Der SCB befindet sich in einer Zwickmühle: Zwar soll Dominik Kahun möglichst viele Tore schiessen. Spielt der Deutsche jedoch (zu) erfolgreich, dürfte ihm bald ein neues Angebot aus der NHL ins Haus flattern.
«Im Moment ist das kein Thema, mein Fokus liegt zu 100 Prozent beim SCB. Ich bin verliebt in Bern, den SCB und die Stadt und mache mir keine Gedanken, was nächstes Jahr passiert. Mein Ziel ist es, hier zu bleiben. Die Stimmung in der Mannschaft und der Kabine ist hervorragend und es wird Eishockey auf einem hohen Niveau gespielt», so die Reaktion des SCB-Topskorers auf die Frage, ob er sich in Bern wohlfühle und sich seine Gedanken nicht 24 Stunden am Tag um eine Rückkehr in die NHL drehten. «Klar ist es das Ziel jedes Eishockeyspielers, in der NHL aktiv zu sein, doch ich bin mit der Situation glücklich und höre die Komplimente, dass meine Leistungen gut sind, gerne.»
Die richtige Entscheidung
Wie vergangene Saison in Kanada dominiert Corona auch in der Schweiz das Leben und die Eishockey-Meisterschaft. «Die Situation ist sehr unangenehm, denn die Spiele sind es, die Spass machen, für uns und für die Zuschauer. Doch die Lage ist für alle die gleiche, wir müssen uns anpassen», sagt Dominik Kahun, der mit seiner Partnerin unweit der PostFinance Arena lebt. Der in Tschechien geborene und früh mit seiner Mutter nach Deutschland gezogene Vollblutstürmer hat in seiner Karriere schon viel erlebt. Er spielte in Deutschland in Jugendteams, kam im Nachwuchs des Mannheimer ERC in einer Saison in 30 Spielen auf 206 Skorerpunkte (Schnitt 6,87), was noch heute Rekord ist. Zwischenzeitlich spielte Dominik Kahun in Tschechien für Pilsen, wurde mit dem EHC München dreimal in Serie DEL-Meister, kam in der NHL für Chicago, Pittsburgh, Buffalo und Edmonton zu 188 Partien und gewann mit Deutschland 2018 Olympia-Silber. «Vieles war speziell in meiner bisherigen Karriere. Das erste Tor in der NHL, der Treffer bei den NHL Winter Classics, die drei Titel in Serie in München…doch das Highlight war das Olympia-Silber 2018.» Und nun ist dieser Ausnahmekönner also in Bern gelandet. Eine neue Adresse, ein neues Land und eine neue Liga für den Topskorer, der es sich gewohnt ist, für Spitzenteams zu spielen. Warum also Bern, das seit dem letzten Titelgewinn 2019 schwierigere Zeiten als auch schon erlebt? «Im Sommer wartete ich auf Angebote aus der NHL. Es trafen zwar einige ein, doch keines, das mir passte. Auch Anfragen aus ganz Europa, Russland, Schweden, Deutschland und der Schweiz lagen auf meinem Tisch, doch bei den ersten Gesprächen mit den SCB-Verantwortlichen hatte ich sogleich ein gutes Gefühl. Ich bin sicher, dass meine Entscheidung die richtige war.»
«Leidenschaft und Wille»
Spricht Dominik Kahun über den SCB, ist trotz der nicht optimalen Tabellenlage Begeisterung zu spüren. «Wir sind nicht gut in die Saison gestartet, doch wir wurden auch schlecht belohnt. Einige Spiele gingen knapp und unglücklich verloren, aufgrund der Leistungen hätten wir mehr Punkte verdient. Jetzt sieht alles anders aus. Wir haben uns in den Trainings gesteigert, alle sind im System angekommen, ich spüre eine grosse Leidenschaft und einen unbändigen Willen. Stark verbessert haben wir uns auch im Powerplay, das Anfang Saison gar nicht funktionierte. Ich bin guter Dinge und überzeugt, dass in den Playoffs für uns vieles möglich sein wird», sprüht der Mann mit der Nummer 24 vor Optimismus. «Jeder kann in dieser ausgeglichen Liga jeden schlagen, das gilt auch für uns. Dass wir dazu in der Lage sind, alle zu ärgern, wollen wir in den Playoffs beweisen, auch wenn wir vielleicht den Weg über die Pre-Playoffs gehen müssen.»
Und wieder gegen die Schweiz
An den Olympischen Spielen wird Dominik Kahun auf der anderen Seite stehen und Gegner seiner SCB-Copains sein. «Als ich das erste Mal gegen die Schweiz antrat, wusste ich gar nicht, was an diesem Spiel so aussergewöhnlich sein soll. Doch bald fühlte ich, dass so etwas wie Derbystimmung herrscht, die Rivalität grösser ist und die Zweikämpfe etwas härter geführt werden.» Dominik Kahun ist denn auch verantwortlich dafür, dass die Schweiz mit den letzten Partien gegen den nördlichen Nachbarn keine guten Erinnerungen verbindet. Bei Olympia 2018 gab er zum deutschen Siegestor in der Verlängerung den entscheidenden Pass, an der WM 2021 in Riga hatte er im Viertelfinal mit einem Assist zum 2:2 kurz vor Schluss und mit seinem Treffer im Penaltyschiessen wesentlichen Anteil am Sieg. «Jetzt wird es eine neue Situation sein, denn ich spiele gegen meine SCB-Kollegen und kenne auch die anderen Schweizer aus den Meisterschaftsspielen in der National League. An Motivation wird es nicht fehlen.» Die Schweiz trifft an der WM in Finnland am 24. Mai auf die Deutschen. Mal schauen, wer diesmal im Duell das glücklichere Ende behalten wird.
Pierre Benoit