Slide Cap Bb Mujinga Kambundji 71

«Das waren die längsten 24 Sekunden meines Lebens»

Seit dem 18. März ist klar: Die schnellste Frau der Welt kommt aus Bern. Mujinga Kambundji über das lange Warten nach dem Rennen, Schminke im Sport und ihre Vorbildsfunktion.

An der Hallen-WM in Belgrad liess die 29-jährige Sprinterin vor gut zwei Wochen die gesamte Konkurrenz hinter sich holte die insgesamt fünfte EModer WM-Medaille. Dass die Erwartungen in Hinblick auf die kommende Freiluft-WM in Eugene (USA) und die EM in München nochmals sprunghaft in die Höhe geschnellt sind, liegt auf der Hand.

Nach dem Zieleinlauf in Belgrad vergingen 24 Sekunden, bis ihr Sieg offiziell bestätigt worden ist. Waren das die längsten 24 Sekunden ihres Lebens?
Es war in der Tat eine sehr lange Zeit, gefühlt wohl mindestens vier Minuten.

Welche Gedanken rasten durch Ihren Kopf?
Es war für mich eine Art Blackout Rennen. Ich fühlte, dass es gut war, aber ich wusste nicht, dass ich gewonnen habe. Dann waren die Kameras auf mich gerichtet – eigentlich ein gutes Zeichen. Doch lagen sie etwa falsch? All das spielte sich in meinen Gedanken ab. Ich spürte auch die Gegnerinnen nicht richtig, weil ich auf Aussenbahn laufen musste, was ich im Prinzip nicht liebe.

Ihren Sieg konnten Sie gar nicht richtig feiern. Sie teilten das Zimmer mit Schwester Ditaji, die am nächsten Tag im Einsatz stand. Wann gingen Sie zu Bett?
Nach drei Rennen am gleichen Tag war ich ohnehin müde und ausgelaugt. Wir sassen in der Hotellobby noch mit der Schweizer Delegation zusammen, doch dann überkam mich die Müdigkeit. Es ging ja weiter. Am Sonntag der Besuch im «Sportpanorama», am Montag die Geburtstagsfeier meines Vaters im Kreis der ganzen Familie.

Haben Sie die Festivitäten nachgeholt?
Nein, bisher noch nicht.

Sie liefen perfekt geschminkt durchs Ziel. War das eine Art Vorahnung auf die Siegerfotos?
Ich laufe immer so geschminkt, das gehört zu meinem Ritual. Doch an Siegerfotos habe ich nicht gedacht.

Sie sagten in der «SonntagsZeitung», dass Sie nicht Gold gewinnen, sondern einfach alle schlagen wollten. Wo, bitte, liegt da der Unterschied?
Mein Hauptgedanke vor dem Rennen war einfach, dass ich alle schlagen will. Darauf habe ich mich konzentriert, nicht, dass ich Weltmeisterin werden will. Alles andere kommt automatisch, wenn es gelingt, alle zu bezwingen…

Man hat den Eindruck, dass Sie Grossereignisse lieben. Immer wenn es um die Wurst oder um Medaillen geht, sind Sie bereit. Wie schaffen Sie das?
Sie liegen mit Ihrer Vermutung richtig. Mir bereiten Grossereignisse den grössten Spass, das war schon als Kind so. Seit meiner Kindheit gilt: Je grösser der Druck, umso schneller laufe ich.

Was haben Sie seit Belgrad gemacht? Haben Sie schon wieder trainiert?
Jein. Sagen wir es so: Ich habe mich bewegt. Zuhause auf dem Hometrainer, mit den Kraftgeräten, so dass der Körper aktiv bleibt, mehr noch nicht.

Gleich werden Sie wieder gefordert. Zuerst kommt die WM in Eugene vom 15. bis 24. Juli. Alles andere als Gold wäre eine Enttäuschung?
Man muss wissen, dass zwischen 60 Meter in der Halle, wo immer die gleichen Bedingungen herrschen, und 100 Meter ein grosser Unterschied besteht. Aber die Tatsache, dass ich im letzten Sommer schon sehr schnell war und nicht ein einziges schlechtes Rennen hatte, stimmt mich zuversichtlich. In diesem Jahr klappt das ebenso, zum Glück auf einem noch höheren Niveau.

Sie sind als schnellste Frau ja «la femme à battre».
Das ist schön zu wissen, doch damit habe ich weder an der WM noch an der EM im Voraus etwas gewonnen. Es gibt immer auch Gegnerinnen, und wie schnell diese laufen, kann ich nicht beeinflussen.

An der EM in München vom 15. bis 21. August wird die Ausgangslage ähnlich sein. Ein geschichtsträchtiger Ort, wo 1972 die Olympischen Spiele stattfanden. 11,07 war die Siegerzeit Renate Stechers.
Eine beachtliche Zeit, bedenkt man, dass seither 50 Jahre vergangen sind. Ich denke, dass die Voraussetzungen in München ähnlich sein werden wie an der WM.

Für eine Sprinterin ist die Balance zwischen Souplesse, Spritzigkeit, Explosivität auf der einen und Kraft auf der anderen Seite wichtig. Wie schaffen Sie diesen Spagat?
Das ist das Verdienst meiner Trainer, Adrian Rothenbühler und Florian Clivaz. Es ist unglaublich, wie gut die beiden mich kennen und wissen, was ich brauche. Ich habe viel Vertrauen in ihre Arbeit, gebe ihnen aber auch die notwendigen Rückmeldungen.

Wie gehen Sie damit um, dass Sie für Tausende von Mädchen ein Vorbild sind?
Das freut mich ungemein. Ich hoffe, dass auch einige Buben darunter sind. Ich habe als kleines Mädchen auch zu den erfolgreichen Leichtathletinnen und Leichtathleten aufgeschaut. Dass ich jetzt Vorbild sein darf, ist eine grossartige Erfahrung.

Zuletzt noch eine Frage, welche die Bernerinnen und Berner brennend interessiert: Sind Sie am 14. Juni beim Citius-Meeting am Start?
Definitiv kann ich das noch nicht bestätigen, doch wenn es machbar ist, trete ich vor meinem Heimpublikum an.

Pierre Benoit

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