Zusammen mit YB-Goalgetter Geni Meier war René Kiener in den Fünfziger- und Sechzigerjahren in Bern ein Idol – berühmter und populärer als Zytglogge, Bärengraben und Münster zusammen.
Eduard Freimüller hiess damals Berns Stadtpräsident, doch das kümmerte niemanden. Die Stars, die in Bern jeder kannte, hiessen René Kiener, Peter Stammbach, Geni Meier und Ernst Wechselberger. Dass diese Popularitätsmedaille auch eine dunkle Kehrseite hatte, weiss keiner besser als René Kiener. Wo immer er unter den Lauben auftauchte, wurde er zu einem Gläschen eingeladen, bald wurden daraus zwei und mehr, bis er vor genau 40 Jahren erkannte, dass es so nicht weitergehen konnte. «Ich ging freiwillig in eine Entzugsklinik, habe seit 40 Jahren keinen Tropfen Alkohol mehr getrunken und bin glücklich, gesund und zufrieden», sagt der 81-jährige, der damals auch mal an einem Tag eine Flasche Whisky geleert hat. Kiener, Jorns, Jäggi, Grubauer, Tosio, Bührer, Genoni. Die Liste der prominenten und erfolgreichen SCBGoalies ist lang, wird immer länger und zeigt auf, was ein Team zum Meister machen kann: Ein guter Rückhalt, ein Torhüter, der auch sogenannt Unhaltbare hin und wieder haltbar macht, ist das A und O. René Kiener hofft, dass das Duo Caminada/Schlegel diese Tradition nun fortsetzen wird. Ihren Anfang nahm René Kieners schillernde Karriere an einem Heimspiel gegen den EHC Arosa, als der damalige SCB-Stammgoalie Fritz Grossenbacher ein paar «faule Eier» passieren liess und Coach Ernst Wenger kurzerhand den 15-jährigen René Kiener einwechselte. Auf der Gegenseite, beim damaligen Serienmeister und Dominator der Meisterschaft, dem EHC Arosa, stand mit den Gebrüdern Gebi und Ueli Poltera und Hans-Martin Trepp die crème de la crème des Schweizer Eishockeys auf dem Eis, doch den Junioren kümmerte dies wenig. Am Tag danach wurde auch René Kieners Übername «Gagu» geboren. Als im Schönau-Quartier die Nachricht von Kieners Einsatz die Runde machte und Bäckersfrau Oesch jeden, der in ihrem Lädeli ein Gipfeli oder ein Brötli kaufte, fragte, ob er wisse, dass René, dieser kleine «Gagu», gestern im «Eins» des SCB gespielt habe, entstand der Übername der ihn noch heute verfolgt aber keineswegs stört. Eine beispielhafte Eishockey-Karriere, die in zwei Meistertiteln, 38 Länderspielen, einer Teilnahme an den Olympischen Winterspielen 1964 in Innsbruck, fünf Weltmeisterschaften und einer Aufnahme im «Legendenklub» des SCB gipfelte, nahm ihren Lauf. Nicht vergessen werden darf ein Spiel an der WM 1959 in Bratislava, als die Schweiz dem kanadischen Dreamteam, den Trail Smoke Eaters, 0:23 unterlag. Am Ende des Spiels wurde auch der beste Spieler geehrt. Es war – trotz 23 Gegentoren – René Kiener.
Auch beruflich erfolgreich
Neben dem drei Mal wöchentlichen Training war René Kiener auch ein erfolgreicher Geschäftsmann. Bei Garbani Malerei/Gipserei und Schriftenmalerei absolvierte er eine vierjährige Lehre als Schriftenmaler, besuchte danach zwei Jahre die Kunstgewerbeschule. Nach der Lehre blieb René Kiener vorerst weiterhin der Firma Garbani treu, ehe er sich selbstständig machte und mit drei Mitarbeitenden und einem Lehrling namhafte Firmen betreute, unter anderem die Wander AG («Ovomaltine») oder die APG (Allgemeine Plakatgesellschaft), Firmen, in denen «Mister SCB», Mex Sterchi, arbeitete, ehe Kiener zu Garbani zurückkehrte.
Meister auch auf dem See
Noch heute verpasst René Kiener kaum ein Heimspiel seines SCB, wenn er in Bern ist. Immer öfter weilt der 81-jährige allerdings in Grindelwald, wo er seinen beiden Hobbies frönt. Nachdem er Anfang der Fünfzigerjahre drei Mal den Lauf Murten-Freiburg bestritt, sammelte er während Jahren als Segler Titel, unter anderem als internationaler Meister der H-Boot-Klasse auf dem Thunersee. Heute ist der ehemalige SCB-Goalie, dessen Leibchen mit der Nummer 0 im Dach der PostFinance-Arena hängt, entweder auf Pilzsuche oder beim Fischen anzutreffen. Wie die Fische, die er fängt, verschenkt Kiener auch die Pilze, die er findet, an Freunde. Und wenn er irgendwo zum Nachtessen eingeladen ist, bringt er meistens auch ein Glas getrocknete Steinpilze mit. Und hin und wieder darf es auch eine Forelle sein.
Pierre Benoit