Von seinem Arbeitsplatz auf der YB-Geschäftsstelle sieht Fabian Rieder zwar nicht auf das Wankdorf-Spielfeld. Doch gäbe es einen Naturrasen, er könnte ihn bei offenem Fenster riechen. YB-Sternschnuppe und KV-Stift – der 18-jährige Mittelfeldspieler macht überall eine gute Figur.
Nach dem Europa-League-Debüt gegen die AS Roma sagte beispielsweise der für seine sprichwörtliche Zurückhaltung bekannte YB-Trainer Gerardo Seoane: «Fabian ist ein sehr interessanter Spieler. Seine Leistung war ein positives Zeichen.» Trotzdem soll der Mann mit der Rückennummer 60 behutsam aufgebaut und nicht verheizt werden. Geplant ist, dass er zwischendurch auch noch in der U21 eingesetzt wird, sofern diese wieder spielen darf. Auch neben dem Platz verdient sich das junge YB-Juwel Bestnoten. Albert Staudenmann, als Medienchef nahe am Team: «Fabian ist ein toller Typ und sehr bescheiden. Es besteht keine Gefahr, dass er den Bodenkontakt verliert.»
Fabian Rieder, sind Sie ein Schlitzohr?
(Lacht) Auf dem Fussballplatz muss man das hin und wieder sein, neben dem Platz bin ich das ab und zu vielleicht auch, aber sehr selten.
Es war schon eine gewisse List dabei, wie Sie in Ihrem ersten Europa-League-Spiel gegen die AS Roma einen Penalty herausgeholt haben.
Genau in einer solchen Situation muss man ein bisschen Schlitzohr sein und die Situation blitzschnell erfassen. Mein Gegenspieler verhielt sich etwas ungeschickt und das habe ich ausgenützt.
Vor einem Monat kannten Sie nur eingefleischte YB-Fans. Sie spielten in der U21 als Captain. Ging nicht alles ein bisschen schnell? Aus der 1. Liga direkt in die Super League und eine Woche später in die Europa League.
Seit ich mit Fussballspielen begonnen hatte, habe ich auf diesen Moment immer gehofft. Es kommt sehr selten vor, dass ein Spieler, der in der 1. Liga spielt, bei seinem ersten Einsatz in der obersten Spielklasse gleich in der Startaufstellung steht. Ich wollte diese Chance unbedingt nützen und hatte auf dem Platz ein Supergefühl. Aber es ging nicht von 0 auf 100, ich konnte mich in den Trainings gut auf dieses Niveau vorbereiten.
Wie hat Sie das Trainerteam um Gerardo Seoane auf den doch beträchtlichen Niveauunterschied vorbereitet? Ich denke, für Sie kam die Nomination gegen Servette nicht so überraschend wie für Aussenstehende.
Da sind die Trainings, die helfen. Trainer Gerardo Seoane rief mich am Donnerstag vor dem Spiel in Genf an und sagte mir, dass ich von Beginn weg spielen werde. Er gab mir einige Tipps, bereitete mich gedanklich vor und sagte mir, dass ich mir selbst nicht Druck auferlegen soll. Und dann haben mir auch die Teamkollegen extrem geholfen.
Sie spielten in sämtlichen Nationalteams U15, U16, U17, U19 und U20. Ist die Teilnahme mit der U21 im nächsten Jahr an der Euro in Ungarn und Slowenien ein Ziel?
Das ist für mich kein vorrangiges Ziel, die U21 ist eine eingespielte Gruppe, das Kader steht. Aber wenn plötzlich etwas ändert, sage ich nicht Nein. Ich will einfach in jedem Training und jedem Spiel meine beste Leistung bringen und das beeinflussen, was ich beeinflussen kann. Was nachher kommt, werden wir sehen.
Sie haben bei Interviews bei SRF bewiesen, dass Sie auch nach dem Spiel ein Könner sind. Ist das Talent oder haben Sie mit Kommunikationschef Albert Staudenmann fleissig geübt?
Danke für das Kompliment. Ich tue mich nicht schwer beim Reden, aber Albi Staudenmann hat mir schon einige Ratschläge mit auf den Weg gegeben.
Sie haben bei YB mehrere Chefs. Einer ist Gerardo Seoane, ein anderer U21-Coach Alessandro Mangiarratti, und dann gibt es auch noch auf der Geschäftsstelle, wo Sie eine KV-Lehre absolvieren und derzeit in der Buchhaltung schnuppern, Finanzchef Beat Flückiger, der Sie in die Geheimnisse einer korrekten Buchhaltung einweiht. Wo gefällt es Ihnen besser? Auf dem Rasen oder auf dem Bürostuhl? Welcher Chef ist der strengste?
Zugegeben, am wohlsten fühle ich mich auf dem Rasen. Aber ich bin auch gerne im Büro, das ist eine optimale Abwechslung. Ich habe gute Kollegen und einen strukturierten Arbeitsalltag. Von den Chefs ist jeder auf seine eigene Art streng, eine weitere Gemeinsamkeit ist, dass alle Supertypen sind.
Aber Gerardo Seoane versteht nicht so viel von Buchhaltung wie Sie, oder …?
Nein, nein, Stopp. So etwas würde ich nie behaupten.
Haben Sie noch Zeit für Hobbys?
Ich gehe oft und gerne mit Nira spazieren, unserem Strassenhund aus Ungarn. Früher betrieb ich Leichtathletik. Gerne fahre ich auch Ski, doch seit zwei Jahren stand ich nie mehr auf den Brettern, das Verletzungsrisiko ist zu gross.
Pierre Benoit