selbst ergibt. Jeder weiss mit der Zeit, wo seine Position ist. Es braucht eine Hierarchie, aber die ist nicht festgeschrieben. Es braucht Leute, die Verantwortung übernehmen, die hinstehen, wenn es nicht läuft. Aber das müssen ja nicht immer dieselben sein. Jeder soll sich einbringen. Ich denke, dass hierin unsere grosse Stärke liegt: Dass jeder versucht, für das Ganze einen Mehrwert zu generieren. Es geht nicht ums Alter oder die Erfahrung. Sondern darum, was man beitragen kann. Gerber: In den letzten fünf, sechs Jahren hat sich bei uns ein Kern von sieben Spielern gebildet, der das Team trägt und dem sich auch die Ausländer unterordnen müssen. Weil der Trainer aber kein Deutsch spricht, ist die Sprache in der Garderobe oft Englisch, was ihnen wiederum hilft, ihren Platz zu finden.

Muss man sich nicht manchmal einen Jungen zur Brust nehmen?
Von Ballmoos:
Das sind Dinge, die funktionieren heute von allein. Die Jungen wissen, dass sie die Bälle zusammennehmen und die Tore wegräumen müssen. Das haben sie bei den Junioren gelernt. Anders wäre es wohl, wenn sie schon in jugendlichem Alter Millionen verdienen und es ihnen abgenommen wird. Aber das ist bei uns glücklicherweise nicht der Fall.
Gerber: So war und ist das bis heute auch bei uns. Wir haben pro Jahr jeweils drei, vier Neue, die auf gut Berndeutsch gesagt den «Seich» erledigen müssen. Da beschwert sich keiner. Allgemein habe ich aber das Gefühl, dass es die Jungen heute besser haben. Aufnahmerituale gibt es noch, aber sie sind kaum vergleichbar mit denjenigen, die wir einst durchlaufen mussten.

Was machen die Berner besser als der Rest der Schweizer?
Von Ballmoos: Eine schwierige Frage …
Gerber: Es ist nicht so, dass wir jede Meisterschaft dominieren würden. Über Erfolg und Misserfolg entscheiden oft nur kleine Details. In diesen Playoffs sind wir mehrmals an einen Punkt gekommen, an dem wir hätten ausscheiden können. Wir haben aber mittlerweile die Routine und das Wissen, dass wir eine Serie drehen können.

Andy Maschek, FOOT

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