Der Frauenfussball boomt – auch in der Schweiz. Dies dank dem Nationalteam, denn die nationale Meisterschaft wird immer noch beinahe ignoriert. Die Frau, die in der Schweiz Rekorde jagt, heisst Ana Maria Crnogorcevic.
Schweizer Rekordtorschützin ist sie bereits, jetzt schickt sich die Bernerin an, demnächst auch Rekord-Nationalspielerin zu werden. Im Sommer 2009 zog die gerade 18-jährig gewordene Ana Maria Crnogorcevic aus in die weite Welt des Frauenfussballs. 921 Kilometer nördlich von Mutters Herd versuchte die Schweizer Torschützenkönigin ihr Glück beim Hamburger SV in der Bundesliga. Vom HSV ging die Reise weiter zum VfL Wolfsburg, sie gewann die Champions League und stand zuletzt zwei Jahre beim Portland Thores FC im Land der Weltmeisterinnen im Einsatz. Letzte Woche unterschrieb die Bernerin beim FC Barcelona Femení einen Zweijahres-Vertrag.
Nach dem ersten Fotoshooting als HSV-Spielerin lag sogar das grösste Boulevard-Blatt Deutschlands richtig. «Die schönste Fussballerin der Bundesliga kommt aus der Schweiz», schrieb die «Bild»-Zeitung. Eine bemerkenswerte Feststellung, tummeln sich in der 1. und 2. Frauen-Bundesliga in 26 Vereinen immerhin rund 650 Kickerinnen.Die Bilder sorgten für Aufsehen. Ana Maria Crnogorcevic nur mit Schweizer Fahne bekleidet in knallroten High Heels, Ana Maria im String mit einem HSV-Body-painting – spätestens jetzt war klar, dass die Bernerin mit kroatischen Wurzeln ihren Lebensunterhalt auch als Model verdienen könnte. Perfekte Figur, lange Beine, strahlende Augen, ein ebenmässiges Gesicht und ein Pferdeschwanz, mit dem sie auf dem Feld heraussticht; da schaut der Zuschauer nicht nur auf die Fussballschuhe, an denen der Ball klebt, als hätte sie diese vor Matchbeginn mit Honig oder Leim eingerieben.
Vater tat sich schwer
Am Beginn ihrer Karriere als Fussballerin hatte Ana Maria Crnogorcevic einige Hindernisse zu überspringen. Vater Jasenko hatte keine Freude, dass Klein-Ana Maria Fussball spielte. Also unterstützte sie ihre Mutter Vesna und kaufte ihrer Tochter ein Paar Fussballschuhe. Es war der Start zu einer der grössten Karrieren einer Schweizer Fussballerin.
20 000 Fans in den USA
«Als ich mit 18 nach Hamburg zog, war dies für mich sehr speziell. Schule, Abschluss der KV-Ausbildung, dazu Training, eine eigene Wohnung, waschen, kochen, einkaufen, putzen, das war nicht einfach. Ohne Mamas Hilfe hatte ich nicht alles im Griff», sagt Ana Maria. Leichter fiel ihr der Wechsel von Frankfurt nach Portland. «Hier ist das Leben genial. Wir spielen zuhause regelmässig vor 20 000 Zuschauern, die Begeisterung ist riesig und das Niveau hoch.» Noch offen ist, welches Team sich in der kommenden Saison die Dienste der Torjägerin sichern kann.
Die Frau der Rekorde
Nach vier Partien liegt die Schweiz in der EM-Qualifikation mit dem Punktemaximum gleichauf mit Belgien an der Tabellenspitze – auch wegen der Berner Rekordtorschützin; von den bisher 15 Schweizer Toren gehen vier auf das Konto der Stürmerin. Gegen Rumänien bestritt Ana Maria Crnogorcevic ihr 117. Länderspiel für die Schweiz. Genauso viele, wie Heinz Hermann, der Schweizer Rekordspieler bei den Männern, absolviert hat.
Schon bald wird sie ihre drei ehemaligen Teamkolleginnen Lara Dickenmann (135), Martina Moser (129) und Caroline Abbé (127) überholen. Alleinige Rekordtorschützin ist sie bereits – am 3. September im EM-Qualifikationsspiel gegen Litauen überholte sie Lara Dickenmann (53 Tore). «Klar, dass ich auch Lara Dickenmanns zweiten Rekord brechen will. Rekord- Torschützin bin ich bereits, jetzt nehme ich ihre 135 Länderspiele in Angriff», sagt Ana Maria Crnogorcevic, eine echte Goalgetterin. Schade, dass die ehemalige Nationaltrainerin Martina Voss-Tecklenburg sie in 43 Länderspielen als Aussenverteidigerin einsetzte, sonst wäre ihre Torquote von 0,49 pro Spiel mit 0,77 deutlich höher und würde Stars wie Lionel Messi (0,5) oder Cristiano Ronaldo (0,58) vor Neid erbleichen lassen.
Kriminalkomissarin in spe
Beendet dereinst Ana Maria Crnogorcevic ihre Karriere, hat sie ein klares Berufsziel vor Augen: Polizistin. Nicht Bussenzettel unter die Scheibenwischer klemmen, sondern Kriminalkommissarin will sie werden, schwierige Fälle lösen. «Es kann sein, dass ich nach meiner Fussballer- Karriere in den Kanton Bern zurückkehre und in den Polizeidienst eintrete. Auch hier, wie auf dem Rasen, schwierige Fälle zu lösen, würde mich reizen.» Vorerst hat Ana Maria Crnogorcevic andere Ziele vor Augen. Sie will sich mit der Schweiz für die Euro 2021 in England qualifizieren und Rekord-Nationalspielerin werden.
Pierre Benoit